Kommentar zum Wahlkampf 2021Die Parteien debattieren wie im Schlaraffenland

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Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hält bei der Präsentation ihres Buches ein Exemplar in den Händen.

In früheren Wahlkämpfen war bestimmt nicht alles besser. Sie waren holzschnittartig, polemisch und ermüdend. Es gab aber zumindest Kontroversen und inhaltliche Debatte um Kopfpauschalen, Ausländer-Maut oder Mütterrente.

Dieser Wahlkampf 2021 findet bisher vor allem auf Nebenkriegsschauplätzen statt, auf denen Plagiate- und Lebenslaufdebatten toben, auf denen wichtig ist, wer wann was getwittert und sich dabei im Ton vergriffen hat, und auf denen es um die falschen Fotos für eine altbackene Wahlkampagne geht.

Geht’s noch? Das ist ein Wahlkampf wie im Schlaraffenland. Als seien alle mit allem versorgt und man müsse sich nur um Luxusprobleme kümmern. Wenn sich das politische Spitzenpersonal dann doch einmal zu konkreten Fragen äußern soll, wie man die Klimaziele erreicht und wie die Kosten der Pandemie bewältigt werden, bleibt es meistens vage. Bloß niemandem auf die Füße treten.

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Wahlkampf sollte dringend in inhaltliche Auseinandersetzungen gehen

Das aber ist die falsche Strategie. In einer Zeit, in der die Weichen für die Zukunft neu gestellt werden müssen, braucht es dringend Diskussionen um den richtigen Weg. Es wird Zeit, dass dieser Wahlkampf in inhaltliche Auseinandersetzungen geht.

In der Klimadebatte reicht es nicht, sich zu hehren Zielen zu bekennen und dem Volk vorzugaukeln: Für Euch ändert sich nichts. Das stimmt einfach nicht. In der Klimafrage muss die Debatte geführt werden: Haben wir genug Zeit und Geld, unser komfortables Leben klimaneutral mit neuen Technologien fortzuführen oder braucht es doch Verzicht und Verhaltensveränderungen? Das sind die Pole, um die sich Debatten drehen müssen – nicht um Verbotsvorwürfe.

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Beim Thema Alterssicherung ist auch in Nicht-Wahlkampfzeiten selten ein Politiker oder eine Politikerin ehrlich. Die Kontroverse lohnt sich aber: Müssen wir länger arbeiten? Sollen die jungen Menschen immer höhere Beiträge zahlen? Die Antworten auf die Fragen tun weh, deshalb drücken sich die politisch Verantwortlichen davor. Es wäre jedenfalls gut, mal zu kommunizieren, dass in Fragen der Sozial- und der Finanzpolitik die Decke an einem Ende kürzer wird, wenn man am anderen Ende zieht. Man muss also Prioritäten setzen und schmerzhafte Entscheidungen treffen. Darüber zu streiten, wie diese aussehen sollen, dafür ist Wahlkampf da.

Und dann das Bildungssystem. Corona habe wie unter einem Brennglas die Probleme sichtbar werden lassen, heißt es immer so schön. Das bedeutet, wir können die Missstände, von denen wir schon vorher wussten, nun noch besser sehen. Das gilt insbesondere fürs Schulsystem, das soziale Unterschiede bei den Kindern und Jugendlichen verfestigt und immer noch unter-digitalisiert ist. Es lohnt sich die Auseinandersetzung, ob man doch mehr Zentralisierung braucht oder die Länder dazu bringt, mehr Wettbewerb und damit auch mehr gegenseitiges Lernen durch gute Beispiele untereinander zuzulassen.

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