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Sorge vor dem BlackoutWie sich Köln und das Land auf einen Stromausfall vorbereiten

Lesezeit 5 Minuten
Der Kölner Dom wird bereits seit Wochen nachts nicht mehr angestrahlt.

Der Kölner Dom wird bereits seit Wochen nachts nicht mehr angestrahlt.

Köln/Düsseldorf – Dreieinhalb Monate vor dem geplanten Ausstieg aus der Atomkraft ist in Deutschland erneut eine Debatte über Kernenergie entbrannt: Bundeswirtschaftsminister Habeck öffnete die Tür für einen zeitweisen Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken – im Notfall. Kritik kommt von allen Seiten: Vom Koalitionspartner FDP, der wie die CDU einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke fordert. Und von Atomkraftgegnern, die nie wieder Atomenergie im Strommix haben wollen. Hintergrund ist die von Russland ausgelöste Energiekrise: Neben Gas wird im kommenden Winter auch der Strom knapp. Die Angst vor einem Energiemangel, die Sorge vor einem Blackout ist gerade unter Unternehmern hoch.

Was ist eigentlich ein Blackout?

Ein Blackout beschreibt einen großflächigen, langanhaltenden Stromausfall, der relativ plötzlich auftritt. Betroffen sind nicht einzelne Stadtteile, sondern ganze Regionen, Bundesländer oder Staaten.

Ist die Angst vor einem Blackout berechtigt?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält einen Ausfall der Stromversorgung im Winter für unwahrscheinlich. Man habe alles dafür getan, dass es nicht dazu kommt, sagte Scholz im ZDF-Sommerinterview. Er sei sich „sehr sicher, dass uns das erspart bleibt.“ Zuvor hatte CDU-Chef Merz vor einem Blackout gewarnt, sollte die Regierung an dem Atomausstieg Ende des Jahres festhalten.

Hans-Walter Borries, Leiter des Instituts für Sicherheitsstudien in Witten ist nicht so optimistisch wie der Kanzler: Vor dem Überfall auf die Ukraine sei der Blackout eher eine theoretische Möglichkeit als eine tatsächliche Gefahr gewesen, sagt Borries, der auch stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastrukturen ist. Das habe sich durch den Angriffskrieg und die Energiekrise geändert: Über 50 Prozent des Gases bezog Deutschland vorher aus Russland. Dieser Anteil droht komplett wegzufallen. „Der Zustand ist gefährlich geworden“, sagt Borries.

Wieso könnte nach dem Gas nun auch der Strom knapp werden?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen macht Gasstrom noch 12 Prozent unseres Strommixes aus. Gaskraftwerke können tagesaktuelle Schwankungen in der Stromversorgung gut ausgleichen: Beispielsweise, wenn die Sonne hinter den Wolken verschwindet und der Strom aus Solarenergie wegfällt. Ein wichtiger Faktor für die Stromversorgung ist also von dem Gasmangel direkt betroffen.

Dazu kommt: Wegen der Energiekrise haben sich hunderttausende Bürger mobile Heizgeräte gekauft, um ihre Wohnungen im Winter warm zu halten. „Die benötigen aber zwischen 2000 und 3000 Watt“, sagt Borries. „Wenn der kommende Winter ein kalter wird, dann werden wir vermehrt heizen müssen. Die Gasmassen reichen dafür nicht aus, weshalb Bürger die Heizgeräte nutzen würden.“ Durch diese Zusatzbelastung der Stromversorgung steigt die Gefahr eines Blackouts.

Wie gut ist Nordrhein-Westfalen auf das Szenario eines Blackouts vorbereitet?

Bei einem solchen Szenario liegt die Zuständigkeit nur zum Teil bei der Landesregierung: Für den Zivilschutz ist der Bund zuständig, für den allgemeinen Katastrophenschutz die Kreise und kreisfreien Städte. Trotzdem übernimmt auch das Innenministerium zentrale Aufgaben im Katastrophenschutz – worunter auch ein Blackout fällt. Im Juni 2022 hat das Ministerium weitere Maßnahmen angeordnet, um die Einsatzfähigkeit von beispielsweise der Feuerwehr im Katstrophenfall aufrecht zu halten. Dazu gehört die Beschaffung von 75 zusätzlichen Notstromaggregatoren.

Auch die Polizei-Abteilung im Innenministerium beschäftigt sich mit Blackout-Szenarien: Eine Koordinierungsgruppe Ukraine/Gas/Energielage unter Leitung der Staatssekretärin erarbeitet Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Polizei möglichst unbeeinflusst weiterarbeiten kann. Beispielsweise wird der Ausbau der Notstromversorgungen polizeilicher Einrichtungen vorangetrieben und Satellitentelefone beschafft, zudem soll der Treibstoffvorrat aufgestockt werden. Die Kommunikation mit der Bevölkerung soll unter anderem durch Warnapps, batteriebetriebene Radios und Lautsprecherdurchsagen auferhalten werden.

Wie gut ist Köln auf das Szenario eines Blackouts vorbereitet?

Die Stadt Köln hat den eigenen Notfallplan für einen großflächigen Stromausfall im laufenden Jahr aktualisiert. Da das Dokument als vertraulich eingestuft wird, um die kritische Infrastruktur zu schützen, nennt die Verwaltung offiziell nur einige Eckpunkte. Das Papier enthält demnach eine Analyse, welche Bereiche in Köln Teil der kritischen Infrastruktur sind und wie sie sich im Fall eines Strom-Blackouts schützen lassen. Der Notfallplan beinhaltet auch Überlegungen, wie sich seitens der Stadt sicherstellen lässt, dass die Krankenhäuser, der Ordnungsdienst und andere Sicherheitsbehörden sowie die Bürgerdienste trotz der allgemeinen Einschränkungen ihre Aufgaben erfüllen können. Wie zu erfahren war, spielt dabei unter anderem das Kraftstoffmanagement eine zentrale Rolle, da der öffentliche Nahverkehr erheblich eingeschränkt wäre.

In der Planung ist daher unter anderem eine Schätzung des täglichen Kraftstoffbedarfs enthalten, damit ein bestimmter Bedarf auf Vorrat zur Verfügung stehen kann. Gleiches gilt für Notstromaggregate, die einen 24-Stunden-Betrieb unter Volllast absichern sollen. Relevante öffentliche Gebäude, wie Krankenhäuser, Feuerwachen und das Rathaus verfügen über eine ausreichende Notstromversorgung. Auch eine Kommunikationsstrategie ist ein wesentlicher Bestandteil, um die Bevölkerung auch in der Notsituation erreichen zu können, etwa über die örtlichen Medien. In dem Dokument sind außerdem Anlaufpunkte für die Bürgerinnen und Bürger festgehalten, an die sie sich im Notfall wenden können. Dazu gehören Feuerwachen, Gerätehäuser, öffentliche Gebäude und Kirchen.

Hat sich die Bundesnetzagentur zu der Bedrohung geäußert?

Stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem sind laut der Bundesnetzagentur im kommenden Winter sehr unwahrscheinlich. Gleichzeitig könne man sie nicht ausschließen. Damit es nicht zu Stromausfällen kommt, sei die Nutzung von Kraftwerkreserven und die Marktrückkehr von Kohlekraftwerken schon beschlossen. Zudem bereitet das Wirtschaftsministerium weitere Maßnahmen vor, beispielsweise zusätzliche Stromproduktion in Biogasanlagen und Verbesserung der Auslastung der Stromnetze. Zudem stehen zwei Atomkraftwerke, die Ende des Jahres stillgelegt werden, noch bis April 2023 zur Verfügung, um im Notfall zusätzlichen Strom bereitzustellen.

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Gibt es eine Abstufungen, ähnlich wie beim Gas, bei wem zuerst der Strom im Ernstfall abgestellt wird?

Einen Notfall-Abschaltplan wie beim Gas gibt es bei der Stromversorgung nicht, so Borries. Sollte es tatsächlich zu einem kurzfristigen Strommangel kommen, werden stromintensive Industrien – beispielsweise Aluminiumwerke – für ein paar Stunden vom Stromnetz abgeworfen, um die restliche Versorgung sicherzustellen. Ganze Regionen lassen sich jedoch nicht vom Netz nehmen. Sollte die Reduktion der Stromversorgung der Industrien nicht ausreichend, würde es zu einem großflächigen Stromausfall, zum Blackout kommen.

Wie weit kommen wir mit den gefüllten Gasspeichern?

Laut Verordnung müssen die Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu mindestens 85 Prozent gefüllt sein. Diese Marke ist bereits erreicht. Bis zum 1. November sollen die Speicher zu 95 Prozent gefüllt sein – eine Marke, die deutlich schwieriger zu erreichen sein wird angesichts des Stopps russischer Gasimporte. Auch der Füllstand von 95 Prozent entspricht jedoch nur dem bundesweiten Verbrauch von zwei Wintermonaten – die Gasspeicher allein reichen also nicht für eine komplette Heizperiode. 

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