Talk zum TempolimitDunja Hayali outet sich als geübte Autobahn-Raserin

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Dunja Hayali

Dunja Hayali

  • Bei Dunja Hayali ging es am Mittwochabend ums Tempolimit, Schuleschwänzen gegen Klimawandel und Mobbing an deutschen Schulen.
  • Zu Gast waren Anton Hofreiter (Grüne), Theresa Kah und Luisa Neubauer (Fridays for Future“) sowie Markus Blume (CSU-Generalsekretär).

Berlin – Die ganze Talkshow erzählt in einer Szene gab es gleich zu Beginn: Dunja Hayali sitzt mit sympathischem Lächeln am Steuer, brettert mit 200 Sachen über die Autobahn und hat neben sich einen Polizisten sitzen, der ihr vor Schreck gleich den Puls misst – und feststellt: Ruhepuls von 66. Hm. Und nun? Über die ZDF-Journalistin sagt uns das, dass sie nicht nur die Steuerung von Morgenmagazin und Sportstudio routiniert meistert, sondern auch geübt in der identitätsstiftenden Teutonentugend des Autobahnrasens ist. Und über das Tempolimit? Eigentlich nur, dass man so oder so dazu stehen kann.

So bleibt es auch, bis Dunja Hayali dieses erste der drei Themen ihrer eigenen, von nun an monatlich ausgestrahlten Talkshow nach 25 Minuten mit der Bilanz beendet, dass die Argumente im Tempo-Streit nun wohl ausgetauscht seien. Und tatsächlich muss man das sowohl ihrem Team, das einen liebevollen Einspielfilm über Hayali-Besuche bei Autofreaks wie bei der Autobahnpolizei an den Start gebracht hat, als auch den beiden politischen Gästen bescheinigen: Die Pros und Contras zu allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Autobahn haben sie präzise benannt und aufgelistet. Nur: Die kannte man ja schon vorher.

Lob für Hayalis Idee, es anders zu machen

So sehr sich das sonstige öffentlich-rechtliche Polit-Talk-Format inzwischen festgefahren hat; so erwartbar und öde es in seiner allein auf Krawall ausgerichteten Besetzungspraxis – drei Männer, eine Frau, einen Verrückten – geworden ist; so lobenswert dieser Versuch ist, es zumindest mal anders zu machen: Kein Krawall ist irgendwie auch keine Lösung. Das zeigte sich jedenfalls an diesem Mittwochabend bei Hayali im ZDF.

Natürlich reicht es völlig, wenn man CSU-Generalsekretär Markus Blume und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter zum Duell lädt, um die Pole der Debatte abzubilden. Klar applaudiert das junge Studiopublikum (und laut Umfragen auch die Mehrheit der Zuschauer), wenn Hofreiter mehrfach die Hunderten Verkehrstoten pro Jahr beklagt, die aufs Konto der Raser gehen – er legt eine Quote von etwa der Hälfte der insgesamt rund 3000 jährlichen Opfer nahe.

„Ihr Feldzug gegen das Automobil“

Und natürlich freuen sich die Grünen-Fresser, wenn – all der versöhnlichen Sachlichkeit zum Trotz, die Hayali bei der Moderation ausstrahlt – CSU-Blume dem Grünen-Hofreiter vorwirft, sein Plädoyer fürs Tempolimit sei eher Teil „Ihres Feldzugs gegen das Automobil und gegen die Mobilität das Einzelnen, das treibt Sie auch in anderen Bereichen, gerade auch beim Diesel, da können Sie nicht einfach locker lassen und sagen, naja, da wollen wir dem Einzelnen nicht nur sagen, was er zu essen hat, sondern wir wollen ihm auch sagen, wie er sich fortbewegen soll“.

Das hatte sich Blume zwar hübsch zurechtgelegt, weil die anderen Talkshows lehren, dass derlei Politischer-Aschermittwochs-Gepolter immer für ein paar Studio-Klatscher und Twitter-Zitate gut ist. Bei Dunja Hayali aber reagiert darauf weder das Publikum noch der politische Gegner und schon gar nicht die Moderatorin, und das ist ja einerseits löblich, aber andererseits geht in solchen Moment ja wenigstens kurz der Puls mal über den Ruhezustand.

Es ist ja sogar ein cleverer Schachzug (oder ein angenehmer Zufall), dass die unter rechten Publizisten und deren Twitter-Trollen als Gutmenschen verschriene Hayali in dieser Sendung derlei Erwartungen enttäuscht: Erst outet sie sich als Fan des gepflegten Bleifußes auf der Autobahn, der – wie ihr Film-Interviewpartner und Auto-Tuner Sidney Hoffmann es ausdrückt – die Fakten kennt, sie aber in diese Welt nicht reinlässt.

Und dann muss sie in der folgenden Zehn-Minuten-Befragung der beiden im Anschluss auftretenden jugendlichen Klima-Aktivistinnen und „Fridays For Future“-Schulschwänzerinnen qua Amt (die Interviewer-Rolle verlangt danach) die Gegenposition einnehmen und nacheinander fragen, ob deren Engagement nicht sinnlos, wohlfeil, geheuchelt oder naiv sei. Ob sie denn überhaupt ihr eigenes Verhalten umgestellt hätten?

Mit geschwollener Halsschlagader

Doch leider wirkt das, als fungiere sie lediglich als Stichwortgeberin in einer einseitig besetzten Runde – nicht nur, aber auch, weil die beiden jungen Frauen diese Fragen eloquent und treffsicher parieren („Ich ernähre mich ja vegan usw., aber das ist ein anderes Thema, denn was bringt es, wenn ich Bio-Rosinen kaufe, aber sich die Strukturen nicht ändern!“).

Für noch weniger Aufregung zu später Stunde sorgt schließlich das dritte Thema, denn wie könnte Hayali beim Thema „Mobbing an Schulen“ den im Einsatz und dann im Studio befragten Mobbing-Experten und Ex-Schauspieler („mit bewegter Vergangenheit“) Carsten Stahl ins kritische Kreuzverhör nehmen? Stahl müht sich redlich – oder auch seinem Naturell entsprechend –, Leidenschaft und Lautstärke sowie Empörung und Emotionen aufzubringen: Erzählt von eigenen Mobbing-Erfahrungen als Kind, auf Opfer- wie Täterseite; davon, dass er zuletzt schon sechs Beerdigungen von Schülern nach einem Suizid wegen Mobbings besucht hat; schimpft mit geschwollener Halsschlagader auf „Verantwortliche des Schulsystems und auch Politiker, die diese Fälle bagatellisieren“.

Hayali scheint frühmorgens angriffslustiger zu sein

Dunja Hayali, die zur frühmorgendlichen MoMa-Stunde deutlich aufgewecktere Interviews führt, bescheinigt Stahl zum Abschied, „man merkt Ihr Engagement und auch ein bisschen Ihre Wut, aber das braucht es vielleicht auch, um etwas zu erreichen“. So verpufft die Wut genauso wie zuvor die der Klimaschutzschülerinnen, die man gerne dabei erlebt hätte, wie sie mit einem der alten, mächtigen Männer debattieren, die „heute die dicken Autos fährt“ oder sich in Davos für das deutsche Wirtschaftswachstum auf die Schulter klopfen lassen, ohne dabei an das Klima zu denken, das sie den Jüngeren von heute einst hinterlassen. Doch dieser Gegenpart fehlte.

Dem Tempo der Sendung tut das nicht sonderlich gut – obwohl ja drei Themen in der Zeit von sonst einem behandelt werden. Doch leider ist so kein Platz für neue Informationen oder Denkanstöße – und beim Austausch der Argumente wirkt es, als stünde jemand auf der Bremse.

Erregungspotenzial gedrosselt

Ist es Hayali, die – wie auch bei ihren Außeneinsätzen sowie in den Social Media – zeigen will, das man diskutieren kann, ohne zu streiten? Sind es die Gäste, denen Sparrings-Partner fehlen, die sie wirklich zu leidenschaftlicher Argumentation herausfordern? Oder ist man schon so von den eigentlich doch nervenden Ritualen bei Will, Illner, Plasberg und Maischberger verdorben?

Fakt ist: Dunja Hayali ist am stärksten, wenn sie spontaner sein darf. Und wenn schon das Erregungspotenzial gedrosselt wird, sollte dafür der Erkenntnisgewinn steigen.

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