StreamingdienstNetflix präsentiert grandiose Zahlen – doch die Konkurrenz lauert

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Netflix steigert Gewinn im dritten Quartal kräftig

Bald kommt „Tyll“ auf die Bildschirme. Daniel Kehlmann hat mit seinem gleichnamigen, vielfach gelobten Roman die Vorlage geliefert. Nun will Netflix daraus eine Serie machen, die zeigt, wie sich ein gewisser Tyll Ulenspiegel, Gaukler, Narr und Entertainer, durch das Deutschland in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges schlägt. „Tyll“ gehört zu einer langen Liste von Eigenproduktionen, mit denen sich der Abrufdienst für bewegte Bilder behaupten will. Denn demnächst wird die Konkurrenz massiv wachsen. Unter anderem wollen Apple und Disney in das Geschäft einsteigen.

Der Pionier Netflix hat gerade seine Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt. Knapp 6,8 Millionen neue Abonnenten kamen weltweit hinzu. Das sind zwar rund 200.000 weniger, als das Management eigentlich erreichen wollte. Dennoch feierten Börsianer den Zwischenbericht. Die Aktie machte am Donnerstag mit einem Plus von zeitweise mehr als 10 Prozent einen gewaltigen Sprung. Hauptgrund für die Euphorie dürfte sein, dass die Netflix-Macher abermals bewiesen haben, dass sie es immer noch verstehen, den Geschmack des Publikums zu treffen, und zwar nicht nur in den USA, sondern fast überall auf der Welt. Die dritte Staffel der Mysteryserie „Stranger Things“ war der Renner in den vergangenen Monaten. Rund 64 Millionen der insgesamt knapp 158 Millionen zahlenden Nutzer hätten sie in den ersten vier Wochen abgerufen, heißt es in einem Brief an die Aktionäre.

655 Millionen Dollar Gewinn

Das und anderes hat dem Unternehmen ein Umsatzplus von fast einem Drittel auf rund 5,2 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 665 Millionen Dollar beschert. In der Vorjahreszeit waren es nur 403 Millionen Dollar. Eines der Highlights im vierten Quartal soll das Gangsterepos „The Irishman“ von Martin Scorsese mit Robert DeNiro und Al Pacino werden.

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Das Netflix-Management um den Chef Reed Hastings gibt sich denn auch enorm selbstbewusst. Keiner der neuen Rivalen verfüge über eine derartige Vielfalt und Qualität bei Eigenproduktionen, heißt es in dem Brief. Einst hatte Netflix mit „House of Cards“ neue Maßstäbe für die gesamte Branche gesetzt. Es folgten massenweise Film- und Fernsehpreise und zuletzt auch Oscars – für das Drama „Roma“. Beim Start der neuen Konkurrenzangebote werde es viel Lärm geben. Kurzfristig sei mit Gegenwind beim Wachstum zu rechnen. Entsprechend zurückhaltend fallen die Erwartungen der Führungsriege für das vierte Quartal aus: Bei einem Umsatz von 5,4 Milliarden Dollar will das Unternehmen noch 232 Millionen Dollar verdienen.

Doch für die Manager besteht kein Zweifel, dass es langfristig mit ihrer Firma weiter aufwärts gehen wird. Dabei wird im Brief an die Aktionäre darauf hingewiesen, dass das Streaminggeschäft noch immenses Potenzial biete. Netflix decke in den USA gerade einmal 10 Prozent der Bildschirmzeit seiner Nutzer ab. Es gebe große Chancen für viele verschiedene Anbieter, weil sich der Wandel in der Zuschauergunst beschleunigen werde – weg vom linearen Fernsehen hin zu Abrufdiensten.

In Deutschland ist Netflix Marktführer - noch

Das dürfte auch für Deutschland gelten. Nach den Daten der Marktforschungsfirma GfK nutzen aktuell schon rund 23 Millionen Menschen kostenpflichtige Plattformen. Netflix ist der Marktführer. Die wichtigsten Konkurrenten hierzulande sind Sky, Amazon und die Telekom-Tochter Videoload. Anfang November wird Apple TV+ mit einem Kampfpreis von 4,99 Euro pro Monat hinzukommen. Disney+ wird wohl Anfang 2020 nachziehen. Letztere Plattform wird mit einer riesigen cineastischen Bibliothek mit gut 500 Spielfilmen, darunter „Star Wars“ und Marvel-Verfilmungen, und mit insgesamt rund 7500 Serienfolgen antreten. Apple soll laut „The Hollywood Reporter“ mit einer Handvoll eigener Produktionen starten.

Apple TV+ macht Netflix Konkurrenz: Serienfans sind die Gewinner

Für viele Analysten ist klar, dass beide Konkurrenten eine ernsthafte Bedrohung für Netflix werden können. Disney nicht nur wegen eines auf Familien mit Kindern fokussierten Angebots, sondern weil der Micky-Maus-Konzern demnächst zahlreiche seiner Filme, die derzeit noch bei Netflix verfügbar sind, dort abziehen dürfte, um sie künftig auf der eigenen Plattform zu vermarkten. Das würde für Hastings bedeuten, dass er die Zahl der kostspieligen Eigenproduktionen noch erheblich steigern müsste, was die Bilanz des Unternehmens in Schieflage bringen könnte.

Kauft Apple bald ein Filmstudio?

Noch größere Eruptionen – für die gesamte Branche – werden Apple zugetraut. Dan Ives, Analyst beim Vermögensverwalter Wedbush Securities, geht davon aus, dass der iKonzern sich in absehbarer Zeit ein eigenes Filmstudio für einen Milliardenbetrag zulegen wird. Das soll helfen, die hohen Kosten für die Vergabe exklusiver Produktionen zu senken. Und wenn schon, dann können die selbst gemachten Filme auch gleich in Kinos laufen. Dadurch würden sie sich für die Oscars qualifizieren, was fürs Marketing ein enormer Vorteil wäre. Für Ives wäre es aber ein noch erheblich reizvollerer und mutigerer Deal, wenn Apple-Chef Tim Cook gleich einen ganzen Streamingrivalen kaufen würde, Netflix etwa. Andere Branchenkenner gehen indes davon aus, dass eine Übernahme von Disney die beste Wahl wäre.

Das Geld dafür hätte Apple. Allein mehr als 100 Milliarden Dollar an Liquiditätsreserven liegen auf den Konten. (RND)

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