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XE, XD und XFWie gefährlich sind die neuen Corona-Varianten?

Lesezeit 5 Minuten
Labor C Untersuchung Symbol

Eine Forscherin untersucht Proben des Coronavirus in einem Labor. (Symbolbild)

London/Berlin – Tauchte in Großbritannien eine neue, sich rasch ausbreitende Variante des Coronavirus auf, war es bislang immer nur eine Frage der Zeit, bis diese auch Deutschland erreichte. Das war bei Alpha so, und auch bei Delta und Omikron.

Die britische UK Health Security Agency (UKHSA) macht nun in ihrem jüngsten Bericht auf eine neue Virusvariante aufmerksam: XE. Es handelt sich dabei um eine Art Mischvariante – in Fachkreisen Rekombination genannt –, deren Erbgut Genabschnitte der beiden Omikron-Subtypen BA.1 und BA.2 enthält. Ist jetzt also schon bald die nächste Corona-Variante auf dem Vormarsch?

Anteil von XE noch sehr gering

Erstmals nachgewiesen wurde XE im Januar 2022. Seitdem haben die Behörden in Großbritannien insgesamt 763 Fälle mit dem rekombinanten Virus registriert (Stand: 22. März), vor allem in Ostengland, London und im Südosten des Landes. Das sind noch verhältnismäßig wenige Infektionen. Die UKHSA beziffert den Anteil der Variante an den gesamten sequenzierten Corona-Proben mit weniger als ein Prozent.

In den Laboruntersuchungen zeigte sich, dass ein Großteil des Erbguts – einschließlich des Spikeproteins, mit dem sich das Coronavirus Zutritt zu den menschlichen Zellen verschafft – vom Omikron-Subtyp BA.2 stammt. Es ist die Omikron-Variante, die gerade in Deutschland das Infektionsgeschehen dominiert.

Es seien aber auch drei Mutationen gefunden worden, die nicht in allen BA.1- oder BA.2-Sequenzen vorhanden seien, heißt es im Bericht der UKHSA. Gemeint sind die Mutationen NSP3 C3241T und V1069I sowie NSP12 C14599T. Welche Vorteile sie dem Coronavirus bieten, ist noch nicht ganz klar.

Wachstumsrate der Virusvariante variiert

Auch muss noch geklärt werden, ob XE leichter übertragbar ist als frühere Versionen des Coronavirus. Die anfängliche Wachstumsrate, die die UKHSA berechnet hatte, unterschied sich nicht wesentlich von BA.2. Als zuletzt jedoch die neuesten Daten vom 16. März verwendet wurden, sei die Rate sichtlich höher gewesen. Um 9,8 Prozent habe sie die des Omikron-Subtyps BA.2 übertroffen, schreibt die britische Gesundheitsbehörde.

„Diese spezielle Rekombination, XE, hat eine variable Wachstumsrate gezeigt, und wir können noch nicht bestätigen, ob sie tatsächlich einen Wachstumsvorteil hat“, sagte Susan Hopkins, leitende medizinische Beraterin der UKHSA. „Bislang gibt es nicht genügend Beweise, um Schlussfolgerungen über die Übertragbarkeit, den Schweregrad oder die Wirksamkeit des Impfstoffs zu ziehen.“

Rekombinante Viren XD und XF entdeckt

XE ist nicht die einzige rekombinante Virusvariante, auf die die Behörden in Großbritannien aufmerksam geworden sind. Im Bericht der UKHSA finden sich noch XD und XF. Erstere ist eine Kombination aus Delta und dem Omikron-Subtypen BA.1, die mit Frankreich in Verbindung gebracht wird, aber auch vereinzelt in Dänemark und Belgien entdeckt wurde. XF ist ebenfalls eine Variante, die genetisches Material von BA.1 und Delta besitzt. Insgesamt 39-mal konnte sie in Großbritannien nachgewiesen werden; seit Mitte Februar kamen keine neuen Fälle mehr hinzu.

Sogar im epidemiologischen Update der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tauchen die Rekombinationen XE und XD auf. Zu letzterer gebe es bislang „keine neuen Hinweise“, dass sie mit einer höheren Übertragbarkeit oder schwereren Krankheitsverläufen verbunden ist, schreibt die Organisation. Sie will beide Varianten weiter im Auge behalten: „Die WHO überwacht und bewertet weiterhin genau das Risiko für die öffentliche Gesundheit, das von rekombinanten Varianten ausgeht, ebenso wie von anderen Sars-CoV-2-Varianten, und wird über den aktuellen Stand informieren, sobald weitere Erkenntnisse vorliegen.“

Wieso entstehen so viele Rekombinationen?

Dass es zurzeit vermehrt zu Rekombinationen kommt, ist keineswegs überraschend. In den vergangenen Monaten hat eine Corona-Variante die andere abgelöst. Auf Delta folgte in vielen Ländern der Omikron-Subtyp BA.1, der dann schließlich von seiner Schwestervariante BA.2 verdrängt wurde. Bei dieser viralen Staffelstabübergabe war es oftmals so, dass mehrere Varianten zeitgleich in der Bevölkerung kursierten. Zum Beispiel gibt es in Deutschland, wo nun BA.2 übernimmt und sich weiter ausbreitet, nach wie vor Infektionen mit der vorherigen Virusvariante BA.1.

Diese Ausgangslage macht Rekombinationen wahrscheinlicher. Denn dann ist es möglich, dass sich Menschen gleichzeitig mit verschiedenen Virusvarianten infizieren und diese genetisches Material untereinander im menschlichen Körper austauschen können. Welche Eigenschaften sich schließlich beim rekombinanten Virus durchsetzen, lässt sich nicht vorhersagen.

Virologe: Rekombinante Viren genau beobachten

„Rekombinante Varianten sind nichts Ungewöhnliches, vor allem dann nicht, wenn mehrere Varianten im Umlauf sind, und im Verlauf der Pandemie wurden bisher mehrere identifiziert“, sagte UKHSA-Expertin Hopkins. Letztlich handelt es sich um einen normalen, evolutiven Prozess bei Coronaviren, der jedoch nicht immer erfolgreich ist. Teilweise entstehen auch rekombinante Viren, die sich nicht gegen vorherrschende Varianten durchsetzen können. „Wie bei anderen Varianten auch, sterben die meisten relativ schnell ab.“

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Dennoch sei es wichtig, die rekombinanten Virusvarianten, die derzeit im Umlauf sind, weiter genau zu beobachten, machte Thomas Peacock, Virologe am Imperial College London, auf Twitter deutlich. Er geht davon aus, dass sich XE, das Erbmaterial von einem einzelnen Virus – in diesem Fall Omikron – besitzt, ähnlich verhalten wird wie das entsprechende Elternvirus. Unberechenbarer sei hingegen XD, die Rekombination aus Delta und BA.1.

Peacock berichtete auf Twitter noch von weiteren entdeckten rekombinanten Viren wie XG aus Dänemark, XJ aus Finnland, XK aus Belgien oder XM, eine Virusvariante, die unter anderem in Deutschland nachgewiesen worden sei. Alle enthalten genetisches Material der beiden Omikron-Subtypen BA.1 und BA.2. Mit diesen Rekombinationen dürfte die Evolution des Coronavirus aber noch nicht am Ende sein.

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