Mobbing, BeschimpfungenViele Lehrer werden Opfer von Schülergewalt

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Viele Lehrer werden Opfer von Gewalt (Symbolbild).

Berlin – An deutschen Schulen grassiert die Gewalt von Schülern gegen Lehrer – und zwar sowohl in Form psychischer als auch körperlicher Gewalt. An 61 Prozent der Schulen gab es in den vergangenen fünf Jahren Fälle, in denen Lehrkräfte von Schülern beschimpft, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden. An mehr als einem Drittel der Schulen gab es in dem genannten Zeitraum Fälle von körperlicher Gewalt.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 1300 deutschen Schulleitern, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) durchgeführt hat. „Es ist erschütternd, wie stark die Zahlen gestiegen sind“, sagte VBE-Chef Udo Beckmann mit Blick auf Vergleichsergebnisse aus einer entsprechenden Schulleiterumfrage vor zwei Jahren. Damals waren es noch weniger als die Hälfte der Schulleiter (48 Prozent), die von Fällen psychischer Gewalt gegen Lehrer in einem Fünf-Jahres-Zeitraum berichteten.

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Bei der körperlichen Gewalt ist die Zahl der Schulen, an denen es Vorfälle gab, von 26 Prozent auf 34 Prozent angestiegen. Beckmann kritisierte, dass die Kultusministerien öffentlich stets versicherten, es handle sich lediglich um Einzelfälle. Darauf, so der Lehrergewerkschafter, zögen die politisch Verantwortlichen sich auch immer zurück, wenn sie nach einem Grund gefragt würden, warum keine Statistiken geführt werden. „Die Augen zu verschließen wird das Problem aber nicht beseitigen“, sagte der Lehrergewerkschafter.

Je nach Schulform gibt es deutliche Unterschiede: An Haupt-, Real- und Gesamtschulen gibt es mit 73 Prozent betroffenen Schulen besonders viele Fälle von Bedrohungen, Beleidigungen und Mobbing. Bei den Grundschulen ist auffällig, dass sie bei den Vorfällen körperlicher Gewalt gegen Lehrer über dem Durchschnitt liegen – mit 40 Prozent der Schulen, in denen es in den letzten fünf Jahren solche Vorfälle gab.

Internet wird zum Tatort

Das Internet wird für Lehrer in Deutschland zur Falle: Laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) gibt es eine deutlich wachsende Zahl von Fällen, bei denen Lehrer von Schülern über das Internet diffamiert, belästigt oder genötigt werden. Im Jahr 2018 berichteten noch 20 Prozent der Schulleitungen von solchen Fällen in den vergangenen fünf Jahren.

Bei der diesjährigen Umfrage, die von Ende Januar bis Ende Februar durchgeführt wurde, waren es bereits 32 Prozent. VBE-Chef Udo Beckmann verwies darauf, dass die Befragung damit noch vor der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Stresssituation erfolgt ist. Wie die Pandemie auf das Schüler-Lehrer-Verhältnis gewirkt hat, ist derzeit noch nicht bekannt. 

Jüngere Kinder könnten ihre Emotionen noch nicht so gut kontrollieren und wüssten sich manchmal nicht anders zu helfen, sagte Beckmann dazu. Trotzdem handele es sich um „eine bedenkliche Zahl“. Der VBE-Vorsitzende forderte mehr Unterstützung für Lehrer. Ziel müsse die Einsetzung von multiprofessionellen Teams an allen Schulen sein, so Beckmann. Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Lehrer und Psychologen müssten Hand in Hand arbeiten, um auftretende Konflikte in den Griff zu bekommen.

Eltern oft nicht kooperationsbereit

Eine wachsende Zahl von Schulleitern gab in der aktuellen Umfrage zu, dass sie selbst nicht sicher seien, ob es ihnen optimal gelungen sei, die Kollegen in Fällen von Gewalt ausreichend zu unterstützen. Ein Teil der Schulleiter fühlte sich mit anderen Aufgaben überlastet. Andere fürchteten einen Ansehensverlust der Schule, wenn sie dem Thema zu viel Bedeutung beimäßen. Ein großes Hindernis, so die Schulleiter, seien aber nicht uneinsichtige Schüler. In zu vielen Fällen seien die Eltern nicht kooperationswillig – und erschwerten es so, den betroffenen Lehrern angemessen zu helfen.

Einen Fortschritt sieht die Lehrergewerkschaft: Es gelinge, die Debatte über Gewalt gegen Lehrer zu enttabuisieren. Bei der Befragung vor zwei Jahren haben noch 30 Prozent der Schulleiter gesagt, dass sie das Problem als Tabu empfänden. Diesmal waren es nur 30 Prozent.

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