Was will Michelle Obama?Die weibliche Wunderwaffe gegen Donald Trump

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So lieben die Amerikaner Michelle Obama: Immer offen, emotional und hochintelligent.

So lieben die Amerikaner Michelle Obama: Immer offen, emotional und hochintelligent.

  • Die Ex-First-Lady ist Joe Bidens große Hoffnung: Viele amerikanische Bürger sähen sie gerne an der Seite des demokratischen Präsidentschaftskandidaten.
  • Doch die große Frage ist: Was will Michelle Obama?

Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden hat die frühere First-Lady Michelle Obama als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft ins Gespräch gebracht und damit für viel Wirbel im Internet gesorgt. „Sicher hätte ich Michelle gerne als Vizepräsidentin“, hatte Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Iowa gesagt, in dem in der nächsten Woche die Auswahl des demokratischen Herausforderers für Präsident Donald Trump beginnt.

Das an eine schwarze Leserschaft gerichtete Online-Magazin „The Root“, bezeichnete den Vorstoß als „Wunschdenken“ und Biden selbst als einen „armen, einfältigen Trottel“. Er sei auf der Suche nach dem „ultimaitiven Trick“, um sich die Präsidentschaft zu sichern. Dabei sei er jedoch nicht allein, da auch alle seine Mitbewerber den gerne hätten. Twitternutzer spotteten, es handle sich um einen verzweifelten Versuch Bidens, seine Wahlkampagne zu retten.

Michelle Obama ist bei demokratischen Wählern in Amerika überaus beliebt. Schon seit Jahren gab es besonders im Internet immer wieder die Hoffnung, sie würde sich für ein öffentliches Amt bewerben. Bislang hat die 56 Jahre alte Obama jedoch jegliche Ambitionen auf einen solchen Schritt immer zurückgewiesen.

Wie ernst es Biden mit seinem Vorschlag meint, war zunächst unklar. Der Demokrat hatte Berichten zufolge bereits bei einem Talkshow-Auftritt bei Stephen Colbert im September gewitzelt, er werde Michelle Obama fragen, ob sie mit ihm zur Wahl antreten wolle. Später sagte er: „Ich meine es nicht ernst. Michelle, ich meine es nicht ernst.“ Bei dieser Gelegenheit hatte er auch Barack Obama für einen Sitz am Obersten Gericht der Vereinigten Staaten ins Spiel gebracht. Der frühere Präsident wäre formal dafür qualifiziert, hat er doch Jura in Harvard studiert.

Michelle Obama, Ex-First-Lady, Bestseller-Autorin, aber für viele vor allem: moralische Instanz Amerikas. Gerade hat die Washingtoner Bürgermeisterin Muriel Bowser sie mit anderen Prominenten wie dem Starkoch und Katastrophenhelfer José Andrés für ihren Beirat zur Wiederöffnung der Hauptstadt in der Coronakrise gewinnen können.

Unter der (überparteilichen) Führung von Barack Obamas ehemaliger Sicherheitsberaterin Susan E. Rice und Michael Chertoff, Ex-Heimatschutzminister unter Präsident George W. Bush, soll sie helfen, die Menschen bei der Rückkehr zur Normalität zu begleiten. In automatisierten Anrufen und Radiospots mahnt Michelle Obama, auf das Abstandhalten zu achten, zu Hause zu bleiben, und gibt Tipps, wo man sich im Notfall auf das Virus testen lassen kann.

Als sie Ende 2018 ihre Biografie „Becoming“ vorstellte, war der weltweite Rummel gigantisch, mehr als elf Millionen Exemplare wurden davon verkauft. Ihre Lesungen in vollgepackten Arenen ähnelten Popkonzerten. Ab 6. Mai zeigt der Streaminganbieter Netflix nun eine Dokumentation dieser Lesereise. Der Dokumentarfilm „American Factory“, an dem die zusammen mit ihrem Mann gegründete Produktionsfirma Higher Ground beteiligt ist, wurde im Februar mit einem Oscar ausgezeichnet. 2018 und 2019 wurde sie nach einer Umfrage von Gallup zu Amerikas meistbewunderter Frau gewählt.

In ihrem Buch erzählt sie ihre bewegte Geschichte: Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie in Chicago, sie ist Mädchen und sie ist schwarz. Wenn sie von den hypochondrischen Marotten des Bruders erzählt oder dem Arbeitsethos des kranken Vaters, dann pendelt sie mit beachtlicher Lakonie zwischen Komik und Pathos. Michelle Obama erinnert sich an ihre Jugend, an ihren Vater Fraser, von dem sie gelernt hat „hart zu arbeiten, viel zu lachen und immer Wort zu halten.“

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Sie erzählt, wie sie Rassismus in den eigenen Reihen erfahren hat: wie ihr als Kind von einem anderen afro-amerikanischen Mädchen vorgeworfen wurde, sie rede wie ein „weisses Mädchen“.

Ihr kometenhafter Aufstieg als Juristin bis in das Office im 45. Stock einer Kanzlei, und wie dort der süße Sommerpraktikant Barack Hussein Obama auftaucht. Es beginnt eine Liebesgeschichte, die auch als Liebesgeschichte erzählt wird, mit einer „eigentümlichen Hitze“, die ihr „das Rückgrat heraufkroch“.

Im zweiten Teil scheint ihr allmählich klar zu werden, mit wem sie es da zu tun hat. Nachts liegt er wach, starrt betrübt die Decke an. Und Michelle, in Sorge, fragt flüsternd: „Hey, du da drüben, worüber denkst du gerade nach?“ Worauf Barack „ein bisschen verlegen“ erklärt: „Ach, ich musste nur gerade an die Einkommensunterschiede denken.“

Dann kommt die Zeitenwende: Der erste schwarze Präsident im Weißen Haus, die erste schwarze First Lady. Zwei Menschen, super cool, mit Ivy-League-Lorbeeren geschmückte Weltverbesserer.

Michelle Obamas Autobiografie war am 13. November weltweit zeitgleich und in 31 Sprachen erschienen. Die deutsche Ausgabe (Goldmann Verlag) schob sich bereits wenige Stunden nach dem Verkaufsstart an die Spitze der Bestsellerliste. Auf 421 Seiten beschreibt die 54 Jahre alte Ehefrau von Ex-Präsident Barack Obama ihren Werdegang – von der Kindheit im rauen Süden Chicagos bis ins Weiße Haus.

Sie schreibt über persönliche Dinge, wie eine Fehlgeburt und Eheberatung. Dem amtierenden US-Präsidenten Donald Trump werde sie „nie vergeben“, dass er die Staatsbürgerschaft ihres Mannes angezweifelt und damit die ganze Familie in Gefahr gebracht habe.

In dem Buch berichtet Michelle Obama von den Tränen, die ihr kommen, wenn sie an das Gesicht ihrer Tochter hinter diesem Panzerglas denkt. Und dann der Glücksmoment, als 2017 alles vorbei ist und sie in dem neuen, dem eigenen Haus in Washington, D. C., ist. Einmal allein, Barack unterwegs und auch die Kinder außer Haus, keine Angestellten. Sie bastelt sich ein cheese sandwich, setzt sich auf die Stufen der Terrasse und haut rein.

Sie schreibt von ihrer Mühe, sich in der Rolle der First Lady zurechtzufinden, weil sie nicht genau wusste, was von ihr erwartet wurde und ob sie dem gerecht werden könnte: „Meinen weißen Vorgängerinnen hatte man eine gewisse Gunst entgegengebracht. Bei mir wäre es anders, das wusste ich. Ich stand am Fuß des Berges und musste meinen eigenen Weg hinauf finden, um das Wohlwollen der Menschen zu gewinnen“

Dem politischen Geschehen gibt sie immer wieder eine persönliche, menschliche Note. Sie erzählt, wie sie und die Queen nach einem Staatsanlass ein kurzes persönliches Gespräch hatten. „In diesem Moment waren wir nur zwei erschöpfte Frauen in drückenden Schuhen.“

Wie sie sich bis heute hinterfragt – und eine wichtige Erkenntnis in ihrem Leben auf den Punkt bringt: „Man muss erkennen, welche Herausforderung es darstellt, in Übereinstimmung zu bringen, wer man ist, woher man kommt und wo man hinwill.“

Es ist durchgesickert, dass auch diese Ehe ihre Holperstrecken hatte und dass die wundervollen Töchter mithilfe des Fortpflanzungslabors entstanden sind und jaja, immer wieder die Bemerkung, dass sie für eine Kandidatur für das Präsidentenamt nicht zur Verfügung steht. Joe Biden, es sieht stark danach aus, wird sich wohl eine andere suchen müssen für den Posten des Vize-Präsidenten, falls er gewinnen sollte. (mit dpa)

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