Ronald Pofalla„Die Russen wissen, dass wir nicht müde werden“

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Ronald Pofalla, Ex-Minister und Bahnvorstand

Ronald Pofalla, Ex-Minister und Bahnvorstand

Berlin – Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Ronald Pofalla, 58, war Kanzleramtsminister und ist derzeit im Vorstand der Deutschen Bahn für Infrastruktur zuständig. Seit 2015 leitet Pofalla den Petersburger Dialog.

Herr Pofalla, in ein paar Tagen trifft sich das deutsch-russische Gesprächsforum „Petersburger Dialog“ in Berlin, und ausgerechnet jetzt warnt BND-Chef Bruno Kahl, vor Russland als „potenzieller Gefahr“. Moskau rüste auf und versuche, seinen Einfluss auf dem europäischen Kontinent zurückzugewinnen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Die Erkenntnisse, die Herr Kahl hat, liegen mir nicht vor. Ich will sie auch deshalb nicht bewerten. Aber der Chef des Bundesnachrichtendienstes ist eine beachtliche Stimme in Sicherheitsfragen und deswegen ernst zu nehmen.

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Es gibt immer wieder Debatten darüber, die EU- und US-Sanktionen gegen Moskau zu lockern. Wie sehen Sie das?

Es gibt das Minsk-II-Abkommen seit mehr als zweieinhalb Jahren, aber realistisch keine Verbesserung der Situation in der Ost-Ukraine. Daran tragen die Russen einen entscheidenden Teil bei, aber auch die Ukraine ist bei einer ehrlichen Betrachtung nicht unschuldig an dieser Situation. Der Vorschlag des russischen Präsidenten, Blauhelme in der Ost-Ukraine einzusetzen, ist möglicherweise ein Schritt in die richtige Richtung. Die Friedenssoldaten müssten jedoch in der gesamten Ost-Ukraine stationiert werden, damit endlich nicht mehr geschossen wird. Frieden kommt vor einer Lockerung von Sanktionen. Das ist die richtige Reihenfolge.

Der BND-Chef warnt vor Russland, Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat dagegen gerade gesagt: Verglichen mit Trump können wir froh sein, einen Putin zu haben. Wie finden Sie dieses Lob für den russischen Präsidenten?

Die Aussage steht für sich. Das kann jeder selber bewerten.

Was sind für Sie die derzeit größten Belastungen im deutsch-russischen Verhältnis?

Ich bin besorgt über den Umgang der Regierung in Moskau mit der russischen Zivilgesellschaft. Den geltenden Gesetzen nach können Russen in den Verdacht geraten, Agenten des Auslands zu sein, nur weil sie zum Beispiel mit deutschen politischen Stiftungen zusammen arbeiten. Auch wird die politische Opposition nicht fair behandelt. Ähnliches gilt für Medien, die gegängelt werden. Das muss sich ändern. Pressefreiheit ist ein Grundrecht in einer freiheitlichen Gesellschaft.

Und das wird Thema beim Petersburger Dialog in Berlin?

Ich werde das in meiner Rede ansprechen, insbesondere die Lage der Zivilgesellschaft in Russland, ganz klar. Zu einem zivilgesellschaftlichen Dialog gehört auch, über die Punkte zu reden, mit denen man nicht einverstanden ist.

Einer dieser Konflikte ist die Ukraine. Die letzte Dialogveranstaltung endete mit einem Eklat, weil die deutsche Seite Russlands Intervention in der Ukraine deutlich kritisierte. Wollen Sie jetzt dazu schweigen?

Das wäre falsch. Zu einem pluralen Dialog gehört das Ansprechen kritischer Punkte. Ich bin nicht der Ansicht, wie beispielsweise die Russen argumentieren, dass die Krim schon immer zu Russland gehört hat und deswegen die Annexion richtig war. Aber ich muss diese russische Position zur Krim ertragen. Also müssen auch die Russen unsere Ansichten erdulden. Wir müssen wechselseitiges Verständnis für gegenseitige Auffassungen erzeugen.

War das erfolgreich?

Ich glaube schon. In Russland war man anfangs der Meinung, dass unsere Kritik im Laufe der Zeit schon nachlassen werde. Mittlerweile wissen aber die Russen, dass wir nicht müde werden. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ost-Ukraine müssen enden. Auch die Annexion der Krim werden wir völkerrechtlich nicht akzeptieren.

Wie schwer ist es, Zivilgesellschaften zusammenbringen, die in zentralen Punkten unterschiedlicher Meinung sind? Laut einer aktuellen Umfrage ist nur die Hälfte der Befragten in Russland der Meinung, ihr Land gehöre zu Europa. Und auch in gesellschaftlichen Fragen wie der Ehe für alle gehen die Ansichten in Russland und Deutschland weit auseinander.

Ich glaube, dass Annäherung durch Dialog möglich ist. Wir dürfen nur nicht arrogant sein. Auch bei uns wurden Menschen noch bis Ende der 1960er wegen Homosexualität von Strafen bedroht. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich finde es falsch, was in Russland an offiziellen Meinungen zur Homosexualität vertreten wird. Aber auch die russische Gesellschaft kann und wird sich verändern. (red)

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