Sie gilt als knallhartDiese Richterin entscheidet über das Schicksal von Boris Becker

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Boris Becker trifft zu seinem Strafprozess vor dem Southwark Crown Court ein.

London – Wenn Boris Becker am Freitag wie geplant den Gerichtssaal im Southwark Crown Court unweit der Tower Bridge betritt, liegt sein Schicksal in der Hand von Richterin Deborah Taylor. Sie ist es, die in dem schmucklosen Raum mit dem ausgetretenen Teppich verkünden wird, ob der 54-jährige ehemalige Tennisprofi eine Bewährungsstrafe erhält oder aber für einige Monate oder gar Jahre ins Gefängnis kommt.

Die Jury hatte Becker Anfang April in vier von 24 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Er soll sowohl Zahlungen an seine Ex-Frauen Lilly und Barbara Becker, eine Immobilie in Beckers Heimatstadt Leimen und Anteile an einer Firma für künstliche Intelligenz im Zuge seines Insolvenzverfahrens nicht offengelegt haben.

Richter nehmen Insolvenzverschleppung sehr ernst

Doch wie hoch wird die Strafe für ihn ausfallen? Die meisten Expertinnen und Experten vermuten mittlerweile, dass er womöglich zu mehreren Jahren Haft verurteilt werden könnte. Dabei schwanken die Schätzungen zwischen einem bis zu fünf Jahren. Der Grund: Richter sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien nehmen Beobachtern zufolge Fälle von Insolvenzverschleppung sehr ernst.

Erschwerend hinzu kommt, dass Becker aktiv Überweisungen getätigt haben soll, so Paul Vogel, Promianwalt mit einem Büro in London. „Aufgrund dieser klaren Verstöße wird er wohl keine Bewährung mehr bekommen.“ Aber Spekulationen über das Ende dieses Prozesses seien „ein bisschen wie Kaffeesatzleserei“, sagte der Jurist gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Taylor verurteilte Wikileaks-Gründer Assange 2019

Richterin Deborah Taylor gilt als knallhart. Sie war es, die Wikileaks-Gründer Julian Assange im Jahr 2019 zu 50 Wochen Haft verurteilte. Sie blieb damit nur knapp unter der Höchststrafe von einem Jahr. Die Begründung: Er habe mit seiner Flucht in die Botschaft Ecuadors die Bewährungsauflagen missachtet. Als Assange abgeführt wurde, beschimpften seine Anhänger und Anhängerinnen die Richterin mit den Worten „Schande über sie“. Für die Unterstützerinnen und Unterstützer stand hinter dem Urteil eine politische Entscheidung.

Während des drei Wochen dauernden Becker-Prozesses gab sich Taylor, die stets eine schwarz-rote Robe sowie eine Pferdehaarperücke trug, betont nüchtern. Am letzten Verhandlungstag listete sie mit sonorer, ja, geradezu einschläfernder Stimme auf, was Boris Becker, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung seit dem Beginn des Prozesses Ende März im Verlauf der Verhandlung vorgebracht hatten.

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Sie erwähnte seine Jugend als Tennisprofi, in welcher er gelernt haben soll, sich auf seine Berater zu verlassen. Konten und Anwesen, von deren Existenz Becker nichts gewusst haben will. Die Scham, die er verspürt haben soll, als es im Jahr 2017 schließlich zu der Bankrotterklärung kam. Taylor schloss ihre Rede damit, dass die Jury nun auf der Grundlage des Gehörten entscheiden müsse, von seiner Prominenz hingegen sollte sie sich nicht beeindrucken lassen.

„Man denke nur an den Fall Uli Hoeneß“

Doch könnte das Urteil der Richterin vielleicht von der Tatsache beeinflusst werden, dass Becker eine bekannte Persönlichkeit ist? In anderen Worten: Könnte an ihm unter Umständen ein Exempel statuiert werden? Paul Vogel möchte Taylor dies auf keinen Fall unterstellen. Er wisse jedoch von Fällen, in denen er den Eindruck erhalten habe, dass in der Öffentlichkeit stehende Menschen eher härter bestraft wurden. „Man denke nur an den Fall Uli Hoeneß. Das war aus meiner Sicht nahe an einem Fehlurteil.“

Vonseiten der Finanzbehörde jedenfalls hieß es nach der Verkündung des Urteils im Fall Becker durch die Jury Anfang April, dass dies eine Warnung an diejenigen sei, „die glauben, sie könnten ihr Vermögen verbergen und damit davonkommen. Sie werden ermittelt und strafrechtlich verfolgt“.

Falls Becker von Richterin Deborah Taylor tatsächlich zu einer Haftstrafe verurteilt wird, kann er Expertinnen und Experten zufolge sowohl gegen das Urteil als auch gegen das Strafmaß Berufung einlegen. Das Problem: „Das könnte angesichts der Anwaltskosten in Großbritannien sehr teuer werden“, betonte Vogel. (rnd)

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