SteuergeldWie viel die NRW-Landesregierung für externe Beratung ausgibt

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Was die NRW-Ministerien für externe Berater zahlen

Düsseldorf – Etwa 6000 Personen arbeiten in den zwölf nordrhein-westfälischen Landesministerien sowie der Staatskanzlei. Das Personal wurde zu Beginn der Legislaturperiode um 532 Stellen aufgestockt. Trotzdem bleibt noch eine Menge Arbeit übrig, die die Landesregierung mit dem eigenen Personal in den vergangenen Jahren alleine nicht beurteilen und stemmen konnte.

Gutachten und externe Expertisen wurden deshalb in Auftrag gegeben: Zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie natürlich, aber beispielsweise auch zur hiesigen Computerspiel-Branche, zur Einwanderung, zu Dieselfahrverboten, zum Brexit, zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes, zu Wasserstoff und Kohleverstromung, zum Insektenrückgang, zur „leistungsmäßigen Überforderung“ von Milchkühen sowie zur „Beurteilung von Gesamtlärm“ und zum „Kopftuchtragen von Mädchen unter 14 Jahren aus entwicklungspsychologischer und theologischer Sicht“ .

Vom Kopftuchtragen bis zum Dieselverbot: Expertisen zu zahlreichen Themen

Alles Fragen, die Schwarz-Gelb nur mit Unterstützung von außen angehen wollte: Von Juli 2017 bis zum März 2021 hat die Landesregierung dafür etwa 55,5 Millionen Euro für externe Beratungen und Gutachten ausgegeben. Dies ergibt eine Auswertung der SPD-Fraktion im Landtag, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

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Mit 10,8 Millionen Euro belegt das Schulministerium demnach den ersten Platz. Darauf folgen das Finanzministerium (8,2 Millionen) und das Wirtschaftsministerium (7,5 Millionen). Am Ende der Skala liegen das Innenministerium mit einer Million Euro sowie die Staatkanzlei (1,4 Millionen) und das Kultur- sowie das Bauministerium mit jeweils 2,4 Millionen Euro.

Schulministerium mit 10,8 Millionen Euro auf Platz 1

Nicht alle Ministerien haben exakte Angaben zu ihren Ausgaben gemacht. Das Umweltministerium beispielsweise bezifferte die Rechtsberatung zu einem Vergabeverfahren mit einer Spanne von „50.000 bis 221.000 Euro netto“. Bei der Berechnung der Gesamtausgaben sei deshalb stets der „günstigste“ Ansatz gewählt worden, erläutert die SPD-Landtagsabgeordnete Christina Kampmann. Bei Projekten, die über 2021 hinaus laufen, sei zudem „sehr zurückhaltend geschätzt“ worden

Die Rangliste der Ministerien gerät jedoch ins Wanken, wenn man sich die Bilanzen genauer anschaut. Das Schul- und Finanzressort belegen nur deshalb die ersten beiden Plätze, weil dort ein einzelner sehr teurer Auftrag vergeben wurde, der vermutlich auch alternativlos war. Das Schulministerium investierte den Großteil seines Budgets in die während der Pandemie dringend benötigte Internetplattform „Logineo“, auf der Lehrer mit Schüler kommunizieren und Daten hinterlegen können. Und das Finanzministerium hat fünf Millionen Euro für einen Dienstleister veranschlagt, der alle Liegenschaften des Landes beispielsweise auf ihren Sanierungsbedarf hin beurteilt.

SPD kritisiert das Wirtschaftsministerium

„Diese Zahlen rausgerechnet, liegt das Wirtschaftsministerium unangefochten an der Spitze“, sagt die SPD-Politikerin Kampmann. Zumal im Ressort von Andreas Pinkwart (FDP) geplant sei, im laufenden Jahr noch weitere 2,8 Millionen Euro für derartige Dienstleistungen auszugeben.

Die Inanspruchnahme externer Beratungen sei zwar „nicht per se negativ zu bewerten“. Diese aber würde „immer auch die Unabhängigkeit des Staates tangieren, weil sie zumindest temporär ein Abhängigkeitsverhältnis begründen“, so Kampmann. Ob ein Gutachten über Umstrukturierungsmaßnahmen des landeseigenen Wagniskapital für 92.800 Euro, die „Überarbeitung der regionalen Investitionsstrategie“ für 23.700 Euro, ein „Erfahrungsbericht zum E-Government-Gesetz NRW“ für 185.300 Euro oder eine „Beschreibung und Analyse des Innovationssystem“ im Land für 315.400 Euro: Auffällig sei zudem, dass „gerade im Wirtschaftsministerium Sachverstand von außen offensichtlich zu alles und jedem ins Haus geholt“ werde. „Das lässt einen bewussteren Umgang mit Steuergeldern zumindest anmahnen“, so Kampmann: „Herr Pinkwart traut dem Personal seines Ministeriums offensichtlich nicht viel zu, wenn es darum geht, die eigenen Hausaufgaben zu machen.“

Minister Pinkwart hält Vorwürde für „abwegig“

Man bediene sich externer Berater nur dann, „wenn temporäre Aufgaben anfallen oder Problemlösungen erarbeitet werden müssen, die sonst nicht oder nur mit höherem Kostenaufwand erledigt werden können“, entgegnet die Landesregierung. Externen Sachverstand einzukaufen, sei daher „oft kostengünstiger als selbst Fachpersonal vorzuhalten oder einzustellen, was bei kurzfristig auftretenden neuen Problemlagen und der Notwendigkeit spezifischen Know-hows auch gar nicht möglich wäre“.

Auch der von der Opposition gescholtene Minister Pinkwart, zuständig für „Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie“, findet die Kritik an seinen Ausgaben abwegig und verweist auf seine weit gefächerten Zuständigkeiten. Auf die Digitalstrategie beispielsweise inklusive des Breitbandausbaus im Land, auf die Energiewende und den Strukturwandel im Rheinischen Revier sowie im Ruhrgebiet, auf die Gründer- und Startup-Förderung in NRW oder die Initiativen zur „Entfesselung“ komplizierter Verwaltungsabläufe und Gesetzgebungen. „Mit Blick auf die Vielfalt der Aufgabenstellung und den enormen Reformbedarf“ sei der in Anspruch genommene Beratungsaufwand „angemessen und sachgerecht“, ließ das FDP-geführte Ministerium wissen.

Grüne: „Die Landesregierung hebelt das Parlament aus“

Was dem Grünen-Landtagsabgeordneten Horst Becker amüsiert. Hatten doch gerade die Freidemokraten die rot-grüne Vorgängerregierung vor einigen Jahren immer wieder wegen ihrer angeblichen „Gutachteritis“ heftig kritisiert. „Und jetzt liegen die Herrschaften bei den Ausgaben weit vorne“, sagt Becker. „Es ist bigott, dass die derzeitige Regierungskoalition ganz andere Maßstäbe an sich selbst anlegt als früher an unsere Regierung mit der SPD.“

Problematisch sei zudem die „häufige Intransparenz“ der Abläufe. „Viele Gutachten oder Expertisen sind angeblich noch nicht abgeschlossen oder abgenommen, und vieles vom Rest hat angeblich nur interne Relevanz“, so Becker. Allzu häufig würden die Untersuchungen deshalb nicht veröffentlicht. „Hier wird das Parlament ausgehebelt.“

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