Streit mit US-PräsidentTrumps Ex-Koch ist Hurrikan-Helfer auf den Bahamas

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José Andrés

José Andrés 

Washington – Die amerikanischen Fernsehteams waren noch nicht auf den Bahamas gelandet, als am Sonntag ein wackliges Video im Netz einen ersten Eindruck von der monströsen Kraft vermittelte, mit der Hurrikan „Dorian“ das Urlaubsparadies marterte. „Wir sind 80 Meilen vom Auge des Sturms entfernt“, brüllte ein bärtiger Mann in spanisch eingefärbtem Englisch in die Kamera. Das Bild wackelte, der Regen peitschte in sein Gesicht: „Die Situation ist so schlimm, wie man es sich nur vorstellen kann.“

Dieser Mann in der Anglerjacke ist weder Abenteurer noch Voyeur. José Andrés ist einer der bekanntesten Köche der USA. Der 50-Jährige trägt zwei Michelin-Sterne an der weißen Jacke und betreibt in Washington, Los Angeles und Las Vegas 30 Restaurants. Für ein Essen in seinem angesagten Molekular-Tempel Minibar in Washington muss man mindestens 275 Dollar auf den Tisch legen. Doch im Zweitjob hat Andrés eine beeindruckende private Hilfsorganisation aus dem Boden gestampft, die seit dem desaströsen Erdbeben auf Haiti im Jahr 2010 unglaublich schnell immer dann zur Stelle ist, wenn Soforthilfe gebraucht wird.

Am Dienstag meldete sich Andrés wieder mit einem Video bei Twitter. In der Zwischenzeit hatten er und seine Mitarbeiter die Großküche eines vom Hurrikan verschonten Hotels in der Bahamas-Hauptstadt Nassau in Beschlag genommen. „Selbst Hotelgäste unterstützen uns als Freiwillige“, berichtete der Star-Koch. Im Hintergrund wurden 10.000 Sandwiches geschmiert und mit Obst und Wasser in Tüten gepackt. Nachmittags hatte sich das Unwetter soweit beruhigt, dass Andrés mit den Lebensmitteln in einem Hubschrauber zu den nördlichen Abaco-Inseln aufbrechen konnte, die von der Außenwelt bislang weitgehend abgeschnitten sind. „Ich hoffe, ich finde eine Kochmöglichkeit. Kein Strom und Empfang da. Ich melde mich, sobald ich kann“, twitterte er.

Generalstabsmäßige Planung der Helfer um Andrés

Was auf den ersten Blick wie ein Kamikaze-Einsatz wirken mag, entspringt tatsächlich einer generalstabsmäßigen Planung. Die Mitarbeiter von Andrés‘ „World Central Kitchen“ haben bereits ein Dutzend potenzielle Essensausgabeplätze, Unterstände und mobile Kochstellen auf den Abacos lokalisiert. Und sie verfügen über reichlich Erfahrung. Bei fast jeder nordamerikanischen Naturkatastrophe der vergangenen Jahre waren sie im Einsatz. Als Hurrikan Maria im September 2017 Puerto Rico verwüstete, landete Andrés mit dem ersten Flugzeug, blieb mehrere Monate, eröffnete unzählige mobile Küchen und verteilte mit Tausenden Helfern mehr als drei Millionen belegte Brote, Paellas und Eintöpfe.

„Ich mache das, weil ich glaube, meine Hilfe wird gebraucht“, sagte Andrés am Montag dem Fernsehsender CNN. Mit der US-Katastrophenorganisation Fema und dem Roten Kreuz hatte sich der Gastronom in Puerto Rico mächtig angelegt. Zu bürokratisch und wenig kosteneffektiv seien diese Organisationen, kritisierte der rastlose Unternehmer, der wenig Verständnis für langwierige bürokratische Prozesse hat und ziemlich unduldsam werden soll, wenn ihm ein Wunsch abgeschlagen wird. Seine eigenen Einsätze finanziert er aus Kleinspenden und Überweisungen von Stiftungen und Prominenten. „Die amerikanische Regierung hat versagt“, urteilte er apodiktisch nach dem Einsatz in Puerto Rico.

Dorian Bahamas

Zerstörung auf den Bahamas

Nicht nur deswegen dürfte Andrés dem US-Präsidenten Donald Trump ein Dorn im Auge sein. Die beiden Männer haben eine schwierige gemeinsame Vergangenheit: Der aus Spanien stammende Koch, der bald nach seiner Übersiedlung in die USA zu kulinarischem Ruhm kam, sollte Trumps Washingtoner Hotel als Restaurantbetreiber zu etwas mehr Glanz verhelfen. Doch als der Eigentümer im Präsidentschaftswahlkampf 2015 mexikanische Migranten pauschal als Vergewaltiger und Drogenhändler denunzierte, sagte Andrés kurzerhand ab. Ein zweijähriger Rechtsstreit mit Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe folgte, der schließlich außergerichtlich beigelegt wurde.

Mit Kritik an Trumps Anti-Einwanderungspolitik hat der Star-Koch seither nicht gespart. In seinen eigenen Restaurants beschäftigt er viele Einwanderer. Dadurch werde das Land „stärker, kreativer und mutiger“, wirbt er für eine offene Gesellschaft. Und als Anfang diesen Jahres wegen des Streits über Trumps Mauer die Bediensteten zahlreicher Washingtoner Ministerien von der Arbeit ausgesperrt waren, ließ Andrés wenige hundert Meter vom Weißen Haus entfernt demonstrativ kostenlose Essen verteilen.

Die Restaurants des erfolgreichen Einwanderers, der erst 2013 die US-Staatsbürgerschaft erwarb, werden nun vorerst ohne den berühmten Chef auskommen müssen. „Ich bleibe eine Weile hier“, meldete er von den verwüsteten Bahamas. Es sei schön, für einige wenige zu kochen. Aber in Notfällen vielen zu helfen, sei seine Leidenschaft, hat Andrés gesagt: „Eine warme Mahlzeit ist mehr als nur Nahrung. Es ist ein Teller Hoffnung.

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