Schüler streiten mit Lindner„Meinen Sie ernsthaft, wir schlagen falschen Alarm?“

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Christian Lindner (r.) und Kerin Wirth (l.).

FDP-Chef Christian Lindner hat der Schülerbewegung Fridays for Future ausreichendes Wissen beim Klimaschutz abgesprochen. „Kölner Stadt-Anzeiger“ und die „Rheinische Post“ haben den Politiker und vier junge Klimaaktivisten aus dem Rheinland zusammengebracht. Das Streitgespräch wurde von den NRW-Korrespondent Gerhard Voogt und Politik-Redakteur Philipp Jacobs moderiert.

Herr Lindner, 2017 stand auf Ihrem Wahlplakat: „Schulranzen verändern die Welt – nicht Aktenkoffer“. Wie passt das zu Ihrer Kritik an den Schülerprotesten?

Christian Lindner: Damals ging es um Bildungspolitik, die bestmöglich auf die Zukunft vorbereitet. Investitionen in Bildung heute sichern Wettbewerbsfähigkeit und innovative Technologie morgen. Wir räumen Schule und Bildung daher höchste Priorität ein. Junge Menschen müssen eine exzellente Ausbildung bekommen, mit wenig Unterrichtsausfall und digitalen Lehrmethoden. In NRW sind wir mit der Koalition von CDU und FDP auf einem guten Weg.

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Christian Lindner (40) ist Bundesvorsitzender der FDP. Der Politiker aus Wermelskirchen hatte die Kritik der jungen Klimaaktivisten auf sich gezogen. „Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen: Das ist eine Sache für Profis“, sagte Lindner in einem Interview. Der Liberale fährt privat einen Porsche: „Ja, ich wage es noch, mich zum Auto und zu dieser Schlüsselindustrie zu bekennen.“ Den Sportwagen bewege er nur 500 Kilometer im Jahr.

Kerim Wirth: Na ja, das mag Ihnen jetzt nicht mehr passen, aber inhaltlich ist das Plakat gewiss hochaktuell. Der Schulranzen ist ein Symbol für die Auseinandersetzung der Jugend mit der Zukunft und den Problemen, die gelöst werden müssen. Und die Politiker, die beim Klimaschutz versagen, stehen für den „Aktenkoffer“. Wir gehen freitags auf die Straße, um Alarm zu schlagen, weil wir die Welt verändern wollen. Wir sehen uns in der Pflicht dies zu tun, weil alle Menschen von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.

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Kerim Wirth: „Deutschland sollte eine Vorbildfunktion haben“

Christian Lindner: Plakatbotschaften unterschiedlich auszulegen, bringt uns nicht weiter. In der Sache bin ich mit der Klimapolitik der Regierung wie Ihr unzufrieden. Die ist bürokratisch und teuer, obwohl die Klimaziele verfehlt werden. Aber wir haben eine Schulpflicht, an der es nichts zu rütteln gibt. Da ist ein gutes Anliegen keine Entschuldigung. Die Voraussetzung dafür, dass die Schulranzen die Welt verändern können, ist doch, dass sich Menschen das nötige Wissen angeeignet haben. Erwachsene dürfen ja auch nicht während der Arbeit für politische Ziele demonstrieren. Das muss außerhalb der Arbeitszeit stattfinden.

Kerim Wirth: Das mag sein – aber Sie wissen selbst, dass die Wirkung unserer Demonstrationen an Samstagen niemals so effektvoll wäre. Selbst den Wissenschaftlern hört ja keiner zu. Es ist schade, dass die Schulpflichtdebatte den eigentlichen Inhalt so stark überlagert. Die Politik sollte sich lieber mit unseren Forderungen befassen, anstatt sich Sorgen um unsere Fehlstunden zu machen.

Herr Lindner, Sie haben als Schüler aber auch mal den Unterricht ausfallen lassen, oder?

Christian Lindner: Nein, ich war kein großer Schulschwänzer. Ich bin mit 14 Jahren zu den Jungen Liberalen gegangen, um die Schulpolitik zu ändern. Übrigens, die Grünen, die Euch jetzt nach dem Mund reden, haben 2011 in NRW Schülerdemos gegen ihre Schulpolitik per Erlass untersagt. Ich bin sicher, dass ihr auch am Nachmittag gehört würdet. Mich stören außerdem das Spiel mit der Angst und die Panik, die jetzt erzeugt wird. Das gab es in meiner Jugend auch. Da hieß es, der Wald würde sterben oder das Ozonloch würde uns umbringen. Beides haben wir durch kluges Handeln in den Griff bekommen.

Jana Boltersdorf: Herr Lindner, meinen Sie ernsthaft, wir schlagen jetzt falschen Alarm? Fakt ist doch, dass es um Angst geht. Die wissenschaftlichen Studien machen mir und vielen Menschen tatsächlich große Angst. Wir haben vielleicht nur noch zehn Jahre Zeit, wenn wir wollen, dass uns der Klimawandel nicht außer Kontrolle gerät. Das ist verdammt knapp, und das muss den Menschen jetzt endlich jemand vor Augen halten. Das wäre eigentlich Ihr Job, nicht unserer.

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Jana Boltersdorf (17) besucht am Kopernikus-Gymnasium in Niederkassel die 11. Klasse. Sie lebt seit vier Jahren vegan und möchte gerne Lehrerin für Politik und Erdkunde werden, um jungen Menschen die Klimapolitik zu erklären. Sie sagt: „Die Einführung einer Kerosinsteuer käme dem Klima zugute, da Flüge teuer würden.“

Till Wirtz: Sie haben Recht, Angst ist eine starke Emotion, die zum Augenöffner werden kann. Klar ist auch, dass uns das bei der Mobilisierung hilft. Sie nutzen ja selbst häufig Emotionen, um maximale Aufmerksamkeit für Ihre Ziele zu erreichen.

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Till Wirtz (17) legt derzeit an der Bettine-von-Armin Gesamtschule in Langenfeld die Abiturprüfung ab. Till weiß noch nicht genau, in welche Richtung es später beruflich gehen soll. Journalismus und die Medizin faszinieren ihn. Er sagt: „Die Klimadebatte ist keine Kompromissdebatte. Wir müssen viel radikaler handeln.“

Vincent Labonté: Vielen Menschen fehlt jedes Bewusstsein für das, was passiert, auch in der Politik. Da muss man sich klar ausdrücken.

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Vinzent Lamborté unterhält sich mit FDP-Chef Christian Lindner.

Christian Lindner: Jeder hat seinen Stil. Ich ziehe es vor, Chancen zu betonen und Mut zu machen. Ich glaube, dass der bevorstehende Technologieschub und die Digitalisierung uns auch Wohlstand bringen kann. Wir sollten dafür ganz strategisch und mit Köpfchen vorgehen. Es gibt übrigens nicht nur Angst vor dem Klima, sondern auch darum, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren oder das Leben unfreier führen zu müssen. Wenn wir das nicht ernst nehmen und zum Beispiel das Fleischessen rigoros verbieten, wird es eine Rebellion geben.

Till Wirtz: Aber die Furcht vor den Folgen des Klimawandels soll ja in unserem Fall etwas Positives auslösen – nämlich einen Bewusstseinswandel, der hilft, den Planeten zu retten. Wir sind ja nicht die AfD, die Ressentiments gegen Flüchtlinge schürt.

Christian Lindner: Nein, natürlich seid ihr nicht die AfD. Es gibt eine andere Parallele, die ich ziehe. Im Sommer 2015 gab es die Kampagne „Refugees welcome“ und eine sehr emotional geführte Debatte über die richtige Flüchtlingspolitik. Das sollten wir in der Klimapolitik nicht wiederholen. Heute, weniger als vier Jahre später, sieht man in der Flüchtlingsdebatte alles viel nüchterner und differenzierter. Ich wage die Vorhersage, dass die Diskussion über den Klimaschutz in drei Jahren ganz anders geführt wird, falls 400.000 Leute aus der Automobilindustrie entlassen werden müssen.

Till Wirtz: Was meinen Sie damit?

Christian Lindner: Die Forderung von Fridays for Future, dass Deutschland bis 2035 keine Emissionen mehr auszustoßen soll, ist unrealistisch. Es sei denn, man nimmt zum Beispiel eine unsichere Stromversorgung in Kauf, bei der das Licht zu flackern beginnt. Um die erneuerbaren Energien effektiv nutzen zu können, brauchen wir in Deutschland 6000 Kilometer neue Stromnetze. Im vergangenen Jahr wurden aber lediglich 27 Kilometer fertiggestellt. Das ist so viel, wie eine Weinbergschnecke im Jahr zurücklegt. Überall vor Ort wird gegen die Leitungen protestiert, auch von Naturschützern. Es wird schon extrem schwer, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens für 2050 einzuhalten. 2035 ist physikalisch unmöglich. Stattdessen sollten wir umso engagierter die Pariser Ziele ansteuern.

Kerim Wirth: Aber die bestehenden Möglichkeiten werden nicht genutzt. Auf dem Land beispielsweise werden die Menschen zum Autofahren gezwungen, weil in den Randzeiten und an Wochenenden zu wenig Busse fahren.

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Christian Lindner im Gespräch mit den Jugendlichen

Christian Lindner: Und wenn jemand Auto fahren will, um flexibel zu sein? Da sollten wir das Autro klimafreundlich machen. Auf dem Land ist es auch nicht zwingend ökologisch sinnvoll, große Busse fahren zu lassen, in denen kaum jemand drin sitzt. Da brauchen wir intelligente und individuelle Lösungen, zum Beispiel durch autonome Fahrzeuge, die sich ein paar Leute teilen.

Kerim Wirth: Da sind wir jedoch erst ganz am Anfang der Entwicklung. Jetzt brauchen wir schnelle Lösungen.

Christian Lindner: So? Ich habe einen anderen Vorschlag. Wir bestimmen exakt die Menge CO2, die nach den Pariser Zielen bis 2050 noch ausgestoßen werden darf. Schritt für Schritt können wir uns heute mit neuen Technologien darauf einstellen. Damit werden wir später stark CO2 einsparen können, auch wenn wir im Moment noch einen recht hohen Anteil des Budgets brauchen. Einen schweren Tanker zu wenden, das braucht etwas Zeit.

Kerim Wirth: Wie die schrittweise Veränderung funktionieren soll, ist mir schleierhaft – zumal technologischer Fortschritt in der Zukunft liegt und somit nicht eindeutig berechenbar ist. Viel eher müssen wir kurzfristige mit längerfristigen Maßnahmen vereinen. Sie, Herr Lindner, fokussieren sich leider nur auf letztere.

Jana Boltersdorf: Die Einführung einer Kerosinsteuer käme dem Klima zugute, da Flüge dadurch teuer würden und weniger geflogen würde.

Christian Lindner: Eine Familie mit zwei Kindern und normalen Einkommen könnte dann aufgrund der Preise nicht mehr in den Urlaub fliegen. Da werden die Leute sauer. Ich setze auf das Wasserstoffflugzeug. Der neue Chef von Airbus sagt, schon die nächste Flugzeuggeneration könnte damit fliegen. Das wäre klimaneutral, aber nicht so viel teurer.

Till Wirtz: Wenn wir alle weniger Fleisch essen würden, wäre das auch gut für das Klima. Wenn wir gegen Massentierhaltung sind und die ganze Menschheit ernähren wollen, funktioniert es nicht, dass Leute jeden Tag Steaks essen wollen. Da muss man notfalls als Staat auch Zwang ausüben und Gesetze erlassen, um das vegetarische Essen zu fördern.

Christian Lindner: Vielleicht gibt es auch da eine Alternative, die nicht in die Freiheit eingreift? Jeder sollte seinen Speiseplan selbst machen. Und Fleisch sollte nicht zum Luxusprodukt für Reiche werden. Auch der Weltklimarat denkt an das so genannte Geoengineering als kreative Lösung. Wir solltenCO2 aus der Luft einfangen und speichern. Das geht technisch, aber auch biologisch. Etwa indem die Regenwälder mit deutschem Geld geschützt werden oder Seegras gezüchtet wird. Durch diese Kompensation müssen wir nicht alle Vegetarier werden.

Till Wirtz: Das ist aber alles Zukunftsmusik. Mit diesen Maßnahmen werden wir es nie im Leben hinbekommen, den Klimawandel noch rechtzeitig zu stoppen. Um das zu schaffen, müssen wir viel radikaler handeln, als sich die Politiker das bislang trauen. Die Klimadebatte ist keine Kompromissdebatte. Die muss man anders führen. Auch die Angst vor dem Unmut in der Bevölkerung oder vor eventuell steigender Arbeitslosigkeit sollte uns nicht aufhalten. Es geht hier nicht darum, Einzelinteressen umzusetzen, nein, hier ist die ganze Menschheit betroffen.

Christian Lindner: Das ist ein mutiger Text, weil der deutlich macht, dass es Euch auch um eine massive Veränderungen der Gesellschaft geht. Ich glaube, dass es anders geht. Mein Ansatz ist, dass wir die Menschen beim Klimaschutz mitnehmen müssen. Radikale Maßnahmen führen immer auch zu radikalen Ergebnissen. Ihr verlangt, dass eine Tonne CO2 180 Euro kosten soll. Dann würde eine vierköpfige Familie etwa 8000 Euro im Jahr zusätzlich bezahlen müssen. Das ist mehr, als viele in vier Monaten verdienen. Wir müssen durch Innovation ein weltweites Vorbild sein, das kriegen wir mit Massenarbeitslosigkeit und Rebellion auf der Straße nicht hin.

Kerim Wirth: In Schweden funktioniert das Modell der CO2-Steuer allerdings. Dort wurden andere Abgaben dafür abgeschafft.

Till Wirtz: Es kommt doch nur darauf an, dass das vorhandene Geld sinnvoll eingesetzt wird. Warum geben wir so viel Geld für die Bundeswehr aus, und warum haben wir keine Vermögensteuer?

Christian Lindner: Die Bundeswehr brauchen wir, weil wir uns selbst verteidigen müssen. Vermögensteuer würde vor allem von Familienbetrieben bezahlt. Wenn wir da noch weitere Belastungen schaffen, wird die Produktion ins Ausland verlagert. Die Betriebe gehen dann dorthin, wo es gar keine Klimastandards gibt.

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Man kann sich nicht darauf beschränken, die Emissionen in Deutschland abzuschaffen, das sind weltweit nämlich nur zwei Prozent. Wir müssen moderne Technologie anbieten, die wir exportieren können, um einen globalen Schadstoffanstieg zu verhindern. Was, wenn wir unsere modernen Kohlekraftwerke abschaffen, wenn weltweit Hunderte neu gebaut werden?

Kerim Wirth: Natürlich, Deutschland sollte eine Vorbildfunktion haben. Es ist unsinnig, wenn Russland oder China nicht mitziehen. Deswegen wollen wir ja international agieren. Wir wollen nur das eine Ziel durchsetzen. Dabei sind wir übrigens überparteilich und nicht eine Variante der Grünen-Jugend, obwohl oft dieser Eindruck entsteht. Bei Fridays for Future sollte Parteipolitik keine Rolle spielen.

Christian Lindner: Dennoch sehe ich viele Plakate, die gegen Kapitalismus geschwenkt werden. Das sieht schon nach Vereinnahmung aus. Warum auch nicht? Ich lade alle Aktivisten dazu ein, sich über den Freitag hinaus in Parteien zu engagieren. So ein Verjüngungsschub und Idealismus würde allen guttun.

Was tut ihr im Alltag, um das Klima zu schützen?

Till Wirtz: Ich fahre viel Fahrrad und versuche, wenig Fleisch zu essen.

Jana Boltersdorf: Ich lebe seit vier Jahren vegan. Ich wohne zwar auf dem Land, versuche aber so viel Fahrrad und ÖPNV zu fahren wie möglich. Früher habe ich viele dafür verurteilt, dass sie nicht so denken wie ich. Heute weiß ich: So funktioniert das nicht. Es kann nicht jeder klimaneutral leben. Deshalb sehe ich auch mehr die Politik in der Pflicht.

Kerim Wirth: ÖPNV und das Fahrrad sind auch für mich die Fortbewegungsmittel der Wahl.

Christian Lindner: Ich esse Fleisch bewusst und setze mich aktiv für Naturschutz ein.

Herr Lindner fährt ja noch einen alten Porsche. Als wir jung waren, wollten wir sowas auch immer haben. Interessiert euch sowas gar nicht?

Kerim Wirth: Also mich juckt das überhaupt nicht.

Jana Boltersdorf: Mich reizt das auch nicht. Für mich ist der ÖPNV die Zukunft, wenn er stetig ausgebaut wird. Ich sehe überhaupt nicht die Notwendigkeit, einen Führerschein zu machen.

Till Wirtz: Ich fahre hin und wieder mal Auto, aber auf einen alten Porsche lege ich keinen Wert.

Christian Lindner: Journalisten spielen gerne mit dem Klischee des Porsche-Fahrers. Ja, ich wage es noch, mich zum Auto und zu dieser Schlüsselindustrie zu bekennen. Anders als die Anspielung andeutet, fahre ich im Alltag aber mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Meinen alten Porsche bewege ich 500 Kilometer im Jahr.

Was wollt ihr später einmal werden?

Jana Boltersdorf: Ich möchte gerne Lehrerin werden, weil ich finde, dass dies eine sehr gute Möglichkeit ist, darauf Einfluss zu nehmen, wie man junge Menschen bildet – insbesondere in wichtigen Bereichen wie zum Beispiel der Klimapolitik. Ich strebe daher die Fächer Erdkunde und Politik an. Und zu Hause mache ich persönlich sehr viel für den Klimaschutz.

Kerim Wirth: Ich will Pianist werden. Mich interessieren auch interkulturelle Projekte – vielleicht lassen sich diese Felder zukünftig miteinander verbinden. Aber möchte ich meine Zukunft noch nicht in Stein meißeln.

Till Wirtz: Ich weiß noch nicht genau, in welche Richtung es später beruflich geht. Journalismus und die Medizin faszinieren mich.

Greta Thunberg hält Atomkraft in einem geringen Maße für eine Option. Was denkt ihr darüber?

Kerim Wirth: Damit bin ich nicht einverstanden. Ein Stichwort: Atommüll. Es gibt keine Lösung für die Lagerung – das ist fatal und muss der Ausscheidungsgrund für diese Option der Energieerzeugung sein.

Jana Boltersdorf: Ich sehe das genauso wie Kerim. Ich möchte Greta Thunberg dafür nicht pauschal verurteilen. Sie wird ihre Gründe gehabt haben, warum sie das so gesagt hat. Selbst aus klimatechnischen Gründen mag Atomkraft in einem geringen Maße sinnvoll sein, weil sie eben auch hoch effizient ist. Aber allein schon aufgrund der Sicherheitsrisiken ist Atomkraft nicht tragbar.

Fridays for Future – Klimastreik

Fridays for Future ist eine globale Schüler- und Studierendenbewegung, die sich für den Klimaschutz einsetzt. Nach dem Vorbild der Initiatorin Greta Thumberg gehen Schüler freitags während der Unterrichtszeit auf die Straßen und protestieren.

In Deutschland nehmen Zehntausende an den Protesten teil. In den einzelnen Städten gibt es Ortsgruppen, die sich über soziale Medien organisieren.

Die globale Erwärmung soll auf unter 1,5° Celsius begrenzt werden. Bis Ende 2019 sollen die Subventionen für fossile Energieträger beendet werden. Ein Viertel der Kohlekraftwerke sollen sofort abgeschaltet werden. Der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen soll 180 Euro pro Tonne CO2 betragen.

Greta Thumberg (16) hat die Schulstreiks während der Hitzewelle 2018 ins Leben gerufen. Um die CO2-Emissionen einer Flugreise zu vermeiden, reist die Schwedin auch zu weit entfernten Veranstaltungen mit dem Zug oder im Elektroauto.   

Till Wirtz: Ich verstehe Greta Thunberg in ihrer Denke, sie zitiert den Weltklimarat. Die Kernspaltung ist im Grunde eine sehr effiziente Energiegewinnung, die aber zum aktuellen Stand der Technik viel zu riskant ist und Müll verursacht. Und niemand will diesen Atommüll nehmen. Die Züge fahren ja quer durch Europa. Aber wenn es technisch gelingen würde, die Risiken zu beseitigen und den Müll umweltfreundlich endzulagern, wäre Atomkraft sicher eine Option. Regenerative Energien sind heute die Lösung.

Kerim Wirth: Es gibt auch die Möglichkeit der Kernfusion statt der Kernspaltung. Damit beschäftigt sich die Forschung schon länger. Eine hochmoderne Technik, die aber schwer umzusetzen ist.

Ist Greta Thunberg ein Vorbild für euch?

Vincent Labonté: Ein Vorbild schon, weil sie ja mit allem angefangen hat. Aber ich würde sie jetzt nicht als Vorbild vor die ganze Bewegung stellen.

Kerim Wirth: Ich habe andere Vorbilder, aber Gretas Einsatzstärke ist schon bemerkenswert.

Till Wirtz: Herr Lindner sprach ja eben auch von Mut. Wie mutig ist es bitte, als so junger Mensch sich vor eine so breite Öffentlichkeit zu stellen und seine Meinung zu sagen? Das ist schon extrem vorbildlich.

Jana Boltersdorf: Ich fand es so faszinierend, dass Greta das einfach gemacht hat. Das war inspirierend.

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