Friedrich Merz spricht zusammen mit den Partnern aus Großbritannien und Frankreich sowie dem ukrainischen Präsidenten über das umstrittene US-Friedenskonzept.
Auf der Suche nach SicherheitEuropas Führungsmächte beraten über Ukraine-Plan

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj (links) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (3. von links) geben sich die Hand vor einem Meeting in Downing Street 10 in London. Der britische Premierminister Keir Starmer (2. von links) und Bundeskanzler Friedrich Merz (ganz rechts) sind bei dem Treffen in Downing Street 10 in London auch dabei.
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Die „Koalition der Willigen“ tagte in den vergangenen Monaten meist über Kameras und Konferenzleitungen. Doch angesichts der zugespitzten Lage wollten die Regierungschefs dieses Mal wohl mehr bieten als Bilder von Politikern vor Bildschirmen. Also kamen Emmanuel Macron, Wolodymyr Selenskyj, Friedrich Merz und Keir Starmer am Montag in London zusammen – nicht nur, um die europäische Ukraine-Strategie abzustimmen, sondern auch, um sichtbar zu machen, dass Europa in diesem entscheidenden Moment an einem eigenen Plan arbeitet.
Im Zentrum des Treffens stand der Friedensplan, den die US-Regierung so schnell wie möglich vorantreiben möchte. Dessen ursprüngliche Fassung hatten vor einigen Wochen viele als russische „Wunschliste“ abgetan. Zu viele Elemente orientierten sich an Moskauer Maximalforderungen, von territorialen Zugeständnissen bis zu Einschränkungen ukrainischer Souveränität. Erst nach heftiger Kritik aus Europa und Kiew wurde der Entwurf laut Medienberichten mehrfach überarbeitet. Forderungen nach Territorialabtretungen, Beschränkungen für die ukrainische Armee und einem Verzicht auf einen Nato-Beitritt sollen in der neuen Version abgeschwächt worden sein.

Kanzler Friedrich Merz (links), und Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj (rechts) begrüßen sich vor einem Treffen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer (3. von links) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (ganz rechts) vor einem Meeting in Downing Street 10 in London.
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Die Europäer haben ein echtes Problem
Dennoch wirft der Plan offenbar nach wie vor mehr Fragen auf, als er beantwortet. Welche Sicherheitsgarantien wären belastbar genug, um einen erneuten Angriff Russlands auszuschließen? Ist Moskau bereit, in diesem Rahmen ernsthaft zu verhandeln? Und: Wie geschlossen und entschlossen würden die Europäer reagieren, sollte Russland den Krieg in der Ukraine erneut anfachen?
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Gleichzeitig fand das Treffen auch vor dem Hintergrund der neuen Sicherheitsstrategie der Amerikaner statt. Darin macht die US-Regierung klar: Die Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten die gesamte Weltordnung stützten, sind vorbei.
Nach der Begrüßung an Starmers Amtssitz versicherten die europäischen Partner der Ukraine erneut ihre Unterstützung, blieben in ihren Formulierungen jedoch vage. Insgesamt schien die Stimmung gedrückt – geprägt von der Einsicht, dass die Europäer vor einem echten Problem stehen. Denn während die Ukraine an der Front weiter unter Druck gerät, dringt US-Präsident Donald Trump auf einen schnellen Deal zwischen Moskau und Kiew – unabhängig davon, wie tragfähig die Details sind.
Dies könne ein entscheidender Moment sein, sagte Merz: „Das Schicksal dieses Landes ist das Schicksal Europas.“ Starmer betonte, ein möglicher Kompromiss müsse belastbar sein, „denn Putin respektiert keine Abkommen ohne harte Sicherheitsgarantien“. Darin lag nach Einschätzung von Beobachtern der Kern des Treffens: die Frage, welche konkreten Sicherheitszusagen Europa der Ukraine in einem möglichen Abkommen geben kann. Anschließend verhandelten die vier abgeschirmt in Downing Street Nummer 10.
Selenskyj hatte seine Gespräche mit Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff und dem Präsidenten-Schwiegersohn Jared Kushner zu dem Friedensplan vor seiner Abreise nach London als „konstruktiv, wenn auch nicht einfach“ beschrieben. Trump äußerte sich jedoch kritisch. Er sei „enttäuscht“, denn der ukrainische Präsident habe den aktuellen Vorschlag „bis vor wenigen Stunden“ noch nicht gelesen. Trumps scheidender Ukraine-Gesandter Keith Kellogg behauptete indes, man sei „auf den letzten Metern“.

Kanzler Friedrich Merz, der britische Premierminister Keir Starmer, Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (von links nah rechts) sitzen nach einem Meeting in Downing Street 10 in London zusammen.
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Selenskyj sagte am Montag, die ukrainischen Unterhändler hätten bislang keine Einigung über die territoriale Zukunft des Donbass erzielt – jenes umkämpften ostukrainischen Gebiets, das die Regionen Donezk und Luhansk umfasst. Mehrere „sensible Punkte“ müssten weiter diskutiert werden, betonte er – darunter Sicherheitsgarantien sowie die Frage, wie über diese beiden Regionen künftig entschieden werden soll. Derweil setzt Russland seinen Krieg unvermindert fort: Mit Raketen- und Drohnenangriffen trifft es weiterhin ukrainische Städte und Energieinfrastruktur.
Der britische Militärexperte Michael Clarke zeigte sich skeptisch gegenüber dem von den USA vorgelegten Entwurf. Dieser sei eher eine Art „Kapitulationsplan“. Dass Russland dem Entwurf wohlwollend gegenüberstehe, sei ein Warnsignal: Die Ukraine müsste Territorium abtreten, ohne verlässliche Sicherheitsgarantien zu erhalten – und wäre am Ende als Staat kaum noch lebensfähig. Kiew stehe unter Zugzwang – doch keine der Optionen sei ohne Preis.
Trumps Sohn und Kreml auf einer Linie
Für weitere Unsicherheit sorgte Donald Trump Jr. Er hatte öffentlich erklärt, sein Vater erwäge, die Unterstützung für die Ukraine komplett einzustellen. Der älteste Sohn des US-Präsidenten gilt in der MAGA-Bewegung als einflussreich. Zugleich wurde die neue Nationale Sicherheitsstrategie der US-Regierung teils mit Fassungslosigkeit aufgenommen: Sie warnt vor einer „zivilisatorischen Auslöschung“ Europas durch Migration und formuliert Positionen zur Redefreiheit, die Kritiker als Angriff auf liberale Grundwerte interpretieren. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte die Strategie „weitgehend übereinstimmend mit unserer Sicht der Dinge“. Ein Lob, das in Europa kaum beruhigend wirken dürfte.

