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Mahnende Studie„Kinder werden erneut die Pandemie-Verlierer“

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Schüler Homeoffice

Im Herbst droht den Schülern in Deutschland wieder Distanzunterricht. 

Berlin – Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB), Heinz Hilgers, hat angesichts der um sich greifenden Delta-Variante des Coronavirus davor gewarnt, dass diese erneut zulasten der Schülerinnen und Schüler in Deutschland gehen werde. „Es ist bedenklich, wie viele Freiheiten wir uns selbst jetzt schon wieder gewähren“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Da werden Feste mit 1000 Menschen gefeiert, die Fußball-Stadien werden immer voller. Mein Rat wäre deshalb, es mit den Freiheiten nicht zu übertreiben, um im Herbst nicht in eine neue Krise hineinzurutschen.“

Hilgers beklagte, dass politisch abermals nicht genug unternommen worden sei, um Vorbeugung zu betreiben – etwa durch eine bessere digitale Ausstattung von Schulen oder durch den rechtzeitigen Einbau von Lüftungsanlagen. „Das ist ein einziges Trauerspiel“, sagte er dem RND. „Ich fürchte, die Kinder werden erneut die Verlierer der Pandemie sein.“ Auch die Lehrergewerkschaft GEW übt Kritik: „Schulen müssen endlich krisenfest gemacht werden“, fordert die Vorsitzende Maike Finnern. Das beinhalte Investitionen in Gebäude, Infrastruktur, mehr Personal und Luftfiltergeräte in Klassenräumen.

Ärzte- und Lehrerorganisationen warnen vor zu schnellem Ende der Corona-Maßnahmen

Für Eltern, Lehrkräfte, Politikerinnen und Politiker stellt sich nun die Frage: Wie gelingt nach den Sommerferien ein sicherer Start? Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) spricht sich, ebenso wie die GEW, für offene Schulen aus – jedoch warnen beide vor einem zu frühen Ende der Maßnahmen.

„Noch ist es uns nicht möglich zu beurteilen, wie sich die Delta-Variante auf das Infektionsgeschehen in Lehranstalten auswirkt, dafür wissen wir zu wenig über sie“, sagt der Berliner Kinderarzt und BVKJ-Sprecher Jakob Maske. Außerdem seien seriöse Prognosen für das kommende Schuljahr unmöglich, ergänzt GEW-Vorsitzende Maike Finnern, da die Ferien in den Bundesländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten enden.

Umso bedeutender scheinen Corona-Schutzmaßnahmen für einen gelungenen Start. „Dann werden Teststrategie und Masken eine wichtige Rolle spielen“, erwartet der BVKJ-Sprecher. Auch regelmäßiges Händewaschen und genügend Abstand werden seiner Meinung nach auch künftig zum Infektionsschutz beitragen. Bei vielen Schülerinnen und Schülern sind einer Studie der Frankfurter Goethe-Universität zufolge im Distanzunterricht während der Corona-Pandemie erhebliche Leistungsdefizite entstanden. 

Erhebliche Leistungsdefizite bei Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Elternhäusern

„Die durchschnittliche Kompetenzentwicklung während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 ist als Stagnation mit Tendenz zu Kompetenzeinbußen zu bezeichnen und liegt damit im Bereich der Effekte von Sommerferien“, resümierte der Frankfurter Pädagogen Andreas Frey das Ergebnis der Studie zum Distanzunterricht. Untersucht wurden allerdings die Leistungen der Schülerinnen und Schüler während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020, nicht während des Winter- und Frühjahreslockdowns 2020/21. Besonders stark sind Kompetenzeinbußen demnach bei Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Elternhäusern.

Am Samstag hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) prognostiziert, dass die Maßnahmen in Schulen noch längere Zeit in Kraft bleiben müssten. Er erwarte, dass im Laufe des Herbstes und Winter wieder Maskenpflicht oder sogar Wechselunterricht in der Schule nötig seien.

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Mit Blick auf die Rückkehr nach den Ferien sagte Spahn am Sonntagabend in der ARD: „Unser Ziel sollte sein, so viel Normalität wie möglich nach den Ferien auch für die Schulen, aber eben auch so viel Sicherheit wie möglich.“ Eine Möglichkeit dabei seien Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren. Zwar liegt die Inzidenz hierzulande am Montag bei 8,6 und damit auf einem so niedrigen Niveau wie lange nicht mehr, doch hat sich der Anteil der Delta-Mutation in der ersten Juniwoche auf fast sechs Prozent verdoppelt. Forschende gehen im Vergleich zur Alpha-Variante von einer bis zu 60 Prozent höheren Infektiosität aus. (mit dpa)

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