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SPD erhebt schweren VerdachtHat die Landesregierung Flut-Opfer auf dem Gewissen?

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Sven Wolf, SPD-Innenexperte in NRW

Sven Wolf, SPD-Innenexperte in NRW

Düsseldorf – Die SPD im Düsseldorfer Landtag will die Frage klären, ob die schwarz-gelbe Landesregierung für den Tod von Menschen bei der Flutkatastrophe im Juli mitverantwortlich ist. SPD-Innenexperte Sven Wolf will Hinweise prüfen, ob weniger Opfer zu beklagen gewesen wären, wenn die Landesregierung die Bevölkerung rechtzeitig gewarnt hätte. „Das ist die zentrale Frage, die jetzt beantwortet werden muss", sagte Wolf am Mittwoch vor Journalisten in Düsseldorf.

Eine gezieltere Warnung der Bevölkerung wäre aus Sicht der SPD besser möglich gewesen, wenn die Koordinierungsgruppe, die die Aufgaben eines Krisenstabs übernehmen sollte, des Landes nicht erst am 14. Juli, sondern früher aktiviert worden wäre, vermutet Wolf. Schon ab dem 11. Juli sei vorhersehbar gewesen, dass enorme Regenmengen fallen würden, von denen eine erhebliche Gefahr für Menschenleben zu erwarten gewesen seien, sagte der SPD-Politiker. Als klar gewesen sei, welche Gebiete von den Niederschlägen besonders betroffen sein würden, hätte ein Krisenstab die  Flußanlieger gezielt warnen müssen: „Lauft um Euer Leben."

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Die SPD hat der Landesregierung jetzt 45 Fragen zum Krisenmanagement der Katastrophe übermittelt. Diese sollen innerhalb von 14 Tagen beantwortet werden. Geschieht dies nicht, will die SPD einen Untersuchungsausschuss beantragen. Die Grünen hatten am Dienstag bereits eine parlamentarische Aufklärung gefordert. Wolf sprach von einer „Katastrophe mit Ansage“. Bei Wissenschaftlern ist es allerdings umstritten, ob die Vorhersagen ausgereicht hätten, um Schutzmaßnahmen anzuordnen.  

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Warnungen gab es schon am 9. Juli

Die SPD geht nach einer Sichtung der Wetterprognosen im Vorfeld der Katastrophe davon aus, dass die Vorhersagen bedrohlich genug waren, um deutliche Warnungen auszusprechen. „Warum hat die Landesregierung bzw. die ihr unterstehenden Behörden nicht selbst die Öffentlichkeit informiert oder gewarnt?“, lautet eine der Fragen aus dem Katalog der SPD. Bereits am 9. Juli 2021 habe das European Flood Awareness Systems (EFAS) konkret gewarnt, dass es am 14./15. Juli zu extremen Niederschlägen mit großen Flutgefahren für weite Teile von NRW kommen würde und dass es selbst an kleinen Bächen zu gefährlichen Überschwemmungen kommen könne.  

49 Menschen starben

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli starben in Nordrhein-Westfalen nach dem bisherigem Stand 49 Menschen. Experten gehen davon aus, dass Schäden in einer Höhe von etwa 13 Milliarden Euro entstanden. Die Versicherungswirtschaft geht derzeit von etwa 250.000 Schadensfällen aus. Annegret Thieken, Professorin an der Uni Potsdam, hat eine Online-Befragung bei den Betroffenen gestartet. Sie will wissen, wann und auf welchen Wegen die Opfer gewarnt worden sind. 

Merkel kommt zur Gedenkfeier

Am Samstag soll ein ökumenischer Gottesdienst mit anschließender Rede des Bundespräsidenten für die Opfer der Flutkatastrophe im Aachener Dom stattfinden. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Teilnahme an der Zeremonie zugesagt.

Die SPD könnte den Untersuchungsausschuss auch alleine durchsetzen. Ein solcher muss von mindestens einem Fünftel der Abgeordneten beantragt werden, das sind mindestens 40 der 199 Parlamentarier. Die SPD hat 69 Abgeordnete.

Auch die AfD-Fraktion im Landtag hatte bereits angekündigt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beantragen zu wollen. NRW-Innenminister Reul hatte erklärt, es wäre kein Mensch weniger gestorben, wenn das Land den großen Krisenstab aktiviert hätte.

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