Abo

Rückzug von Walter-BorjansWer wird der neue SPD-Parteichef unter Scholz?

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Norbert Walter-Borjans tritt nicht mehr als SPD-Chef an.

Berlin/Köln – Gefühlt ist es noch gar nicht so lange her, dass Norbert Walter-Borjans mit einem kleinen Koffer an der Hand an der Station Sülzburgstraße in die KVB-Linie 18 einstieg. Damals begleitete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Kandidaten für das Amt des SPD-Parteivorsitzenden auf dem Weg zum Kölner Flughafen. Kurz danach gelang ihm im Team mit Saskia Esken der Sprung an die Parteispitze. Keine zwei Jahre liegt diese Straßenbahnfahrt zurück. Jetzt sind die bundespolitischen Ambitionen des Kölners schon wieder Geschichte.

Die Nachricht kam für viele Beobachter des politischen Berlin am Freitag überraschend. Während die Vertreter von SPD, Grünen und FDP über die Bildung einer Ampelkoalition verhandelten, verbreitete sich die Nachricht vom Rückzug des SPD-Chefs aus Köln. Er habe „nach reiflicher Überlegung“ die Entscheidung getroffen, nicht erneut für das Amt des Parteivorsitzenden zu kandidieren, schrieb Walter-Borjans in einem Brief an die Mitglieder, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Er habe seit 2019 dazu beigetragen, dass es für die SPD gut gelaufen sei. Nun sei seine Aufgabe erfüllt. „Neudeutsch ausgedrückt: Mission accomplished“, schreibt er.

Esken und Scholz bedanken sich für gemeinsame Zeit

Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister und die bis dahin außerhalb von Fachkreisen weitgehend unbekannte Bundestagsabgeordnete Saskia Esken hatten sich vor zwei Jahren in einer Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz gegen Vize-Kanzler Olaf Scholz durchgesetzt.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Mit riesiger Unterstützung der Jusos hatten die beiden eine Anti-Parteiestablishment-Kampagne gefahren, die sich auch direkt gegen Scholz richtete. Später gingen beide Seiten aufeinander zu. Walter-Borjans und Esken machten Scholz, auch aus Mangel an Alternativen, zum Kanzlerkandidaten. Eine ungewöhnlich geschlossene SPD gewann am Ende die Bundestagswahl.

Co-Parteichefin Esken schrieb auf Twitter: „Lieber Norbert, ich bin Dir unendlich dankbar für die gemeinsame Zeit! Danke für den Mut und die Kraft, dieses Abenteuer in Angriff genommen zu haben.“ Scholz nannte Walter-Borjans einen „guten Freund“. Die SPD werde gemeinsam entscheiden, wie es weitergehen solle.

Walter-Borjans hält sich bezüglich einer Wunschnachfolge bedeckt

Doch wer soll Walter-Borjans jetzt nachfolgen? Auf dem Parteitag vom 10. bis zum 12. Dezember wird die Parteiführung neu gewählt. Scholz selbst hat stets durchblicken lassen, dass er nicht noch einmal für den Parteivorsitz kandidieren will – und er hält offenbar daran fest. SPD-Chefin Esken hatte dagegen, anders als Walter-Borjans, bereits vor der Wahl Interesse signalisiert weiterzumachen – mit den Worten, sie habe noch eine Agenda. Zugleich wird Esken aber auch als mögliche Ministerin in der neuen Bundesregierung gehandelt, zum Beispiel für das Bildungsressort.

Walter-Borjans sagte nichts über eine mögliche Wunschnachfolgerin oder einen möglichen Wunschnachfolger. Viele in der SPD halten auch Generalsekretär Lars Klingbeil für die ideale Besetzung als männlichen Teil in einer Doppelspitze. Er gilt als anschlussfähig zu allen Seiten in der SPD. Klingbeil hat einen konservativen Wahlkreis mit einem sehr guten Ergebnis gewonnen, pflegt aber auch einen guten Kontakt zum linken Parteivize Kevin Kühnert.

Lauterbach: „Hätte es begrüßt, wenn er noch länger im Amt geblieben wäre“

Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD, zeigte sich enttäuscht über den anstehenden Umbau der Parteispitze: „Ich bedauere den Rückzug von Norbert Walter-Borjans. Ich hätte es begrüßt, wenn er noch länger im Amt geblieben wäre“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Obwohl wir Konkurrenten im Kampf um den Parteivorsitz waren, haben wir immer vertrauensvoll zusammengearbeitet“, fügte er hinzu. „Er hat eine ausgezeichnete Arbeit gemacht. Auf ihn konnte ich mich stets verlassen“, betonte Lauterbach.

Thomas Kutschaty, SPD-Chef in NRW, erklärte, man werde sich bei Walter-Borjans „gebührend bedanken“. Der Zusammenhalt in der SPD sei dem Kölner „eine Herzensangelegenheit“ gewesen. Über plötzliche politische Wendungen in einem Parteileben kann auch Kölns SPD-Chefin Christiane Jäger viel erzählen. „Natürlich haben wir ihn vor der Oberbürgermeister-Wahl 2020 angesprochen, ob er nicht Interesse an einer Kandidatur habe“. Er habe mit der Bemerkung abgelehnt, jetzt sei es an der Zeit, sich mehr ums Privatleben zu kümmern. „Ein paar Tage später war ich dann doch sehr erstaunt, dass er mit Saskia Esken als Doppelspitze für den Parteivorstand kandidieren will.“

Das könnte Sie auch interessieren:

2025, vor der nächsten OB-Wahl in der Domstadt, will sie Walter-Borjans nicht mehr fragen, ob er OB-Kandidat werden will. Erstens wäre er dann 73 Jahre alt – und Jäger ist nicht mehr Parteichefin in Köln. Sie stellt sich auf dem nächsten Parteitag ebenfalls nicht mehr zur Wahl.

KStA abonnieren