Nach dem FinalsiegIn Italien grassiert die „EM-Variante“ von Corona

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Auch in Köln feierten italienische Fans die EM. 

Man musste wahrlich kein Virologe oder Epidemiologe sein, um vorauszusehen, was sich nun in Italien in den Fallstatistiken niederschlägt: Die ausgelassenen Siegesfeiern nach dem Finalsieg der Azzurri bei der Fußball-Europameisterschaft am 11. Juli wirkten wie ein Brandbeschleuniger, zumal auch in Italien die hochansteckende Delta-Variante des Virus dominiert.

Millionen Italienerinnen und Italiener waren auf Straßen und Plätze geströmt und hatten sich – fast immer ohne Gesichtsmaske – umarmt, geküsst und zugeprostet. Die Folge zehn Tage später: Im ganzen Land schießen die Corona-Fallzahlen in die Höhe, wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern im Moment noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Die Medien sprechen von einem „Euro-2020-Effekt“ und von der „Variante EM“.

Besonders massiv ist der Anstieg der Fallzahlen in Rom. Vor dem Finale der Fußball-EM, in der Woche zwischen dem 28. Juni und dem 4. Juli, wurden in der Hauptstadt mit ihren drei Millionen Einwohnern noch 293 Neuansteckungen regis triert. In der vergangenen Woche waren es bereits 1491 Fälle – fünfmal mehr. Rom ist inzwischen zum wichtigsten Covid-Hotspot Italiens geworden, die Sieben-Tage-Inzidenz ist auf über 50 Fälle pro 100 000 Einwohner hochgeschnellt. Die ganze Hauptstadtregion Latium riskiert, zusammen mit anderen Regionen wie Venetien und Sardinien, im italienischen Ampelsystem wieder „gelb“ zu werden – mit nächtlicher Ausgangssperre, geschlossener Innengastronomie, Maskenpflicht auch im Freien und allem Drum und Dran. Dass die Fallzahlen gerade in Rom so in die Höhe gehen, ist kein Zufall: Am Tag nach dem Finalsieg waren die Azzurri im offenen Bus in einem Triumphzug durch die Stadt gefahren und dabei von Zehntausenden Römerinnen und Römern stundenlang gefeiert worden. Die Bilder der eng um den Bus versammelten Massen – und der fehlenden Masken – sprachen Bände.

„Wir erleben nun den ,Gravina“-Effekt“, betont der regionale Gesundheitsminister von Latium, Alessio D“Amato. Er spielt dabei auf den Nachnamen des Präsidenten des italienischen Fußballverbands an, der die Busfahrt der Mannschaft ohne Rücksprache mit den regionalen und nationalen Gesundheitsbehörden bewilligt hatte. „Das war die reine Spinnerei“, ärgert sich D“Amato.

Die Experten und Expertinnen des wissenschaftlichen Beirates der Regierung von Mario Draghi sind jedenfalls alarmiert und warnen vor einem weiteren, exponentiellen Anstieg der Fallzahlen – zumal das Virus derzeit beste Bedingungen zur Weiterverbreitung vorfindet: In der Ferienzeit sind die Strände nun überfüllt, nachts wird gefeiert – in der Regel ebenfalls ohne Masken und ohne Einhaltung irgendwelcher Mindestdistanzen.

Das Kabinett von Draghi diskutiert deshalb über die Einführung neuer Restriktionen und Vorsichtsmaßnahmen: Es gilt als so gut wie sicher, dass bereits am kommenden Montag für bestimmte Aktivitäten – Besuch von Veranstaltungen, Stadien, Museen, Kinos, Innengastronomie – das Vorweisen des grünen Passes obligatorisch wird. Dieser bescheinigt, dass Menschen gegen Covid-19 durchgeimpft, bereits genesen oder negativ getestet worden sind. Das einzig Beruhigende an der Situation: Die Neuinfektionen betreffen fast ausschließlich junge Menschen, die nur in seltenen Fällen schwer erkranken. In Rom liegt das Durchschnittsalter der positiv Getesteten bei 28 Jahren, im Landesdurchschnitt bei 29 Jahren.

Entsprechend marginal sind bisher die Auswirkungen auf die Covid-Abteilungen und Intensivstationen der Krankenhäuser, deren Auslastung im ganzen Land noch unter 5 Prozent liegt. Außerdem ist der größte Teil der Risikogruppen inzwischen geimpft. Unter den Kriterien zur Einführung von neuen Res triktionen in den einzelnen Regionen soll deshalb die Auslastung der Spitäler stärker gewichtet werden als bisher.

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