Top-Rodler Felix Loch über Olympia„Ich bin heilfroh, wenn ich da wieder weg bin“

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Rodler Felix Loch

Peking – Felix Loch gehört mit drei Olympiasiegen und 13 Weltmeistertiteln zu den erfolgreichsten Rodlern aller Zeiten und ist Favorit in Peking. Besonders in Erinnerung geblieben ist sein Missgeschick bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang, als er durch einen Fahrfehler das sicher geglaubte Olympiagold verspielte und auf Platz fünf landete. Im Interview spricht der 32-Jährige, der kürzlich mit dem Coronavirus infiziert war, über die Situation im Gastgeberland China.

Herr Loch, denken Sie in den Tagen vor der olympischen Entscheidung mehr an Ihr Missgeschick bei den Winterspielen 2018 zurück?

Wir sind in China und nicht in Südkorea. Deshalb schaue ich mir das im Video gar nicht an. Die Geschichte ist verarbeitet und ich mache mir keine Gedanken mehr darüber.

Mit welchen Gefühlen sind Sie zu den Winterspielen nach China gereist?

Mit sehr gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite ist Olympia das Event, auf das wir uns alle vier Jahre vorbereitet haben, und wir wollen dort besonders gut sein. Auf der anderen Seite waren wir ja schon drei Wochen zum Training da, wo wir einiges erlebt haben. Mein Teamkollege Tobias Arlt musste mit einem falsch positiven Test in Quarantäne. Ich jedenfalls möchte so etwas im Quarantänehotel nicht erleben.

Haben Sie wie Ihre Kollegin Julia Taubitz Angst vor den Corona-Tests in China?

Ich werde immer nervös sein, wenn die in China messen. Die setzen den relevanten Wert mit 35 an, bei uns ist er bei Anfang 30. Wenn du positiv bist, dann war die ganze Reise und der ganze Aufwand umsonst.

Alpin-Sportdirektor Wolfgang Maier befürchtet falsche positive Corona-Tests, mit denen die chinesischen Gastgeber die Winterspiele beeinflussen könnten.

Ich sehe es genau wie Wolfi Maier. Wir haben uns vorher nicht vorstellen können, was bei Olympia 2014 in Sotschi in Sachen Dopingtests vorgefallen ist. Und jetzt gibt es ein viel einfacheres Mittel, um jemanden aus dem Verkehr zu ziehen. Im Vergleich zu Dopingtests sind die Corona-Abstriche sehr leicht zu manipulieren. Und dann bist du einfach raus. Es gibt noch keine superguten chinesischen Rodler, aber im Bob und Skeleton sieht das schon anders aus.

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Wie geht man bei all den negativen Gedanken das Olympiarennen an?

Das erste Highlight ist das Rennen. Und das nächste  der Flug nach Hause. Ich bin heilfroh, wenn ich da wieder weg bin. Und das finde ich am traurigsten. Man will  andere Sachen erleben.

Zum Beispiel die Olympischen Winterspiele 2026 in Cortina in der Wintersportnation Italien?

Auf jeden Fall! Es steht nicht zur Debatte, dass ich aufhöre. Solange ich gesund bin und es erfolgsmäßig passt, mache ich weiter. Natürlich fahre ich da nicht hin, um Zwölfter zu werden. Aber Cortina liegt nur drei Stunden von daheim entfernt.

Haben Sie mal über einen Boykott der Winterspiele in China nachgedacht?

Nein. Da vertrete ich die gleiche Meinung wie zum Beispiel der Biathlet Erik Lesser. Ein Boykott wäre definitiv falsch. Die Chance dafür wurde bei der Vergabe vom IOC vor acht Jahren komplett verpasst. Damals war die Situation schon schlimm und jetzt ist sie noch schlimmer geworden. Man sieht ja zum Beispiel, was in Hongkong passiert. Das zeigt, was die Chinesen für eine Macht haben. Wahnsinn, was sie sich erlauben dürfen und die Welt schaut zu.

Was müsste sich aus Ihrer Sicht bei Olympia und der Vergabe ändern?

Wir Sportler haben da leider nichts mitzureden, das müsste sich ändern. Es muss ein Umdenken her: Größer, schneller, weiter, höher – das kann nicht mehr der Maßstab sein. Es ist ein Wahnsinn, was in China gebaut worden ist. Die Skisprunganlage ist keine Schanze, das ist ein Nationaldenkmal. Natürlich sind die Sportanlagen gigantisch – aber wo ist der Sinn? Ich jedenfalls fahre definitiv nicht mehr zum Rodeln nach China, egal, zu welchem Wettkampf. Ob im Biathlon, Skispringen oder im Skifahren – es wird nach Olympia nie mehr ein großes Rennen da geben. Das muss man kritisch hinterfragen.

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