Umgang mit MedienNicht das Web ist das Problem

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Auch Kinder sind den Einflüssen der Neuen Medien ausgesetzt.

Auch Kinder sind den Einflüssen der Neuen Medien ausgesetzt.

In den Tiefen des Internets kursiert ein Comic, der die Pessimisten unter uns nicht ruhiger wird schlafen lassen. Er zeigt einen kleinen Jungen, der von seinem ersten Tag im Kindergarten nach Hause zurückkehrt. Seine Mutter will wissen, wie es ihm denn gefallen hat, und mit weit aufgerissenen Augen sagt der kleine Junge: „Mama, die haben da noch nicht einmal WLAN!“

Geschichten wie diese beunruhigen Eltern, Lehrer und Politiker. Sie erinnern sich dann daran, dass es zu ihren Kindergartenzeiten Holzklötze gab und jede Menge Kreide, um das Pflaster des Spielplatzes anzumalen. Aber auch die Wissenschaft sorgt sich und warnt vor den Schäden, die das via drahtloser Verbindung überall verfügbare Internet in unseren Gehirnen anrichtet. Konzentrationsunfähigkeit, fehlendes Basiswissen, Schulprobleme – mit diesen Schlagworten umreißt zum Beispiel Manfred Spitzer, der Autor des Buches „Digitale Demenz“, unsere Zukunft.

An dieser Stelle hilft es vielleicht, sich ein wenig zurückzulehnen und den Comic am ersten Schultag eines Kindes der 80er Jahre spielen zu lassen. Die hatten da noch nicht einmal einen Taschenrechner! Wer sich dann darauf einigen kann, dass der Taschenrechner aus Menschen vielleicht schlechtere Kopfrechner, aber dafür bessere Betriebswirte gemacht hat, landet bei zwei Erkenntnissen und einer Frage.

Die erste Erkenntnis: Der Mensch verflucht anfangs offenbar gerne das Werkzeug, das ihm später einmal von großem Nutzen ist. Der Kompass, die Eisenbahn, das Auto, der Taschenrechner – die Reihe lässt sich problemlos ergänzen. Die zweite Erkenntnis: Wir werden das Internet und den Computer nicht aus unserem Alltag und schon gar nicht aus dem unserer Kinder verbannen können. Die Frage: Wie gestalten wir dann unsere Zukunft?

Das Wort „gestalten“ ist deshalb so wichtig in diesem Zusammenhang, da sich Kulturpessimismus oft mit Passivität mischt. In gewisser Weise ist das sogar verständlich, weil die Dinge sich tatsächlich derzeit in rasender Geschwindigkeit verändern. Was gestern der Computer war, ist heute das iPad und morgen die Google-Brille, mit der wir live aus dem Web Informationen zugespielt bekommen zu dem, was wir sehen. Irre, oder? Wer sich von der Radikalität dieses Umbruchs selbst überzeugen will, sollte einmal die Spielemesse Gamescom besuchen, die nächste Woche in Köln beginnt.

Manche der jungen Menschen, die dort begeistert die neusten Produkte aus der digitalen Welt begutachten, sind gewiss suchtgefährdet, weil sie ohne ihre „Games“ nicht können. Aber die meisten, und das haben Studien schon mehrfach gezeigt, übertreffen die Generation der jetzt über 40-Jährigen in Punkten wie Problemlösekompetenz oder Reaktionsgeschwindigkeit auf sich verändernde Bilder und Informationen.

Eine Gesellschaft, die sich diesem Wandel bewusst stellt, sagt sich: Wir sind selbst schuld, wenn wir zulassen, dass uns das Internet dumm macht. Die Wirtschaft, auch das zeigt die Gamescom, hat die ökonomische Kraft der Technologie in Teilen für sich entdeckt. Die Politik hingegen tut sich noch schwer, den digitalen Citoyen als geistige Leitfigur anzuerkennen. Sie müsste noch stärker als bisher deutlich machen, dass sie die Weichen in diese Richtung stellt. Zum Beispiel mit einem besonderen Beauftragten im Kanzleramt.

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