SPD-Chef Walter-Borjans„Karl Lauterbach hat in der Pandemie oft recht“

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Norbert Walter-Borjans war Finanzminister in Nordrhein-Westfalen und ist seit Dezember 2019 Co-Vorsitzender der SPD.

  • Der SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans spricht über die Corona-Fallzahlen und Lockerungen der Regeln.
  • Auch zu seinem Parteikollegen Karl Lauterbach hat er eine Meinung.

Herr Walter-Borjans, welches Signal muss am Montag von der Ministerpräsidentenkonferenz ausgehen?

Norbert Walter-Borjans: Die Ministerpräsidentenkonferenz muss ein Signal von Verlässlichkeit, von guter Organisation und von Verantwortung senden. Aber auch wir Bürgerinnen und Bürger sind gefordert, durch vorsichtiges Verhalten die Schlussstrecke bis zur Impfung nicht zu gefährden. Wir befinden uns wieder in einem exponentiellen Wachstum. Die Virus-Mutation B 1.1.7 ist infektiöser als das ursprüngliche Coronavirus. Wir stecken in einer sehr kritischen Phase. Waren die Lockerungsbeschlüsse der letzten

„Viele Menschen unter enormen psychischen Druck“

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Jede Entscheidung fällt zurzeit zwangsläufig unter Unsicherheit. Vor dem Hintergrund, dass viele Menschen inzwischen enormen psychischen Druck empfinden, dass viele Existenzen gefährdet sind und die Bildung der Kinder zu kurz kommt, war es richtig, vorsichtige Wege der Öffnung zu beschreiten. Dass die Infektionszahlen wieder so nach oben gehen, war bei der Festlegung der Regeln ein Szenario unter mehreren. Dagegen stand aber auch die Erwartung eines rascheren Impffortschritts.

Ihr Parteifreund Karl Lauterbach hat das durchaus vorhergesagt...

Die einen verteufeln es, die anderen sind begeistert: Karl Lauterbach hat in der Pandemie oft recht. Karl schaut mit dem Blick des Gesundheitspolitikers konsequent auf die naturgesetzliche Ausbreitung der Infektion und die unmittelbar gefährdeten Menschenleben. Es gibt aber auch die andere Sicht: auf Gesellschaft und Wirtschaft, auf die Folgen für Menschen, die ihre Existenz verlieren, auf Innenstädte, die veröden und auf die Kinder, die Langzeitschäden durch einen Komplett-Lockdown bekommen. Es geht um die richtige Balance.

„Die Zahl der bis zu 15-Jährigen Infizierten steigt“

Sind die Inzidenzzahlen - also die Zahl der Infektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner - noch die richtige Größenordnung für die Pandemie-Politik?

Wir sind jetzt leider wieder bei den hohen Inzidenzzahlen, von denen wir vor Wochen geglaubt haben, dass wir sie hinter uns gelassen hätten. Die Todeszahlen liegen aber deutlich niedriger, weil mittlerweile fast alle Hochbetagten geimpft sind. Auf dieser veränderten Basis werden die Ministerpräsidenten auch abwägen, welche der dringend notwendigen Lockerungen zu verantworten sind – und wo. Dabei müssen auch andere Kriterien berücksichtigt werden: zum Beispiel der R-Wert, der die Verbreitungsrate angibt. Darüber hinaus ist die Auslastung der Intensivbetten von Bedeutung. Was mir Sorge macht: Inzwischen steigt auch die Zahl der bis zu 15-Jährigen, die sich mit Corona infizieren.

Was bedeutet das für die Schulen - muss der Digitalunterricht fortgesetzt werden?

Es war mühsam für alle Beteiligten, den Wechselunterricht zu akzeptieren. Er ist die richtige Entscheidung. Es geht um so viel Präsenz-Unterricht wie nur möglich. Es gibt zu viele Kinder, die zu Hause nicht angemessen am Digital-Unterricht teilnehmen können und wenig Unterstützung haben. Wir brauchen da einen pragmatischen Weg, auch mit besonderen Hilfen für Kinder, die durch den Ausfall des Unterrichts in der Schule zunehmend in Rückstand geraten.

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Muss es einen verschärften Lockdown über Ostern hinaus geben?

Aktuell haben wir eine Regelung, die je nach Infektionsgeschehen Grenzen nach oben und nach unten hat. Im Moment sind wir auf einem Weg, auf dem die Automatismen greifen werden, die wieder zu Einschränkungen führen. Es geht darum, wie das möglichst differenziert und erträglich zu machen ist. Die Ministerpräsidentenkonferenz wird nach allen Möglichkeiten suchen, die Einschränkungen wo immer möglich und vertretbar zu lockern.

Ist aus Ihrer Sicht Osterurlaub im In- oder Ausland möglich?

Eigenverantwortung ist mehr, als nur das zu unterlassen, was verboten ist. Wir alle sollten alles unternehmen, um Risiken zu senken. Am sichersten ist es, wenn man zu Hause bleibt. Eine rechtliche Handhabe dagegen, in Länder zu reisen, in denen das Ansteckungsrisiko niedriger ist als in heimischer Umgebung, gibt es nicht. Verantwortungsbewusst ist das eher nicht.

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