Abo

Sechs Szenarien für NRW-CDU„Wenn Armin weg ist, werden Grabenkämpfe ausbrechen“

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet

  • Armin Laschet könnte Anfang Dezember der neue Bundesvorsitzende der CDU werden. Nur eine Woche später würde sein Nachfolger in NRW gewählt.
  • „Wenn Armin weg ist, werden Grabenkämpfe um seine Nachfolge ausbrechen“, befürchtet ein Mitglied des Landesvorstands.
  • Wer könnte also die Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2022 führen? Sechs mögliche Szenarien.

Düsseldorf – Zwölf Tage vor Weihnachten will die CDU die Weichen für ihre politische Zukunft in Nordrhein-Westfalen stellen. Zumindest nach bisheriger Planung sollen am 12. Dezember 600 Delegierte in der Dortmunder Westfalenhalle zusammenkommen, um den neuen Landeschef zu wählen. Eine Woche davor will hingegen die Bundespartei in Stuttgart eine neue Spitze finden. Sollte Armin Laschet dort zum neuen Bundesvorsitzenden gekürt werden, wird in der NRW-CDU ein Nachfolger benötigt. Ein Szenario, dass bei den Christdemokraten derzeit viel Stoff für Diskussionen liefert. Dabei geht es nicht nur um den Vorsitz in der NRW-CDU – sondern auch darum, wer die Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2022 führen soll.

Die meisten Akteure in der NRW-CDU gehen davon aus, dass Laschet derzeit beste Chancen hat, in Stuttgart seine Mitbewerber Norbert Röttgen und Friedrich Merz im Rennen um den Parteivorsitz hinter sich zu lassen. Das Schaulaufen bei der Jungen Union am vergangenen Wochenende habe er jedenfalls für sich entscheiden, heißt es in Düsseldorf. Sollte Laschet aber noch ins Stolpern kommen und sein Ziel verfehlen, bliebe er in NRW Parteivorsitzender und würde der Landespolitik wohl dauerhaft erhalten bleiben. Wie in Düsseldorf zu hören ist, gibt es Amtsträger, denen das nicht unlieb wäre. „Wenn Armin weg ist, werden Grabenkämpfe um seine Nachfolge ausbrechen“, befürchtet ein Mitglied des Landesvorstands.

Der Zeitplan

Als sicher gilt: Sollte Laschet Bundesvorsitzender werden, wird er danach die Kanzlerkandidatur anstreben. In dem Fall wird er dem Vernehmen nach bis zur Bundestagswahl im September 2021 Ministerpräsident von NRW bleiben, um im Fall einer Niederlage als Regierungschef nach Düsseldorf zurückkehren zu können. Sollte der Sprung in Kanzleramt gelingen, wird Laschet frühestens im Dezember oder Januar – nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen – als Kanzler vereidigt werden. Bis zur Landtagswahl in NRW im Mai 2022 sind es dann noch vier oder fünf Monate. Für diese Zeit wird ein Ersatzmann auf der Regierungsbank benötigt.

Alles zum Thema Armin Laschet

Laut NRW-Verfassung kann der Ministerpräsident nur aus der Mitte des Landtags nachbesetzt werden. Aus der Ministerriege verfügen lediglich Hendrik Wüst (Verkehr), Peter Biesenbach (Justiz) und Lutz Lienenkämper über ein Mandat. Aber auch CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen käme wohl als Kandidat in Frage.

Szenario eins: Wüst wird Parteichef und Spitzenkandidat 2022

Von den vier genannten Politikern ist Verkehrsminister Wüst der wahrscheinlichste Anwärter auf das Amt. Biesenbach ist mit 72 Jahren wohl schlicht zu alt, Lienenkämper werden keine Ambitionen nachgesagt, Löttgen fehlt die Regierungserfahrung. Würde Wüst die nötige Mehrheit erhalten, könnte er im Dezember zum Parteichef gewählt werden, dann das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen und 2022 als Spitzenkandidat antreten.

Der Münsterländer gilt als konservativ und ist als Chef der Mittelstandsvereinigung ein Mann der Wirtschaft. Als Verkehrsminister habe er einen guten Job gemacht, heißt es. Dass der 45-Jährige die fachliche Eignung hätte, das Amt des Ministerpräsidenten auszufüllen, gilt als unbestritten. In der CDU gibt es aber Kritik an einem solchen Durchmarsch. Viele haben nicht vergessen, dass Wüst einst als Generalsekretär wegen einer Sponsorenaffäre zurücktreten musste und machen ihn für die schmerzhafte Abwahl des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers mitverantwortlich.

Szenario zwei: Herbert Reul wird Parteivorsitzender

Für den Fall, dass Wüst nicht unmittelbar als Laschet-Nachfolger gekrönt werden soll, gibt es verschiedene Alternativen. Im Zentrum dieser Spekulationen steht NRW-Innenminister Herbert Reul. Der Leichlinger ist ein erfahrener Mann, der die Partei wie kaum ein anderer kennt und zu den beliebtesten Politikern der NRW-CDU zählt.

Wenn Reul Parteivorsitzender würde, wäre die Spitzenkandidatur 2022 weiter offen. Denn dass der 68-Jährige selbst Ambitionen hat, Ministerpräsident zu werden, gilt als unwahrscheinlich. „Das ist eigentlich schade“, sagt ein Bezirksvorsitzender hinter vorgehaltener Hand. „Mit Reul auf dem Fahrersitz müssten wir uns um die Landtagswahl 2022 keine Sorgen machen.“ Die Staffelübergabe an die nächste Generation würde dann allerdings um eine Wahlperiode verzögern.

Das könnte Sie auch interessieren:

Szenario drei: Karl-Josef Laumann wird Parteivorsitzender

Viel Vertrauen an der CDU-Basis genießt auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann. Als Chef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft wird der 63-Jährige oft als das „soziale Gewissen“ der CDU beschrieben. Laumann zählt zu den Urgesteinen der Landespolitik, er war schon unter Rüttgers Arbeitsminister und später Fraktionschef im Landtag.

Der Münsterländer hat als Manager der Coronakrise viel Zuspruch erfahren. Auch ihm aber werden keine Ambitionen nachgesagt, Ministerpräsident werden zu wollen. Wie Reul könnte daher auch Laumann als Platzhalter den Weg für eine dritte Machtoption ebnen.

Szenario vier: Jens Spahn wird Parteivorsitzender

Bundespolitiker, die einen starken Landesverband ihrer Partei im Rücken haben, bringen in Berlin ein höheres politisches Gewicht auf die Waage als die Konkurrenz. Deswegen hätte es auch für Gesundheitsminister Jens Spahn einen gewissen Charme, für den Landesvorsitz in NRW zu kandidieren. Spahn unterstützt die Kandidatur von Armin Laschet für den Bundesvorsitz, die Führung der NRW-Partei könnte ein Kompensationsgeschäft sein, heißt es.

In Düsseldorf gibt es aber viele Kritiker einer solchen Lösung. Es habe der Landespartei noch nie gut getan, wenn der Chef in Berlin sitze, vernimmt man. Das Spahn-Szenario wäre ebenfalls keine Vorentscheidung über eine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2022. Sollte Laschet Bundeskanzler werden, wird er seinen Helfer sicher mit einem Top-Job auf der Bundesbühne bedenken, der attraktiver ist als das Ministerpräsidentenamt in Düsseldorf. Spahn könnte zum Beispiel Fraktionsvorsitzender oder Finanzminister in Berlin werden.

Szenario fünf: Ina Scharrenbach wird Spitzenkandidatin 2022

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach macht keinen Hehl draus, dass sie vor höheren Ämtern keine Scheu hat. In der Staatskanzlei soll die Westfälin einflussreiche Unterstützer haben. Die Chefin der NRW-Frauenunion hat aber kein Landtagsmandat und wäre daher auf eine Hilfskonstruktion angewiesen. Sollte die 44-Jährige für das Amt der Ministerpräsidentin kandidieren, müsste nach dem Abtritt von Laschet für fünf Monate ein Interims-Ministerpräsident gefunden werden.

Diese Aufgabe könnte am ehesten Fraktionschef Löttgen erfüllen. „Bodo könnte mit diesem Höhepunkt seiner politischen Karriere unbeschadet abtreten“, sagt ein Strippenzieher. Lienenkämper wäre der Eintritt in ein Kabinett unter Führung von Scharrenbach verbaut, wenn er Ministerpräsident gewesen wäre. Scharrenbach müsste aber wohl noch an ihrem Image als „Landesmutter“ feilen: Sie gilt als fleißig und durchsetzungsstark, aber auch als distanziert und kühl.

Szenario sechs: Essens OB Thomas Kufen wird Spitzenkandidat 2022

Diese Variante wird in Düsseldorf als Geheimtipp gehandelt. Sollte die CDU zu der Erkenntnis gelangen, dass weder Wüst, Scharrenbach noch Reul geeignete Laschet-Nachfolger seien, könnte die Stunde des Essener Oberbürgermeisters Thomas Kufen schlagen. Dem Laschet-Vertrauten war es gelungen, die Ruhrmetropole bei der Kommunalwahl nach 2015 erneut zu gewinnen – und zwar ohne Stichwahl im ersten Anlauf.

Der 47-Jährige, der mit seinem langjährigen Partner in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebt, gilt als bürgernah und progressiv. In der Amtszeit von Jürgen Rüttgers war Kufen Integrationsbeauftragter der Landesregierung, sein Büro lag nur wenige Meter von dem des damaligen Familienministers Laschet entfernt. „Die Kufen-Lösung könnte der Durchbruch sein“, frohlockt ein Mitglied des Landesvorstands. Allerdings müsse auch für diese Variante ein Übergangs-Ministerpräsident gefunden werden. Oder nicht? Vielleicht sei es eine Option, den Posten des Ministerpräsidenten einfach für die kurze Zeit des Übergangs nicht nach zu besetzen – und die Führung der Amtsgeschäfte dem Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp von der FDP zu überlassen, überlegen schon Parteistrategen.

Noch ist unklar, in welche Richtung sich das Personalkarussell bei der Union in NRW dreht. Fest steht: Sollte Laschet Parteivorsitzender der CDU Deutschlands und danach Kanzlerkandidat der Union werden, ist er so mächtig, dass keine Entscheidung gegen ihn getroffen werden kann. Auch seine Nachfolge wird er dann in seinem Sinne regeln. Vorerst lässt er sich aber nicht in die Karten gucken. Der NRW-CDU stehen spannende Wochen bevor.

KStA abonnieren