Winken ins NichtsSo lief die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele

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Leere Ränge bei der Eröffnungsfeier im Olympiastadion

Tokio – Die Uhr zeigte 23.13 Uhr, als Kaiser Naruhito die 32. Olympischen Spiele mit einem Jahr Verspätung für eröffnet erklärte. Nach den wegen des Krieges abgesagten und vergessenen Spielen von 1940 und denen der Auferstehung von 1964, in denen sich Japan als modernes Land des Fortschritts präsentierte, steigt in Tokio das weltgrößte Sportfest zum zweiten Mal.

Die Leere im 68.000 Zuschauer fassenden Nationalstadion, zu dem lediglich 900 geladenen Diplomaten, Sponsoren und Mitgliedern der olympischen Familie sowie 3500 Journalisten Einlass gewährt wurde, und die deutlich vernehmbaren Proteste vor dem Sporttempel verdeutlichen, dass es ganz andere Spiele werden. Auch wenn IOC-Präsident Thomas Bach sie als „Spiele der Hoffnung“ bezeichnete. Er beschwor die Kraft des Sports zur Vereinigung und die Solidarität: „Lasst uns diesen Moment wertschätzen, weil wir endlich alle zusammen hier sind.“

Spiele der extremen Hitze

11.000 Athletinnen und Athleten aus 206 Nationen werden 16 Tage lang um 339 Medaillensätze kämpfen. Es werden Siege bejubelt und Niederlagen beweint. Es werden Spiele, die das Thema Geschlechtergerechtigkeit wie nie zuvor in den Fokus rücken. Es werden Spiele der extremen Hitze. Aber es werden andere Botschaften in Erinnerung bleiben: dass über jeder Medaille der Schatten der Pandemie liegt.

Es werden die ersten Spiele sein, bei denen alle Beteiligten isoliert in einer Art Parallelwelt sind. Nur diese mit Millionenaufwand errichtete Blase macht die Spiele möglich. Olympia 2021 – das wird kein Fest der Begegnung, selbst im Herzstück, dem olympischen Dorf, nicht. Ihres eigentlichen Sinns, dem lebensfrohen Fest der Jugend, beraubt, werden die Spiele als die beschädigten in die Geschichte eingehen. Das ei gent li che Ausmaß werden aber erst die Wochen danach zeigen.

Pandemie spielte Hauptrolle

Auch wenn das Motto „Licht der Athleten“ lautete, spielte das Thema Pandemie bei der Eröffnung die Hauptrolle. Sportler wurden im Home Office, auf dem Laufband oder dem Rudergerät gezeigt. In einer Schweigeminute wurde der Covid-Opfer gedacht, auch der des Attentats der Münchner Spiele von 1972. Die Pandemie war auch in dem zu sehen, was fehlte: spektakuläre Tanzeinlagen, opulente Requisiten, der Wirbel Tausender Trommeln wie 2008 in Peking etwa. Die große Party – reduziert und runtergefahren, der Situation angepasst.

Und die Pandemie war beim Einmarsch der Nationen präsent. Die Freude hinter der Maske verborgen (bis auf das Team Kirgisistan), in deutlich kleineren Abordnungen (Brasilien war nur mit den Fahnenträgern vertreten) und zum größten Teil Abstand haltend, sprang der Funke nicht über. Wohin auch, es war ein Winken ins Nichts. Dafür nutzte das Gros der Nationen den IOC-Aufruf, Frau und Mann die Fahne gemeinsam tragen zu lassen. Das deutsche Team (106 von 403 Athletinnen und Athleten) führten Beachvolleyballerin Laura Ludwig und Wasserspringer Patrick Hausding an.

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Corona konnte nicht verhindern, dass der Einmarsch von 6000 Athletinnen und Athleten zum Fest der Farben wurde. Barfuß, mit Röckchen, Hemd aus Palmenblättern und einem Kranz – so zeigte sich Tuvalu. Der Hingucker: Pita Taufatofua aus Tonga. Eingeölt und mit nacktem Oberkörper trug der Athlet barfuß mit Taekwondoka Malia Paseka die Fahne. Nach Taekwondo 2016 und Skilanglauf 2018 wollte sich der 37-Jäh ri ge diesmal als Kanute versuchen. Doch eine Verletzung bremste ihn, lässt aber erneut Taekwondo zu.

Auch eine Tradition: Panama mit Hut, Bermuda in Shorts. Mit der zusätzlichen Botschaft „together“, gemeinsam, statt nur „schneller, höher, weiter“ und dem Entzünden der Flamme auf dem symbolischen Fuji, Japans höchstem Gipfel, durch Tennisstar Naomi Osaka ging die Eröffnung nach vier Stunden zu Ende. Die Olympischen Spiele, die außergewöhnlichsten der Neuzeit, können beginnen.

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