Umwelthilfe-Chef über Fahrverbote„In Köln sind die Hotspots das Problem“

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Ein älterer Diesel parkt in der zentralen Kölner Innenstadt.

Ein älterer Diesel parkt in der zentralen Kölner Innenstadt.

  • Die Deutsche Umwelthilfe hat erfolgreich auf Änderung des Luftreinhalteplans in diversen Städten geklagt und so Diesel-Fahrverbote unter anderem in Teilen Kölns erwirkt.
  • Im Interview spricht der Chef des Verbands, Jürgen Resch, unter anderem über Fahrverbote, NRW-Städte und Grenzwerte.

Düsseldorf – Herr Resch, für alle überraschend hat sich die Umwelthilfe mit der Stadt Wiesbaden geeinigt. Dort wird es keine Fahrverbote geben. Ist das eine Kehrtwende?

Nein. Wir klagen in den 35 Städten nicht auf Dieselfahrverbote. Es geht um die Luftreinhaltewerte. Egal, durch welche Maßnahmen sie erreicht werden. Ich freue mich über jede Stadt, die es schafft, ohne weitreichende Maßnahmen wie Fahrverbote die Werte einzuhalten.

Wie hat Wiesbaden das geschafft?

Durch eine echte Verkehrswende. Wiesbaden hat ein verbindliches Maßnahmenpaket vorgelegt. Das beinhaltet das 365 Euro-Jahresticket für Bus und Bahn, ein geschlossenes Radverkehrsnetz, neue Park-and-Ride-Plätze, die Nachrüstung aller Diesel-Busse und der Fahrzeuge der Müllabfuhr. Der neue Luftreinhalteplan für Wiesbaden ist rechtsverbindlich. Seit Dezember, als wir das erste Mal   verhandelt haben,  hat die Stadt eine ganze Reihe weiterer konkreter Maßnahmen beschlossen. Das ist vorbildlich.

Und darauf vertrauen Sie?

Wir haben erreicht, was wir wollten. Wir gehen davon aus, dass in Wiesbaden im Laufe des Jahres 2020 die Grenzwerte eingehalten werden. Natürlich haben wir  mit der Stadt vereinbart, dass wir den Fortschritt bei der Umsetzung abfragen. Und zwar monatlich. Wir werden die Veränderungen bei den Schadstoffwerten genau beobachten. Da geht es  um wenige Mikrogramm. Wir haben nur noch eine Stelle im Stadtgebiet, wo wir mit 48 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft deutlich darüber liegen.

Kann Wiesbaden ein Vorbild für die NRW-Städte sein? Über Aachen will das Oberverwaltungsgericht im Juli verhandeln, über Köln und Bonn im August, im Mai gibt es Vorgespräche. Düsseldorf hat einen neuen Luftreinhalteplan.

Im Moment würde ich sagen: Nein, das reicht in keinem Fall. Aber Wiesbaden war im Dezember ja auch noch nicht so weit. Aber dort hat man  geschaut: Wo haben wir noch Luft? Und fest zugesichert, die gesamte Busflotte sofort nachzurüsten. Weil so viele Elektrobusse gar nicht so schnell verfügbar sind. Diese Fahrzeuge verbessern die Luftqualität bevor es zu einem Fahrverbot kommt.

Was heißt das?

Je mehr die Städte sich anstrengen und Fahrverbote für solche Fahrzeuge zum Beispiel durch solche Umrüstungen vorwegnehmen, desto wahrscheinlicher wird es, dass man die Fahrverbote nicht braucht. In Stuttgart bieten große Unternehmen jetzt Shuttle-Services für ihre Mitarbeiter an. Das wird dort aber leider nicht reichen. Wir wollen doch gerade in allen Städten diese Diskussion auslösen: Wie kriege ich das auf andere Art und Weise hin? Dann wären wir glücklich.

Noch einmal: Haben Köln, Bonn, Düsseldorf, Aachen, Essen und Gelsenkirchen die Wiesbaden-Chance?

Das kann ich noch nicht sagen. Aber bis zum Gerichtstermin im Sommer werden wir das abschätzen können. Die Belastung in Bonn beispielsweise ist sehr viel punktueller. Wir sehen natürlich auch, dass Bonn alle möglichen Anstrengungen unternimmt.

Und bei Düsseldorf und Köln?

Sollten wir sehen, dass sich nach den Urteilen etwas bewegt hat und die Werte nach unten gehen, dann ändert sich natürlich auch unsere Bewertung. Das gilt aber für alle Städte. Bei Düsseldorf und Köln sind die hohen Ausgangswerte an den Hotspots Corneliusstraße und Clevischer Ring das  Problem.

Die EU-Kommission hat keine Einwände gegen die Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Die Bundesregierung plant, dass es in Städten mit Werten von bis zu 50 Mikrogramm keine Fahrverbote geben soll.

Der Grenzwert ist und bleibt bei 40 Mikrogramm. Der Rest ist die Umschreibung einer Selbstverständlichkeit. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Bevor es zu Fahrverboten kommt, müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein.

Warum sind die Politiker dann alle so erleichtert?

Das erschließt sich mir nicht. Klar ist: Wenn  eine Stadt bei 49 liegt und alles nur Erdenkliche tut,  am Ende aber doch nur bei 45 landet, ist sie gezwungen, mit Fahrverboten auf unter 40 zu kommen. Man kann also nicht sagen: Nur weil ich von 53 auf 49 gekommen bin, muss ich nichts mehr tun. Das wäre ja gleichbedeutend mit einer Aufhebung des Grenzwerts.

Haben die Städte durch den Hinweis der EU-Kommission  Zeit gewonnen, falls das Bundesimmissionsschutzgesetz noch vor der Sommerpause geändert wird?

Bei streckenbezogenen Fahrverboten nicht. Die müssen laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sofort verhängt werden, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. Bei Fahrverbotszonen ist das anders. Da können die Fahrverbote nach Schadstoffklassen gestaffelt eingeführt werden. Das hat aber nichts mit irgendwelchen Werten zu tun, sondern nur damit, dass die Bürger sich besser darauf vorbereiten können.

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