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Kommentar zur Corona-LageDie Delta-Variante wird Lockerungen gefährden

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Ist die Maskenpflicht draußen noch sinnvoll?

Am gefährlichsten sind die Gegner, die schwer berechenbar sind. Das Coronavirus, gegen das die Welt nun seit eineinhalb Jahren kämpft, ist ein solcher Gegner. Forscher, Politik und Öffentlichkeit haben immer wieder Neues über das Virus dazulernen müssen. Gab es Fortschritte im Kampf gegen die Pandemie, folgten neue Schwierigkeiten durch eine Mutation des Virus. So ist es jetzt auch mit der Delta-Variante.

Großbritannien als Indikator für Europa

Diese zunächst in Indien entdeckte Virusvariante breitet sich zunehmend vor allem in Großbritannien aus. Sie ist besonders ansteckend. In Deutschland spielt sie zwar bislang keine riesige Rolle. Doch das kann sich ändern – bislang war bei Corona das, was in Großbritannien passiert, ein guter Indikator dafür, was Kontinentaleuropa droht. In Großbritannien zeigt sich: Auch Geimpfte erkranken, die Impfung scheint aber schweren Krankheitsverläufen bei der Delta-Variante recht gut vorzubeugen. Das ist immerhin etwas.

Die Politik in Deutschland wird durch diese Entwicklung ein weiteres Mal vor eine sehr komplexe Herausforderung gestellt. Die Inzidenzen sind gesunken, die Impfquote nimmt zu: Das alles löst den berechtigten Wunsch nach Lockerungen aus, dem nun ja auch nach und nach entsprochen wird. Die Menschen möchten und brauchen jetzt einen Sommer, in dem sie wieder mehr normales Leben möglich ist. Eine Gesellschaft im Dauer-Lockdown dreht irgendwann durch.

Gleichzeitig gibt es durch die Delta-Variante eben eine neue Gefahr, die sich leider nur bedingt einschätzen lässt. Während in der Wahrnehmung der meisten Menschen also viel für eine Rückkehr zum Alltag spricht, dürfen die politisch Verantwortlichen die Vorsichtsmaßnahmen mit Blick auf eine drohende vierte Welle nicht zu schnell zurückfahren. Es wäre ohnehin klug, von der Maskenpflicht nicht zu schnell Abschied zu nehmen – schon allein, um diejenigen zu schützen, die noch nicht geimpft sind.

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Gerade beim Thema Reisen kann es im Lauf der kommenden Monate auch immer sein, dass Regeln sich kurzfristig ändern müssen. Für die betroffenen Menschen kann das höchst ärgerlich sein. Für die Politik ist es mindestens kommunikativ schwierig – gerade in einem Wahljahr. Wenn die Verantwortlichen nicht jeden Schritt sehr gut erklären, werden sie wahrgenommen wie ein Lehrer, der vor der versammelten Klasse zugeben muss: „Das, was ich gestern erzählt habe, stimmt heute schon nicht mehr.“

Wie wichtig es ist, im Sommer jetzt nicht alle Vorsicht fahren zu lassen, zeigt der Blick auf den Herbst. Die Kultusminister haben gerade beschlossen, dass ihr Ziel durchgehender Präsenzunterricht im kommenden Schuljahr ist. Das ist auch richtig, weil niemand unter den Folgen der Corona-Beschränkungen so gelitten hat wie die Kinder und Jugendlichen. Und weil ein weiteres Jahr mit viel Distanz- und Hybridunterricht, die Bildungsungerechtigkeit in unserem Land noch mal deutlich vergrößern würde. Allein Umsicht im Sommer steigert die Aussicht auf eine stabile Lage im Herbst.

Langfristige Entwicklung der Pandemie bleibt abzuwarten

Die neue Entwicklung mit der Deltavariante führt uns auch vor Augen, dass wir es aufgrund von Mutationen noch für lange Zeit mit der Corona-Pandemie zu tun haben dürften. Das Pandemiegeschehen lässt sich gut mit dem Schmetterlingseffekt aus der Chaos-Theorie vergleichen. Er besagt, dass eine kleine Veränderung an einem Ort auch eine große anderswo hervorrufen kann. Wenn ein Schmetterling seine Flügel bewegt, kann der dadurch entstehende Luftwirbel einen größeren anstoßen – und immer so weiter, bis hin zu einem Tornado am anderen Ende der Welt.

Umso mehr gilt in Zeiten von Corona: Wir müssen sicherstellen, dass auch ärmere Länder gut mit Impfstoff versorgt werden – zu unserer eigenen Sicherheit.

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