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Wichtigste Vertraute des neuen KanzlersBritta Ernst wird nicht zur First Lady

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Christel Scholz, Mutter von Olaf Scholz, (l-r), Britta Ernst, Ehefrau von Olaf Scholz, Gerhard Schröder (SPD), Bundeskanzler a.D., und seine Frau So-yeon Schröder-Kim, sitzen vor der Kanzlerwahl auf der Tribüne.

Britta Ernst hatte zugesagt, aber es kam etwas Familiäres dazwischen: Am Mittwoch hätte die Bildungsministerin von Brandenburg mit Schülern diskutieren sollen, und sie habe sich sehr auf diesen Termin gefreut, heißt es aus ihrem Haus. Doch die von Günther Jauch moderierte Diskussionsrunde zum „Tag der Bildung“ muss ohne die Ministerin vonstatten gehen. Denn sie saß neben ihrer Schwiegermutter Christel Scholz in der ersten Reihe der Ehrentribüne im Plenum des Reichstagsgebäudes. Auf ihrer anderen Seite hatte der künftige Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt Platz genommen. Die drei wichtigsten Vertrauten im Leben von Olaf Scholz waren da versammelt.

Sie sahen zu, wie Scholz mit der Mehrheit von 395 Stimmen zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde. Ihr Vorgänger im inoffiziellen Amt, Merkel-Gatte Joachim Sauer, hatte es anders gehandhabt. Der Wissenschaftler schwänzte die ersten drei Vereidigungen Angela Merkels und ließ sich erst 2018 bei der vierten Zeremonie auf der Besuchertribüne des Bundestags blicken – mit aufgeklapptem Laptop auf den Knien.

Rolle der First Lady hat sich überholt

Spätestens mit Sauer, der sich weiter seinen Studien auf dem Gebiet der Quantenmechanik widmete, dürfte die Idee, dass ein Kanzler oder eine Kanzlerin ein repräsentatives familiäres Anhängsel mitbringt, in die Mottenkiste gewandert sein. Auch Britta Ernst jedenfalls wird mit der Kanzlerwerdung ihres Mannes nicht zur First Lady, wie einige Medien im Vorfeld gemutmaßt hatten.

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Sie will Bildungsministerin in Potsdam bleiben, auch wenn manche sich vielleicht eine Neubesetzung auf diesem Posten gewünscht hätten. Ernst steht während der Corona-Krise immer wieder in der Kritik. Mal wirft man ihr vor, zu zögerlich zu agieren. Mal genau das Gegenteil. Es ist ein Amt, in dem man es nie allen recht machen kann, erst recht nicht in einer derartigen Krise, die unpopuläre Entscheidungen bei widerstrebenden Erwartungen fordert. In Brandenburg ist die Kritik an der Schulpolitik aber stets besonders laut.

Kritik an kurzfristigen Entscheidungen

Das ging im Frühjahr soweit, dass der Hauptpersonalrat für Lehrkräfte öffentlich gegen Ernst aufbegehrte und der Ministerin „kurzfristige, teilweise widersprüchliche Entscheidungen“ vorwarf. Wiederholt hätten die Lehrer von Kursänderungen aus der Presse erfahren.

So etwa, als das Ministerium an einem Sonntag mitteilte, dass anderntags die Präsenzpflicht an den Schulen ausgesetzt werde, weil für einen sicheren Schulbetrieb die bestellten Schnelltests fehlten. Diese Episode hat aber eine Vorgeschichte. Eigentlich waren die Tests da, die märkischen Lehrer fanden sie aber zu kompliziert und lehnten sie ab.

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Ende November geriet die Ministerin wieder mit ihrer kurzfristigen Ankündigung ins Kreuzfeuer, die Präsenzpflicht aufzuheben. Der Plan stiftete Verwirrung – auch, weil Britta Ernst ihr Vorhaben erst im Radio kundtat, ehe sie in einem Elternbrief die Details erläuterte. Für Ärger sorgte vor allem, dass Kinder, die zu Hause bleiben, keinen Anspruch auf Digitalunterricht haben. Stattdessen sollen sie mit einem wöchentlichen Aufgabenpaket versorgt werden.

Umstrittene Krisenmanagerin

Ernst sagt, sie sei damit einer Forderung der Lehrer nachgekommen, die sich aufgrund des hohen Krankenstandes nicht noch parallel um Digitalunterricht kümmern könnten. Und sie betont, dass sie erneute Schulschließungen oder einen Wechselunterricht vor Weihnachten habe verhindern wollen.

„Was wir den Kindern in Deutschland zugemutet haben, ist enorm“, sagt sie. „Wenn wir sie weiter so hohen Belastungen aussetzen, laufen wir Gefahr, dass wir die Folgen nicht mehr reparieren können.“

Der Landeselternrat forderte ihren Rücktritt. „In den zwei Jahren pandemischer Lage war aus Sicht der Eltern weder der Wille noch die Fähigkeit erkennbar, den Schülern des Landes Brandenburg geregelten Zugang zu Bildung zu verschaffen“, heißt es in einer Mitteilung des Elternrates, der einem vernichtenden Zeugnis gleichkommt. Der Pädagogenverband stärkte ihr den Rücken - es sei schlicht keine bessere Kandidatin in Sicht.

Ernst ist seit 2017 Bildungsministerin im Land. Vorher hatte sie dieselbe Funktion in Schleswig-Holstein inne, nach dem Regierungswechsel zur Jamaika-Regierung von Daniel Günther verlor sie ihren Posten. Ein halbes Jahr später wurde das Amt in Potsdam frei. Ernst zog von Hamburg an die Havel, ihr Mann folgte ein Jahr später, als er vom Hamburger Bürgermeistersessel in die Bundespolitik wechselte. Zusammen mieteten sie sich in der kleinen Großstadt neben der Metropole Berlin ein und ließen sich sogar beim Paddeln auf den Seen fotografieren.

Eine absolute Ausnahme. Das kinderlose Paar legt größten Wert darauf, dass Privates privat bleibt und ihre jeweiligen politischen Karrieren getrennt voneinander ablaufen. Die geborene Hamburgerin Ernst und Scholz kennen sich aus gemeinsamen Juso-Zeiten in Altona. Sie sind sich gegenseitig die wichtigsten, auch politischen Gesprächspartner. In der Außenwirkung übertreffen sie einander in zurückgenommener Spröde - dass dahinter vermutlich bei beiden ein feiner Witz schlummert, kann man nie zusammen erleben. Gemeinsame Interviews? Undenkbar. Homestorys? Bebel bewahre. Zusammen wohnen sie jetzt in einem historisierenden Neubau direkt am Potsdamer Landtagsschloss. Keine Namen am Klingelschild. Nur an den schweren Limousinen des Bundeskriminalamts ist zu erkennen, dass hier ein Kanzler zur Arbeit fährt.

Scholz reagiert genervt auf First-Lady-Frage

Als Scholz 2011 Erster Bürgermeister in Hamburg wurde und seine Frau Ernst für die Bundestagsfraktion der SPD arbeitete, sagte sie in einem Interview: „Frauen sind klug beraten, auf ihre Eigenständigkeit zu achten, wenn sie Politikerinnen sein wollen und ihr Mann in der Politik ist.“ Und als Scholz im Bundestagswahlkampf gefragt wurde, ob seine Frau im Falle einer Kanzlerschaft überhaupt weiterarbeiten werde, reagierte er deutlich: „Das ist eine Frage, die mich empört. Ich weiß nicht, ob die auch Männern gestellt wird, die Ehegatten sind.“

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