Sebastian Hartmann zur NRW-SPD„Niemand wählt Heulsusen und Miesepeter“

Lesezeit 4 Minuten
Sebastian Hartmann, 40, Abitur in Bonn, Jura-Studium in Köln, sitzt seit 2013 im Bundestag.

Sebastian Hartmann, 40, Abitur in Bonn, Jura-Studium in Köln, sitzt seit 2013 im Bundestag.

Köln – Herr Hartmann, wie fühlt es sich an, als künftiger Parteivorsitzender in die Fußstapfen von Johannes Rau und Hannelore Kraft zu treten?

Ich freue mich auf die spannende Herausforderung in einer harten Umbruchphase. Die Verantwortung für die NRW-SPD ist mir bewusst. Es geht mir aber nicht darum, jetzt einen Platz in der Ahnengalerie von Schartau, Dieckmann, Kraft, Groschek einzunehmen. Mit einem neuen Team im Vorstand möchte ich die NRW-SPD wieder zur schlagkräftigsten und spannendsten Partei in NRW machen. Für diesen Auftrag werbe ich beim SPD-Parteitag.

Kritiker halten Ihnen vor, Ihre Kandidatur sei von der „alten Riege“ im Hinterzimmer ausgekungelt worden. Was entgegnen Sie?

Alles zum Thema Armin Laschet

Die Kritik am Verfahren, vermischt mit Beißreflexen gegenüber einzelnen Personen, habe ich natürlich auch gelesen. Leider agiert der Stichwortgeber immer anonym, so dass er oder sie sich der Diskussion entzieht. Wir gehen damit selbstbewusst um. Der Landesvorstand hat sich einstimmig für Nadja Lüders und mich ausgesprochen. Das empfinde ich als Rückenwind. Ich habe ohne Rückfahrkarte deutlich gemacht: Für diese Aufgabe brenne ich. Die vorgeschlagene NRW-SPD-Spitze ist im Schnitt mit 41 Jahren so jung wie noch nie und repräsentiert alle Ebenen – von der Kommune bis zum Bund. Wir setzen nun auf ein Team mit Erfahrenen und Neuen und auf den Aufbruch.

Wäre es nicht sinnvoll gewesen, Landtags-Fraktionschef Thomas Kutschaty auch die Führung der Partei zu überlassen?

Auch Thomas Kutschaty hat deutlich gemacht, dass er meine Kandidatur unterstützt. Wir haben uns neulich am Rheinufer auf ein Getränk getroffen und sind uns einig: Gemeinsam wollen wir ein schlagkräftiges Team bilden. Es gibt genug zu tun. Die Fraktion schaltet im Landtag in der Opposition nun in den Angriffsmodus. Die Partei muss in den Kommunen, im Land, im Bund und Europa Ort der spannendsten Zukunftsideen werden: Was sind neue Vorschläge für den solidarischen, starken Sozialstaat, wie wollen wir die Zukunft der Arbeit im Sinne der Menschen gestalten? Wie können wir den digitalen Kapitalismus so zähmen, dass er nicht immer stärkere Ungleichheit produziert?

Das könnte Sie auch interessieren:

Das heißt, Sie können sich auch vorstellen, Armin Laschet herauszufordern?

Ein Parteivorsitzender ist immer ein Kandidat. Heute geht es aber nicht darum, welches Bild auf Plakate kommt. Erste Aufgabe des Parteivorsitzenden ist es, die SPD in die Lage zu versetzen, mit guten Ideen die Landtagswahl 2022 zu gewinnen.

Als Bundestagsabgeordneter liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit in Berlin. Wie können Sie den Landesverband aus der Ferne führen?

Die NRW-SPD hat eine doppelte Aufgabe: Motor und Taktgeber als Opposition im Land und als starke Stimme der Bundespartei. Den Bürgern ist es egal, ob gute Ideen aus Düsseldorf, Berlin, Brüssel oder Bornheim kommen. Die NRW-SPD wird vor allem Erfolg haben, wenn es der SPD insgesamt bessergeht.

Sie touren jetzt durch die Unterbezirke, um für ihre Wahl zu werben. Welche Stimmung begegnet Ihnen dort? Mit welchem Ergebnis wären Sie zufrieden?

Die Niederlagen und Enttäuschungen stecken in den Knochen. Die Lage im Bund ist trotz Regierungsbeteiligung deutlich ausbaufähig. Die NRW-SPD ist auf der Suche nach Orientierung. Nadja Lüders und ich arbeiten gerade daran und kommen mit konkreten Ideen zu den Veranstaltungen. In Mülheim haben wir vor einigen Tagen gemerkt, dass das gut ankommt. Niemand wählt eine Partei der Heulsusen und Miesepeter. Wir müssen uns wieder mehr zutrauen. Wenn diese Botschaft vom Parteitag ausgeht, bin ich zufrieden.

Derzeit dümpelt die SPD in den Umfragen bei 22 Prozent. Wie wollen Sie die Partei bis 2022 in Schlagdistanz zur Union bringen?

Die SPD hat eine gute Idee für die Zukunft. Wir machen aus technologischen Wandel sozialen Fortschritt. Doch wir müssen deutlich mutiger und spannender werden. Was bedeutet eigentlich der digitale Wandel für die Zukunft der Arbeit? Die SPD ist die Partei der Arbeit, hier müssen wir Impulse setzen. Die Arbeitnehmer merken, dass ihre Teilhabe und Freiheit durch Technik beeinflusst wird. Davon müssen sie profitieren, nicht darunter leiden. Die NRW-SPD kann ihre Idee eines starken, solidarischen Sozialstaats als Versicherung gegen Abstieg einbringen. Solidarität ist das Stichwort. Das hat die Union nicht zu bieten.

Das Ruhrgebiet galt als „Herzkammer“ der Sozialdemokratie. Jetzt wird die AfD in den einstigen SPD-Hochburgen stark. Was ist zu tun?

Durch Hetze und Hass ist kein einziger Arbeitsplatz sicher und keine einzige Wohnung wird neu gebaut. Es braucht einen positiven Gegenentwurf. Die NRW-SPD muss also ihren Gestaltungsanspruch zurückgewinnen. Die Kommunen müssen von ihren Altschulden befreit werden. So investieren sie wieder in bezahlbare Wohnungen für alle, bauen neue Bürgerhäuser und den Nahverkehr aus. Wenn wir uns nur als Mangelverwalter sehen, wird das nichts.

KStA abonnieren