Skandale und Corona-EinsamkeitSchwierige Tage für Papst Franziskus

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Papst Franziskus in Corona-Zeiten mit Maske.

Rom – Die Falten schneiden tief ins Gesicht von Papst Franziskus. Kamerabilder sind da unerbittlich. Für Gläubige ist ein solcher Blick aus der Nähe wegen der Corona-Risiken nur noch selten möglich. Bäder in Pilgermengen, die der Papst genießt, sind tabu. Seit November spricht er bei der Generalaudienz mittwochs wie im Frühjahr nur noch per Video. Franziskus klagte mehrfach über die Corona-Distanz. Doch das ist längst nicht das einzige Krisenthema im Vatikan: Dubiose Finanzströme, wiederkehrende Missbrauchsskandale und ein geschasster Kardinal zeugen von Turbulenzen.

In der vergangenen Woche musste das Kirchenoberhaupt wieder durch einen Sturm steuern: Es ist der Tag nach der Veröffentlichung des sogenannten McCarrick-Reports über spektakuläre Missbrauchsvorwürfe in den USA. Gegen Ende der Generalaudienz hält der 83-Jährige inne, er atmet bedrückt. Franziskus richtet überraschend einige Worte der Entschuldigung an alle Opfer solcher Taten. Es ist eine typische Szene. Der Papst nimmt Stellung - doch nur kurz, leise und einen Tag später.

Viele Baustellen für Franziskus

Im März 2013 zum obersten Katholiken erhoben, sonnte sich der kommunikativ gewandte Argentinier in guten Sympathiewerten - auch in Deutschland. Nach fünf Jahren, 2018, signalisierte eine YouGov-Umfrage hierzulande schon steigende Skepsis, ob Franziskus die Strukturen wirklich so kraftvoll umkrempeln kann, wie manche hofften: ob im Kampf gegen Kindesmissbrauch oder bei der Rolle der Frauen.

2020 dann zeigten sich selbst deutsche Bischöfe enttäuscht, als der Vatikan ihnen beim Thema Abendmahl mit evangelischen Christen Steine in den Weg legte. Empört reagierten Katholiken im Juli, als Rom gegen das praktizierte Leiten von Gemeinden durch Teams aus Priestern und Nicht-Klerikern anging. Aus deutscher Sicht kommen aus dem Kirchenstaat derzeit alles andere als Reformsignale.

Skeptik gegenüber der Aufklärungsbereitschaft

Ähnlich skeptisch sieht Matthias Katsch vom Opferverband Eckiger Tisch die Resultate des McCarrick-Berichts. In der Studie geht es um alte Missbrauchsvorwürfe gegen den heute 90-jährigen Ex-Kardinal Theodore McCarrick und den Umgang der Kurie damit. „Es hat viel zu lange gedauert, bis dieses System aufgedeckt wurde“, sagt Katsch. „Ohne den Einsatz von Betroffenengruppen in den USA und darüber hinaus die weltweite Bewegung von Opfern sexueller Gewalt in der Kirche läge der Report nicht vor.“

Rund zwei Jahre hatte der Vatikan Akten gesichtet und Zeugen befragt. Im Resultat spricht das rund 450-seitige Papier den aktuellen Papst von Fehlern frei. Am ehesten falsch geurteilt habe der frühere Pontifex aus Polen, Johannes Paul II., fassten Medien den Tenor zusammen. Johannes Paul war 2005 gestorben.

Problematische Aufstiegsstrukturen

Für den Vatikankenner Bernd Hagenkord geht es auch um problematische Aufstiegsstrukturen: „Der Bericht zeigt, dass das System der Ernennung von Bischöfen einer Änderung bedarf. Dabei ist dringend mehr Transparenz nötig“, sagt der deutsche Jesuit. „Wenn es da Stillstand gibt, dann ist es die Verantwortung des Papstes, das zu ändern.“

Franziskus selbst beschrieb sein Vorgehen gegen gewachsene Probleme in der Kurie Ende Oktober in einem Interview. Dabei sprach er über eine andere Baustelle, die ihn umtreibt: Korruption und Vetternwirtschaft: „Man muss weitermachen und nicht aufhören, man muss kleine, aber konkrete Schritte machen“, sagte der Bischof von Rom der Nachrichtenagentur Adnkronos.

Vatikan-Justiz ermittelt

Mehrfach schon hat ein Skandal um verlustreiche Geldanlagen in Luxusimmobilien in London für Schlagzeilen gesorgt. Dazu ermittelt die Vatikan-Justiz. Dann kippte Franziskus im September überraschend den italienischen Kardinal Angelo Becciu aus den Ämtern. Er galt zuvor als sein Vertrauter und hatte zeitweise Verantwortung für die Finanzen getragen. Einen Grund für den Paukenschlag nannte der Papst offiziell nicht. Die Mitteilung hat nur zwei Zeilen. Becciu sprach über verschiedene Vorwürfe von Begünstigung, die aber falsch seien.

Anfang November entzog Franziskus dann seinem Staatssekretariat die Finanzhoheit. Die Kapital- und Immobilienwerte der Regierungszentrale wandern zur Güterverwaltung Apsa. Manche Beobachter sehen darin einen zentralen Schritt seiner Amtszeit. Bernd Hagenkord bleibt insgesamt vorsichtig: „Franziskus ist seit sieben Jahren im Amt. Wenn jetzt zu Reformen angesetzt wird, ist das ein bisschen spät.“

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Ein anders großangelegtes Papst-Projekt dieses Herbstes war die neue Enzyklika. Die Lehrschrift „Fratelli tutti - Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“ kam Anfang Oktober heraus. Der Pontifex fasst dort seine Gedanken zu Gerechtigkeit, Politik und einer besseren Welt zusammen. Die Reaktion blieb verhalten. Nach einer Woche war von einer öffentlichen Debatte kaum mehr etwas zu spüren, wie auch Hagenkord resümiert.

Bis Ende des Jahres stehen nun weitere größere Termine an. Anfang Dezember soll Franziskus' neues Buch erscheinen. In „Wage zu träumen!“ werde der Heilige Vater auch seine Sicht auf die Corona-Pandemie darlegen, kündigt der Kösel-Verlag in München an. Das Buch sei eine „Regierungserklärung“ des Papstes. Danach kommt Weihnachten, eigentlich ein kirchliches Großereignis. Doch 2020 soll die Christmesse wegen Corona nur in kleinem Rahmen stattfinden - und online zu sehen sein. (dpa)

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