Türkisches ParlamentErdogan darf in Libyen militärisch intervenieren

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Erdogan 02012020

Im türkischen Parlament billigte eine Mehrheit von 325 Abgeordneten ein Mandat, das es dem türkischen Präsident ein Jahr lang erlaubt, türkische Soldaten nach Libyen zu schicken.

Ankara – Das türkische Parlament hat grünes Licht für eine mögliche Militärintervention im Bürgerkriegsland Libyen gegeben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erhielt am Donnerstag für ein Jahr das Mandat, türkische Soldaten nach Libyen zu schicken. Er will damit die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch in Tripolis stützen. Die liefert sich einen Machtkampf mit dem einflussreichen General Chalifa Haftar.

Türkei: Parlament stimmt für Militäreinsatz in Libyen

Nach insgesamt drei Einmärschen in Syrien begibt sich die Türkei damit voraussichtlich auf ihr nächstes außenpolitisches Abenteuer. Der Türkei geht es dabei um Einfluss in der Region, aber auch um Erdgasvorkommen im Mittelmeer.

325 Abgeordnete stimmten in Ankara für eine Entsendung von Truppen, 184 dagegen. Eine Zustimmung war erwartet worden, da Erdogans Regierungsallianz im Parlament eine Mehrheit hat. Vize-Präsident Fuat Oktay schrieb auf Twitter: „Ich hoffe, dass mit der Annahme des Mandats diejenigen, die ihre aggressive Haltung in Libyen beibehalten, die notwendige Botschaft erhalten.“

Opposition kritisiert Vorhaben von Erdogan

Ein Großteil der Opposition kritisierte das Vorhaben dagegen scharf. Der stellvertretende Parteivorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Ünal Ceviköz, nannte das Vorhaben unsinnig und gefährlich.

Auch Ägypten, ein Unterstützer Haftars, verurteilte die Entscheidung „aufs Schärfste“. Die Türkei verstoße damit unter anderem gegen das von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo.

Libyen: Zahlreiche Mächte in Konflikt verstrickt

Auch aus Russland kam Kritik. Die Entscheidung sei alarmierend, sagte Außenpolitiker Leonid Sluzki der Agentur Interfax. Dies könnte die Krise verschärfen und die Situation verkomplizieren. Russland habe sich für eine diplomatische Lösung ausgesprochen, meinte der Chef des Außenausschusses im russischen Parlament. Eine militärische Intervention aus dem Ausland „ist nicht die beste Lösung“.

In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 Bürgerkriegschaos. Haftar kontrolliert mit seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr begann er einen Angriff auf Tripolis, wo die Sarradsch-Regierung sitzt. Diese wird von lokalen Milizen unterstützt, konnte ihre Macht aber bisher kaum über die Hauptstadt hinaus ausbauen.

Zahlreiche internationale Mächte sind in dem Konflikt verstrickt. Die Regierung in Tripolis wird von der Türkei, Katar und Italien unterstützt, General Haftar von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Zudem gibt es Vorwürfe gegen Frankreich, Haftar zu unterstützen.

Erdogan: Intervention in Libyen jederzeit möglich

Erdogan hatte in der vergangenen Woche gesagt, er handele in Libyen auf Einladung Al-Sarradschs, dieser habe ihn um eine Entsendung von Truppen gebeten. Mit der Zustimmung des Parlaments ist der Präsident nun berechtigt, über „Grenze, Ausmaß, Menge und den Zeitpunkt“ der Entsendung zu entscheiden, „um militärische Operationen und Interventionen durchzuführen, falls nötig“.

Ob Erdogan die Erlaubnis sofort in Anspruch nehmen wird, ist unklar. Der Konflikt wird nach Ansicht von Experten auf beiden Seiten schon jetzt auch mit Hilfe ausländischer Söldner ausgetragen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen sich bereits rund 300 von der Türkei unterstütze syrische Milizionäre in Libyen aufhalten. Die türkische Regierung hat sich bislang nicht zu dem Vorwurf geäußert.

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Einen möglichen Militäreinsatz in Libyen begründet die Regierung vor dem Parlament unter anderem mit den Interessen der Türkei im Mittelmeerraum und Nordafrika. Diese würden durch die verschlechterte Lage in Libyen bedroht, so die Argumentation.

Tatsächlich ist Erdogan daran gelegen, Al-Sarradsch an der Macht zu halten. Im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer fühlt sich die Türkei von anderen Anrainerstaaten wie Griechenland ausgeschlossen und schmiedet deshalb eigene Allianzen. Im November hatten Al-Sarradsch und Erdogan Abkommen unterzeichnet, die neben einer militärischen Kooperation auch Seegrenzen im Mittelmeer festlegen. Damit erhebt die Türkei Anspruch auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden. (dpa)

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