Kritik an Rackete-VerhaftungHabeck bezeichnet italienische Regierung als „ruchlos“

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Carola Rackete an Bord

Carola Rackete (2. v. r) spricht mit einem Mann, bevor sie das Rettungsschiff „Sea Watch 3“ im Hafen der Insel Lampedusa verlässt.

Berlin – Grünen-Chef Robert Habeck hat die Festnahme der Kapitänin der „Sea Watch 3“, Carola Rackete, scharf kritisiert. „Die Verhaftung von Kapitänin Rackete zeigt die Ruchlosigkeit der italienischen Regierung und offenbart das Dilemma der europäischen Flüchtlingspolitik“, sagte Habeck dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

„Frau Rackete ,Unterstützung von Menschenhändlern‘ und Piraterie vorzuwerfen, wie es der italienische Innenminister Matteo Salvini getan hat, ist eine Sprachverdrehung Orwellschen Ausmaßes“, kritisierte der Grünen-Politiker. „Der eigentliche Skandal ist das Ertrinken im Mittelmeer, sind die fehlenden legalen Fluchtwege und ein fehlender Verteilmechanismus in Europa“, so Habeck.

Habeck sieht die Bundesregierung in der Pflicht

Habeck sieht die Bundesregierung in der Pflicht. „Es ist gut, dass die Bundesregierung ihr Einvernehmen zur Aufnahme der Geretteten gegeben hat. Und es ist lobenswert, wenn jetzt Kommunen wie Kiel die Bereitschaft zeigen, diese Menschen aufzunehmen“, sagte er. „Doch die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die Rettung von Ertrinkenden im staatlichen Auftrag oder staatlich organisiert geschieht.“

Das Schiff der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch ist nach dem unerlaubten Anlegen im Hafen der italienischen Insel Lampedusa und der Festnahme der Kapitänin beschlagnahmt worden.

Rackete drohen bis zu zehn Jahre Haft

Die Migranten sind von Bord gegangen. Sie waren vor mehr als zwei Wochen vor der libyschen Küste von der Organisation gerettet worden. Seitdem wartete Sea-Watch vergeblich auf die Zuweisung eines sicheren Hafens in Europa. Was nun mit den Migranten passieren sollte, war zunächst unklar. Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, hatten sich bereit erklärt, Schutzsuchende aufzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft in Agrigent wirft der Kapitänin nun Widerstand gegen die Staatsgewalt vor, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Dazu kommt, dass beim Anlegemanöver ein Boot der Finanzpolizei gestreift wurde.

Italiens Innenminister Salvini von der rechtsradikalen Lega-Partei hatte Rackete im Kurzbotschaftendienst Twitter scharf kritisiert. „Verbrecherische Kapitänin festgenommen, Piratenschiff beschlagnahmt, Höchststrafe für die ausländische Nichtregierungsorganisation.“

Rackete könnten Medienberichten zufolge zwischen drei und zehn Jahre Haft drohen. Nach Angaben von Sea-Watch von Freitag werden Rackete auch Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Verletzung des Seerechts vorgeworfen. Für die 31-Jährige sei Hausarrest angeordnet worden, berichtete Ansa.

SPD-Politikerin Chebli fordert Aufnahme aller Geretteten

Die Berliner Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales, Sawsan Chebli, bezeichnete Rackete als „Heldin“. Die SPD-Politikerin rief die Bundesregierung zur Aufnahme der Migranten auf: „Deutschland hat jetzt Chance, der Welt zu zeigen, dass wir diese menschenverachtende Politik nicht mitmachen. Wir sollten jetzt alle von deutschen Schiffen Geretteten aufnehmen“, schrieb Chebli auf Twitter.

Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich bei Twitter zurückhaltender und forderte eine schnelle Klärung der Vorwürfe gegen Rackete.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sprach von einer „Schande für Europa“. Die Verhaftung Racketes mache ihn „traurig und zornig“.

Die Moderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf rufen bereits seit Tagen zu Spenden auf, um die Kosten für die juristische Verteidigung Carola Racketes bestreiten zu können. (mit red)

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