Präsident als KrisenmanagerDonald Trumps wirrer Umgang mit dem Coronavirus

Lesezeit 4 Minuten
Trump vor Anhängern

Donald Trump inszeniert sich zur Zeit des Coronavirus als Krisenmanager.

Washington – Die Innenstädte sind ausgestorben. Die Metro fährt als Geisterzug. Restaurants, Bars, Kaufhäuser, Theater und Museen sind geschlossen. Die Corona-Pandemie hat ganz Amerika lahmgelegt. Nur in einem Raum herrscht plötzlich wilde Betriebsamkeit: Im James Brady Briefing Room des Weißen Hauses.

Die einstmals üblichen regelmäßigen Pressekonferenzen in dem engen Saal mit der markanten blauen Wand und den weißen Gips-Säulen hat die Trump-Regierung längst abgeschafft. Doch neuerdings wird hier täglich eine Aufführung der bizarrsten Art gegeben: Der Präsident gibt den Krisenmanager. 

Coronakrise: Stimmungsschwankungen und wirre Aussagen von Donald Trump

„Keine Nation ist besser auf das Virus vorbereitet als die USA“, brüstete sich Donald Trump vor zehn Tagen. „Was wir erreicht haben, ist unglaublich“, tönte er am Freitag der vergangenen Woche. „Ich freue mich, den Aktienmarkt auf Rekordkurs zu sehen“, jubelte er einen Tag später. „Es ist schlimm, es ist schlimm“, hatte er am Montag ein kurzes Tief.

Dafür lieferte er am Freitag seine bislang wohl durchgeknallteste Darbietung: Als Hobby-Pharmakologe propagierte er eine gegen das Coronavirus völlig unerprobte Malaria-Therapie, blaffte einen Reporter für eine extrem freundliche Frage an und behauptete, es sei in den USA kein Problem, einen Corona-Test zu machen. Selbst für Trumps Verhältnisse war das starker Tobak.

Die Realität sieht nämlich ganz anders aus: Die Fall-Zahlen steigen dramatisch. Inzwischen haben sich mehr als 24.000 Amerikaner mit dem Virus infiziert. Am Sonntagmorgen (US-Zeit) waren mehr als 300 Männer und Frauen gestorben. Die Test-Koffer, die die bundesstaatliche Behörde zur Seuchenbekämpfung anfangs ausgeteilt hatte, funktionierten nicht. Händerringend suchen Krankenhäuser überall im Land derzeit nach Schutzkleidung und Tests. Für die kommende Woche hat die Regierung in Washington zwar einige Lieferungen angekündigt – doch das ist noch Zukunftsmusik.

Coronavirus: Experten kritisieren USA für zu späte Maßnahmen

Kein ernstzunehmender Experte bezweifelt, dass die USA viel zu spät begonnen haben, sich auf die Pandemie vorzubereiten. Und verantwortlich ist dafür jener Mann, der sich derzeit so lautstark als Wunderheiler zu profilieren versucht: Donald Trump. „Das kommt aus China. Wir haben das praktisch ausgeschlossen“, behauptete er Anfang Februar. „Es sieht aus, als wenn das im April, wenn es wärmer wird, auf geheimnisvolle Weise verflogen ist“, phantasierte er Anfang März.

Wochenlang war der Präsident, der auf statistische Erfolgsbilanzen fixiert ist, bemüht, die Erkrankungszahlen kleinzureden. Erst als es gar nicht mehr anders ging, schwenkte er um und präsentiert sich seither als tapferer Feldherr im Kampf gegen einen finsteren Gegner, den er mit rassistischem Unterton als „China-Virus“ bezeichnet.

Tatsächlich hat sich Trump in jungen Jahren mit einer erfundenen Krankheit vor dem Militärdienst gedrückt. Auch seine Auftritte zur Coronakrise entbehren jeder Ernsthaftigkeit, die ein echter Oberkommandierender zeigen würde. Trump ist als Immobilienhai groß geworden. Er ist ein Verkäufer. Seine zweite Karriere machte er mit einer Casting-Show im Fernsehen. Vor allem aber ist der 73-Jährige ein krankhafter Narzisst.

Entsprechend behandelt er den epidemiologischen Ausnahmezustand: Wie ein Handelsvertreter preist er ein unerprobtes Medikament an („Ich bin ein schlauer Kerl. Ich habe ein gutes Gefühl dabei“). Wie ein Reality-TV-Showmaster ruft er im Briefing-Room als Überraschungsgast plötzlich seinen inzwischen selbst bei einer TV-Tanz-Show durchgereichten einstigen Lügen-Sprecher Sean Spicer im knallbunten Sakko für eine Pseudo-Frage auf. Und als Egomane macht er alles zu einer Demonstration seiner eigenen Größe.

Das könnte Sie auch interessieren:

So stark ist die Fixierung auf sein Ego inzwischen, dass Trump selbst harmlose Fragen als Angriff empfindet. Am Freitag hatte er einmal wieder minutenlang seine vermeintlichen Erfolge angepreist, als der ruhige und renommierte NBC-Reporter Peter Alexander wissen wollte, was der Präsident jenen Menschen im Land sage, die wegen des Virus verängstigt seien. „Das ist eine bösartige Frage“, fuhr Trump den Journalisten an. „Sie sind ein furchtbarer Reporter!“, setzte er dann seine anlasslose Tirade fort, die wie üblich in allgemeinen Verwünschungen der Medien gipfelte, die Trump regelmäßig als „Fake News“ verunglimpft.

Mike Pompeo warnt vor Desinformationen und Fake News

Da wirkte es wie ein absurdes Echo, als Außenminister Mike Pompeo kurz darauf vor gezielten Desinformationen zur Corona-Pandemie im Netz durch Konspirationstheoretiker und feindliche Mächte warnte und die Bevölkerung aufrief, ihre Informationen aus „verlässlichen Quellen" zu beziehen.

Ansonsten war Pompeo auf peinliche Weise bemüht, seinem Chef zu gefallen. Der Top-Diplomat spricht inzwischen auch vom „Chinesen-Virus“. Doch Trumps Dank fiel mager aus: „Mike muss nun zurück ins Deep State Department (etwa: den Staat im Staate)“, verunglimpfte er mit verschwörungstheoretischem Vokabular den stolzen diplomatischen Dienst seines eigenen Landes.

Das war selbst für ein Mitglied der Corona-Taskforce auf dem Podium zu viel. Als renommierter Wissenschaftler hat sich Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen Instituts für infektöse Krankheiten, höchstes Ansehen erworben. In der aktuellen Krise verkörpert der 79-jährige Immunologe das unbestechliche Gesicht der Wissenschaft. Nüchtern und klar informiert er über die Lage, wenn ihn Trump zwischendurch mal ans Mikrofon lässt. Doch vermeidet er bewusst jede öffentliche Konfrontation und jeden Widerspruch gegen den Präsidenten.

Für den Bruchteil einer Minute aber verlor Fauci bei Trumps Auftritt in doppelter Hinsicht die Fassung. Er verstieß gegen den eigenen epidemiologischen Rat zur Nicht-Berührung von Augen und Mund wie gegen das überlebenswichtige Gebot der politischen Zurückhaltung: Sichtbar beschämt hielt er seine Hand vors Gesicht. (RND)

KStA abonnieren