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VerkehrswendeBonn will Innenstadt von Autos befreien – Was plant Köln?

Lesezeit 5 Minuten
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Radfahrer, Busse und Autos fahren im Berufsverkehr in der Bonner Innenstadt.

  • Städte wie Kopenhagen haben es vorgemacht.
  • Nun will auch der Rat in Bonn die Innenstadt von Pkw befreien.
  • Wie planen Köln, Aachen und Düsseldorf?

Bonn – Die Youtube-Bürgersprechstunde mit der Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner hat gerade erst angefangen, da trudelt schon eine Frage zu ihrem Lieblingsthema ein. Zur Verkehrswende. „Eines meiner wichtigsten Anliegen für die nächsten Jahre“, sagt sie. Dörner feuert die grünen Positionen am Mittwochabend in die Kamera. Der Anteil der Autos muss reduziert, Tempo 30 soll erweitert, der ÖPNV ausgebaut und Tickets dafür erschwinglich werden. Bis 2025 soll Bonns Zentrum weitgehend autofrei sein.

So steht es nun auch im Koalitionsvertrag, den das neue Linksbündnis gerade vorgelegt hat. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen September haben die Grünen die Mehrheit geholt. In der OB-Stichwahl musste der bis dahin amtierende CDU-Oberbürgermeister Ashok Sridharan eine Schlappe hinnehmen. Künftig wird Bonn regiert von einer Allianz aus Grünen, SPD, Linken und Volt, mit Katja Dörner an der Spitze. Die 44-Jährige will keinen Zweifel daran lassen, dass die Themen Umwelt und Verkehr ihre Amtszeit prägen sollen. Die Passagen zur Verkehrswende mussten laut Beteiligten nicht groß verhandelt werden, meist war man sich einig. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Tom Schmidt spricht von Aufbruch.

Immer mehr deutsche Städte zeigen Willen zur Veränderung

Seit Greta Thunberg als Mahnerin vor dem Klimawandel die Schule bestreikt hat, zeigen auch immer mehr deutsche Städte den Willen zur Veränderung. Europäische Metropolen wie Barcelona, Brüssel, Kopenhagen, Madrid und Paris haben vorgemacht, was möglich ist: Autofreie Innenstädte, Citymaut, Fahrradhighways, Wohlfühlzonen für Fußgänger und viel Grün.

„Die Zeit drängt“, sagt Thorsten Koska, Verkehrsexperte beim Wuppertal Institut. In den vergangenen 30 Jahren habe es in Deutschland keinerlei CO2 -Reduktion im Verkehr gegeben. Die Bundesregierung will die Emissionen in den nächsten zehn Jahren um mindestens 40 Prozent senken, um das Pariser Klimaziel von maximal 1,5 Grad Erwärmung erreichen zu können, müsste die Reduktion noch größer ausfallen. Zu den größten Luftverpestern gehören Autos und Lkw. „Für die Verkehrswende spielen Städte eine wichtige Rolle“, sagt Koska. „Es geht darum, den Raum, der bislang hauptsächlich den Autos gehörte, neu zu verteilen.“ Koska spricht von der Notwendigkeit einer neuen Wahrnehmung von Mobilität in den Städten. Es müsse schon für Grundschüler normal sein, mit dem Rad und nicht mit dem Elterntaxi zur Schule zu fahren. Was derzeit passiere, gehe zwar in die richtige Richtung, die Geschwindigkeit sei aber noch deutlich zu gering.

Köln plant „autofreie Abschnitte“ – Verwaltung tritt auf die Bremse

Von Hochgeschwindigkeit kann bei der Mobilitätswende nicht die Rede sein. Konzepte gibt es beispielsweise in Aachen, Köln und Wuppertal. Aber es sind eher Teilerfolge, mit denen sich die Städte den Weg in die autofreie Zukunft erkämpfen. In Köln wurden in den vergangenen Jahren hier und da ein paar Radwege erneuert. Bis Ende des Jahres soll es laut Verwaltung „autofreie Abschnitte“ auf dem Eigelstein geben. Auch die Ehrenstraße soll nach einem Beschluss der Bezirksvertretung vom Donnerstag „kurzfristig vom Autoverkehr befreit“ werden. Die Verwaltung dagegen drückt auf die Bremse. Derzeit laufe noch eine Verkehrsuntersuchung, die erst mal klären soll, ob und wie die Ehrenstraße autofrei gestaltet werden kann, heißt es auf Anfrage.

Andernorts werden Fortschritte wieder zurückgedreht. Nach dem Machtwechsel im Düsseldorfer Rathaus wird nun die umstrittene Umweltspur wieder abgeschafft. Sie soll durch intelligente Ampeln ersetzt werden, die bei zu hoher Stickoxidbelastung den Verkehr dann so regeln sollen, dass Grenzwerte nicht überschritten werden. „Vergleicht man das Handeln hier beispielsweise mit Paris, erscheint mir die Politik in deutschen Städten oft mutlos“, sagt Koska. Die Debatte um autobefreite Innenstädte lief lange Zeit entlang breiter Konfliktlinien. Während Anwohner, Fußgänger und Radfahrer fast selig von der neuen Freiheit träumten, trieb allein der Gedanke Geschäftsleute auf die Barrikaden. Doch auch in diesem Punkt scheinen sich die Zeiten zu ändern. „Wir waren überrascht, wie positiv die Einzelhändler auf unser Ziel von der autofreien Innenstadt reagiert haben“, sagt Schmidt, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bonner Stadtrat. Die Zweifler sollen nun im Dialog überzeugt werden. Es gebe aber noch immer jene Kaufleute, denen es am liebsten wäre, die Autos könnten mitten auf dem Marktplatz parken.

Europäische Vorbilder

Gent: Ein großer Teil der Innenstadt ist seit dem Mobilitätsplan von 1996 autofrei. Der motorisierte städtische Straßenverkehr wird über eine Parkroute gezielt zu Tiefgaragen geleitet. Die Parkplätze an der Oberfläche werden nach und nach abgebaut.

Kopenhagen: In den 70er-Jahren begann man eine verkehrspolitische Wende zugunsten des Rads. Seither hat sich Dänemarks Hauptstadt aufgemacht, fahrradfreundlich zu werden. Autos werden durch Reduzierung des Parkraums zurückgedrängt.

Auch der Spitzenverband der Einzelhändler erkennt einen Nutzen in einer autobefreiten City. „Ein solcher Stadtumbau muss stattfinden, um die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten langfristig zu erhöhen“, sagt Michael Reink, HDE-Bereichsleiter Standort- und Verkehrspolitik. Allerdings sei der Zeitpunkt derzeit ungünstig, da unter innerstädtischen Einzelhändlern derzeit pandemiebedingt bereits eine große Unsicherheit herrsche. Dass deutsche Städte sich bei der Mobilitätswende so schwertun, hat nach Meinung von Verkehrsforscher Koska auch rechtliche Gründe. „Wir haben in Deutschland andere Voraussetzungen. Kommunales Handeln wird von Bundesgesetzen gerahmt.“ So sei etwa die Erhöhung von Parkgebühren gedeckelt, eine flächendeckende Einführung von Tempo-30-Zonen eigentlich nicht möglich, auch eine Citymaut könne nicht ohne Weiteres umgesetzt werden.

Düsseldorf hat keine Pläne für eine autofreie Innenstadt 

Wie unterschiedlich die Auffassungen sind von dem, was machbar ist und was nicht, zeigt ein Vergleich zwischen Aachen und Düsseldorf. Während die Kaiserstadt nach eigenen Angaben autofreie Bereiche und eine Ausweitung der Tempo-30-Zonen auf die Agenda gesetzt hat, um Luftverschmutzung und Lärm zu minimieren, verweist Düsseldorf lediglich auf die Gesetzeslage. Auf Anfrage schreibt ein Sprecher: „Die Straßenverkehrsordnung §3 lässt Tempo 30 im Stadtgebiet nicht zu.“ Ob es denn Pläne für eine autofreie Innenstadt gibt? „Nein, die gibt es nicht.“

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