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Was andere davon lernen könnenIn dieser Schule klappt der Digitalunterricht

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Leere Klassenzimmer: Die Schüler müssen gerade im Distanzunterricht lernen. 

Monheim – Hier liegt sie also, im Kreis Mettmann, die „Hauptstadt der Kinder“. Am Eingang zu Monheim am Rhein, kurz vor dem „Hotel am Wald“, das gerade vergebens für ein Lunch mit Steak vom Angus-Rind wirbt, da begrüßt ein großes Schild die Besucher dieser besonderen Metropole. „Das habe ich, ehrlich gesagt, am Anfang etwas albern gefunden – bei 43.000 Einwohnern sich 'Hauptstadt für Kinder' zu nennen … lassen wir doch die Kirche im Dorf!“, sagt Achim Nöhles, Direktor der Schule am Lerchenweg.

Nur ein paar Kinder turnen auf den Klettergerüsten des Schulhofs herum, den zu normalen Zeiten Pausenlärm erfüllt. Die Klassenräume sind spärlich besetzt – es herrscht Corona, Unterricht gibt's auf Distanz, auch in der Grundschule. Doch dass dieses digitale Lernen am Lerchenweg gut funktioniert, hat viel mit Monheims Entscheidung zu tun, sich zur „Hauptstadt der Kinder“ zu ernennen. 

Deshalb hat Nöhles seine Meinung schon lange geändert, „denn unter diesem politischen Oberbegriff, diesem Ziel, das sich die Kommune langfristig gesetzt hat, ließ sich sehr viel im Rat und in den Ausschüssen unterbringen und in die Tat umsetzen.“

So entstand zum Beispiel der sogenannte Medienentwicklungsplan, aus der Überlegung heraus, man müsse mal Schluss damit machen, dass eine ortsansässige große Firma alte Rechner spendiert, deren Laufwerke nicht mehr funktionieren, während die Festplatte allmählich den Geist aufgibt und die Tastatur klebt von der Cola, die darüber gelaufen ist. Der Medienentwicklungsplan ist in der Schule am Lerchenweg angekommen, buchstäblich bei den Endabnehmern wie dem schüchternen Erstklässler, der in dieser Woche in der Notbetreuung vor seinem Tablet sitzt und den Buchstaben „g“ übt. „G“ wie gut – so findet er den High-Tech-Unterricht, rückt er mit leiser Stimme heraus.

Konsequente Senkung der Gewerbesteuer

2013 verlieh der Bund der Steuerzahler Monheim am Rhein, der Hauptstadt der Kinder, noch einen weiteren Titel: „Steuerzahlerwunderland“. Durch eine konsequente, von den Nachbargemeinden zunächst argwöhnisch beobachtete und dann hart kritisierte Senkung der Gewerbesteuer lockte Bürgermeister Daniel Zimmermann von der lokalen Jugendpartei Peto Unternehmen an. Die Stadt wandelte sich vom NRW-Schlusslicht in eine Mustergemeinde. Davon profitieren die Schulen, davon profitiert gerade jetzt der Digitalunterricht, der andere in der Corona-Krise vor so viele Hürden stellt. „Die Stadt hat sich frühzeitig auf den Weg gemacht, eine Plattform zu finden, auf der man auch rechtskonform kommunizieren kann. Das ist bei uns iServ. Hätten wir auf das Land gewartet, sprich Logineo, ja – dann würde ich jetzt damit beginnen. So kann ich sagen, dass wir schon seit einigen Jahren dabei sind und uns mit einer solchen Plattform anfreunden konnten“, sagt Schulleiter Nöhles.

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Er und seine Schule waren mit vielem früher dran. Das sieht man der „Lerche“ an: Das Gebäude stammt aus den späten 60er Jahren, ein typischer, relativ flacher, dafür in die Breite gebauter Betonbau – Ausdruck einer nüchternen, demokratischen, anti-hierarchischen Pädagogik, die sich seit 2005 mit den Bedürfnissen der Ganztagsschule verbindet inklusive einer massiven Aufstockung des Personals. Die Klassenräume sind in einen Unterrichts- und einen Ruhebereich unterteilt, nur eine gläserne Wand steht dazwischen. Auf Sofas können die Kinder entspannen, ihre Mal- und Bastelarbeiten hängen an den Wänden, genauso wie Buchstaben und Zahlen. Das Ganze wirkt spielerisch leicht.

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Im Computerraum stehen helle Schreibtische, Monitore und Tastaturen können in ihrem Inneren versenkt werden, und der Tisch ist wieder ganz klassisch dafür da, Hefte und Bücher darauf abzulegen. Im Klassenraum blättern die wenigen Schüler, die im Corona-Modus in die „Lerche“ zur Notbetreuung gekommen sind, in Arbeitsblättern und Kladden – doch im Hintergrund steht ein wuchtiger Koffer, in dem gerade Tablets aufgeladen werden, und auf einer großen digitalen Pinnwand können sich die Schüler ihre Aufgaben abholen: Es ist eine Mischung aus erprobten Lernmethoden mit Bleistift und Papier und avancierter Technik mit App und Videokonferenz, die hier praktiziert wird. Eine Synthese aus Fibel und Schule der Zukunft.

Explosionsartige Nachfrage nach digitalen Werkzeugen

Bei einer Grundschule kann man die Frage der Tablets nach Nöhles' Ansicht gelassener angehen als auf dem Gymnasium – „die Kinder müssen lesen und schreiben lernen, daran ändert sich nichts, und das geht nicht immer am Tablet“, findet er. Wobei der Schulleiter einräumt, dass andere Grundschulen das auch anders sehen.

In Zeiten des Präsenzunterrichts spielte das Digitale noch keine so bedeutende Rolle, doch „im März hat sich das explosionsartig geändert“, sagt Nöhles. „Wir kommunizieren nur noch über die iServ-Plattform mit den Eltern und den Kindern“ – sofern die Schüler nicht doch leibhaftig antreten müssen, weil die Eltern partout keine Zeit haben, weil es zu große Sprachbarrieren gibt, oder weil zu Hause schlicht die Geräte fehlen. Doch auch in diesem Fall lernen sie, wie sie sich in der digitalen Welt zurechtfinden.

Padlet heißt das Programm, das auf der elektronischen Klassentafel läuft, die immer wieder die Blicke der Schüler in der Notbetreuung auf sich sieht – wer zu Hause im Distanzunterricht sitzt, arbeitet damit auf dem PC, dem Tablet oder notfalls dem Mobiltelefon. Über ein Passwort gelangt man ins virtuelle Klassenzimmer, dort haben die Lehrerin oder der Lehrer Aufgaben hinterlegt, es gibt Videos und Verlinkungen auf Bildungsseiten wie „Planet Wissen“ von der ARD oder „Zahlenzorro“ zum Matheüben, ein Lehrplan soll die Arbeit im Schüler-Homeoffice gliedern, sogar Sportunterricht lässt sich erteilen, wenn Angebote wie „Kinder-Yoga“ eingebunden sind.

Als am ersten Tag nach den Weihnachtsferien morgens Abertausende Schülerinnen und Schüler online gingen, bekam auch der Server in Monheim Probleme. Der steht im Rathaus und ist über Glasfaserkabel mit der Grundschule am Lerchenweg oder dem benachbarten Otto-Hahn-Gymnasium verbunden. „Die Gymnasiasten wollten halt alle Videokonferenzen machen“, sagt Nöhles, „das machen wir nicht so häufig: Setzen Sie mal einen Zweitklässler vor den Bildschirm, da geht die Konzentration nach einer halben Stunde flöten.“

Doch der Digitalunterricht, oder vielmehr: das Lernen, wie man die digitalen Medien sinnvoll und sicher nutzt, spielt auch in der Grundschule eine immer bedeutendere Rolle – nicht nur, wenn dieser Digitalunterricht wie in der gegenwärtigen Krise aus der Not geboren wird. Von der dritten Klasse an werden die Schüler der „Lerche“ an die Internet-Recherche herangeführt, sie erhalten eine umfassende Medienschulung, die auch den Umgang mit Messengerdiensten einschließt, und sie sollen Grenzen und Gefahren im Netz kennenlernen. Damit seien seine Schüler auch für Zeiten wie diese gerüstet, ist sich Nöhles sicher.

Am Ortsausgang verabschiedet wieder ein Schild die Besucher aus der „Hauptstadt der Kinder“. Die Pandemie trifft auch ihre Schulen hart. Aber sie waren vorbereitet.

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