US-Bestsellerautor Frum über Donald Trump„Es kann und wird noch schlimmer werden“

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Donald Trump Frontal

US-Präsident Donald Trump.

Der konservative US-Publizist David Frum über den Niedergang der amerikanischen Demokratie, die Chancen einer Amtsenthebung und den fehlenden Respekt des Präsidenten vor Kanzlerin Merkel.

Sein Büro bei der renommierten Zeitschrift The Atlantic liegt direkt neben dem Watergate-Hotel in Washington, das einer Staatsaffäre den Namen gab. Für das Interview mit unserer Zeitung zieht der konservative Publizist David Frum die Cafeteria im Erdgeschoss vor, wo der Kaffee aus der Espressomaschine kommt. Als Redenschreiber von George W. Bush hat er den Kampfbegriff von der „Achse des Bösen“ geprägt. Heute sieht der 57-Jährige die Demokratie in den USA durch den eigenen Präsidenten in Gefahr.

Herr Frum, der amerikanische Präsident feuert einen Minister nach dem anderen. Er droht der Welt mit einem Handelskrieg. Und im Fernsehen schildert eine Porno-Darstellerin, wie er sich von ihr auf den nackten Hintern schlagen ließ. Kann es noch schlimmer kommen?

Natürlich. Wer das verneint, dem fehlt es an Phantasie. Es kann und es wird schlimmer werden. Wir leben gerade in einer Phase des Wohlstands und der relativen Stabilität. Aber das kann sich ändern: Wir könnten in eine Rezession rutschen, wir könnten einen echten Handelskrieg haben und wir könnten in ernste kriegerische Auseinandersetzungen geraten.

In Ihrem Buch „Trumpocracy“ vergleichen Sie die Entwicklung mit einem Treppensturz. Der Aufprall steht uns noch bevor?

Der Boden ist bei weitem nicht erreicht. Meine Analogie bezieht sich übrigens nicht nur auf die Trump-Präsidentschaft. Alle politischen Institutionen in den USA vertreten ihre Interessen zunehmend rücksichtslos. Demokratie lebt vom politischen Wettstreit – innerhalb gemeinsam akzeptierter Regeln. Doch seit dem Ende des Kalten Krieges haben Demokraten und Republikaner immer wieder Grenzen überschritten und damit Tabubrüche der Gegenseite provoziert. Wir stecken in einer Abwärtsspirale.

Gleichwohl hat Donald Trump bislang weder die Nato gesprengt noch die Mauer gebaut oder Obamacare abgeschafft. Nehmen wir seine Rhetorik zu ernst?

Ich hoffe, dass wir uns, wenn das alles einmal vorbei ist, beglückwünschen können, weil viele Befürchtungen nicht eingetroffen sind. Aber es ist riskant, sich darauf zu verlassen, dass die Institutionen schon das Schlimmste verhindern werden. Trump ist wie ein Raubtier auf der Jagd. Wo er Widerstand spürt, zieht er sich erst einmal zurück. Aber er hat den FBI-Chef und seinen Stellvertreter aus rein politischen Gründen gefeuert, ohne dass seine Partei rebelliert hätte. Nun will er der Justiz vorschreiben, was sie zu untersuchen hat und was nicht. So etwas gibt es in keiner Demokratie der Welt.

Zyniker hoffen darauf, dass er zu inkompetent ist, um größeren Schaden anzurichten.

Er ist inkompetent bei allem, was zu seinem Job gehört. Aber er ist höchst kompetent bei den Aktivitäten, die er nicht betreiben sollte. Die ethischen Leitlinien der Präsidentschaft hat er sehr erfolgreich beiseite geräumt. Von der Veröffentlichung seiner Steuererklärung ist nicht mehr die Rede. Wir wissen nicht, wie viel Geld er wem schuldet. Er bekommt Millionen von Geschäftspartnern in der Türkei, auf den Philippinen und in Indien. Niemand weiß etwas darüber.

Ist die Demokratie in den USA in Gefahr?

Als Donald Trump gewählt wurde, gab es verständlicherweise Panik hierzulande und bei unseren Freunden rund um die Welt, dass es zu einem spektakulären Zusammenbuch der Demokratie wie in Chile 1973 oder in Deutschland 1933 kommen würde. Aber in wohlhabenden modernen Rechtsstaaten passiert so etwas nicht. Hier geht es schleichend. Demokratie ist kein altmodischer Lichtschalter, den man an- und ausschaltet. Es ist ein Dimmer. In diesem Land drehen wir ihn gerade in die dunklere Richtung.

Folgt Trump dabei irgendeinem Plan?

Nein. Trump hat weder politische Visionen noch eine Ideologie. Aber er hat viele schmutzige Geheimnisse und muss den Rechtsstaat ausschalten, um zu überleben. Ich glaube nicht, dass er ein Diktator sein möchte. Aber das Gesetz ist nicht sein Freund. Er ist kein Pinochet, eher ein Tony Soprano (der Mafia-Boss aus einer Fernsehserie, d. Red.).

Außenpolitische Gefahren, Strafzölle und Trumps Beziehung zu Deutschland

Haben sich die außenpolitischen Gefahren durch den Abgang des moderaten Außenministers Rex Tillerson und des Sicherheitsberaters H.R. McMaster erhöht?

Ich glaube nicht, dass Trump einen Krieg beginnen will. Aber ich halte ich es für möglich, dass Trump in einen Konflikt mit Nordkorea hineinstolpert, einfach weil es ihm an Vorbereitung und an einer Strategie fehlt. Und ich frage mich, ob Putin irgendein Druckmittel gegen Trump in der Hand hat, oder ob Trump einfach in ihn vernarrt ist, oder was es sonst ist. Jedenfalls finde ich seine Russland-Politik sehr merkwürdig.

Dafür ärgert er die Verbündeten gerade mächtig mit seinen Strafzöllen.

Das Kernproblem ist, dass Trump nicht an die Allianz des Westens glaubt. Er versteht sie nicht und er glaubt nicht daran. Er versteht den Welthandel nicht. Und er weiß nicht, was Handelsdefizite bedeuten. Zudem hat er eine besondere Abneigung gegen Deutschland.

Warum das?

Da gibt es eine Reihe von Gründen. Ich glaube, sein mangelnder Respekt vor Frauen spielt eine große Rolle. Es ist ein bedrohlicher Kontrast, wie er Macron Respekt bezeugt, aber nicht Merkel.

Welche anderen Gründe sehen Sie?

Er ist besessen von Handelsbilanzen. Deutschland hat ja tatsächlich einen gewaltigen Überschuss. Aber es ist Teil der Europäischen Union, und darauf sollten wir uns konzentrieren. Trump versteht nicht, wie das alles in den vergangenen 75 Jahren gewachsen ist und welche Bedeutung das für die transatlantischen Beziehungen hat. Aktuell befindet sich die EU in der Krise. Großbritannien steht vor dem Brexit. Überall wächst der Populismus. Und Russland ist zwar schwach, aber in der Lage, Unruhe zu stiften. Ein amerikanischer Präsident sollte mit der deutschen Regierung zusammenarbeiten, um diese Probleme zu lösen. Stattdessen lebt er seinen Rüpel-Impuls aus.

Viele Deutsche hoffen, Trump würde bald aus dem Amt gejagt. Wie sehen Sie die Chancen für ein Impeachment?

Gering. In einem Präsidialsystem wie dem der USA würde das eine gigantische Krise auslösen. Man sollte besser davon ausgehen, dass er bis zum Ende seiner Amtszeit durchhält. Das ist eine politische Krise, und sie verlangt eine politische Lösung.

Sie haben neben der kanadischen auch die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. Wo bleibt der typische Optimismus?

Oh, das letzte Kapitel meines Buches ist mit „Hoffnung“ überschrieben. Und nach den Anti-Waffen-Märschen sehe ich erst recht die Möglichkeit, dass aus dem Schlechten noch etwas Gutes erwächst. Wissen Sie, dass man derzeit in den USA nicht einmal einen Sehtest absolvieren muss, bevor man ein Gewehr kauft? In den meisten Bundesstaaten können Sie eine Knarre mit sich herumtragen, selbst wenn Sie praktisch blind sind. Aber mit dieser Generation wird sich das ändern. Anders als die Babyboomer, denen es – ich verallgemeinere jetzt - um Selbstverwirklichung ohne Verantwortung ging, engagieren sich die Millenials für Verantwortung und Rechte. Ich glaube, wir werden in der Zukunft eine andere Kultur haben.

Haben Sie einen Ratschlag, wie sich Deutschland gegenüber Trump verhalten soll?

(lacht) Natürlich wäre es einfacher, wenn der deutsche Kanzler ein sehr großer Mann wäre, der in Afghanistan gedient hat und gerne Golf spielt. Aber daraus wird wohl nichts. Also ist mein erster Ratschlag: Europa muss stark sein und darf sich nicht auseinanderdividieren lassen. Zweitens sollte Deutschland deutlich machen, dass es auch Arbeitgeber, Investor und Kunde der USA ist. Und schließlich sollten Sie die Bundesstaaten in den USA im Auge behalten. Die Gouverneure mögen keinen Handelskrieg.

Aber wird Trump auf sie hören?

Jedenfalls sollten die Gouverneure ihm zuvor gesagt haben: Wenn irgendetwas schiefgeht, ist das Dein Problem. Die Herausforderung besteht darin, Trumps destruktives Potenzial einzugrenzen durch ein Bündnis von Menschen, die an unabhängige Institutionen, den freien Handel, politische Stabilität und den Frieden glauben.

Das Interview führte Karl Doemens

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