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Wege in die NormalitätDie Erkenntnisse aus der Pressekonferenz mit Armin Laschet

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Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spricht im Plenum des Landtages.

Düsseldorf – Der Virologe Hendrik Streeck von der Universität Bonn empfiehlt der schwarz-gelben Landesregierung von NRW, die Corona-Kontaktverbote schrittweise und kontrolliert zu lockern. Das sagte der Professor am Donnerstag bei der Vorstellung erster Zwischenergebnisse einer Studie, die die Verbreitung des Corona-Virus im besonders betroffenen Kreis Heinsberg dokumentieren soll.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erklärte, die Studie spiele bei den anstehenden Entscheidungen über eine Beendigung der Corona-Auflagen eine wichtige Rolle. „Wir müssen eine Lösung finden, wie wir Freiheit und Gesundheitsschutz besser in Einklang bringen können“, sagte der CDU-Politiker. Die Studie solle dabei helfen, eine Öffnungsstrategie für den Weg in eine „verantwortungsvolle Normalität“ zu entwickeln.

Keine schweren Krankheitsverläufe bei Kindern

Nächste Woche wollen die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über eine mögliche Lockerung der Kontaktverbote entscheiden. Laschet erklärte, bei der Öffnung von Schulen und Kitas setze er auf eine bundesweite Regelung. Das Forscherteam um Professor Streeck hält eine abgestufte Rückkehr in den Normalbetrieb für möglich. Schwere Krankheitsverläufe bei Kindern seien in Heinsberg nicht zu beobachten gewesen, hieß es. In Kitas und Schulen komme es darauf an, die Hygieneregeln einzuhalten und Risikogruppen zu schützen. Wenn Vorsichtsmaßnahmen eingehalten würden, seien Abiturprüfungen möglich. 

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Dem Gutachten zu Folge wird das Virus vor allem durch Tröpfchen übertragen. Deswegen sei die Ausbildung einer speziellen „Hustenetikette“ und die konsequente Einhaltung der Abstandsregeln der beste Schutz. Auch die Ansteckung durch Viren, die sich auf Oberflächen befänden, sei möglich, warnte Streeck. Allerdings könne die Übertragung verhindert werden, wenn die Viren nicht von den Händen an die Schleimhäute gelangten.

Lockerungen möglich, weil Bürger sich an Maßnahmen hielten

Es sei eine Frage der Übung, nicht an Mund, Nase und Augen zu kommen, ohne sich die Hände zuvor zu waschen. Die Schwere der Erkrankung hänge davon ab, wie hoch die Konzentration der Viren bei der Ansteckung sei, erklärte Streeck. Es sei daher um ein vielfaches gefährlicher, angehustet zu werden, als eine belastete Oberfläche anzufassen. 

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Streeck erklärte, eine Lockerung der Schutzmaßnahmen sei möglich, weil die Bürger sich an die Corona-Auflagen gehalten hätten. „Jetzt können wir in Phase zwei eintreten“, sagte der Virologe aus der Bundesstadt. Ministerpräsident Laschet erklärte, es sei vorstellbar, dass der „Lockdown“ zunächst für kleine Läden, in denen sich nicht viele Kunden drängeln würden, beendet werden könnte. Aber auch Autohäuser könnten möglicherweise schnell wieder öffnen. Dort sei genug Platz, um die Mindestabstände einhalten zu können.

Großeltern eventuell bis Ende des Jahres nicht mehr sehen

Der Schutz von vorerkrankten Personen und Senioren müsse auch im Fall von Lockerungen weiterhin höchste Priorität haben, hieß es. Martin Exner, Professor für Hygiene an der Uni Bonn, erklärte: „Es ist nicht auszuschließen, dass Enkel ihre Großeltern möglicherweise bis zum Jahresende nicht sehen dürfen.“ Das Tragen eines Mundschutzes sei in Altenheimen ganz besonders wichtig. Daher seien besonders in diesem Bereich Investitionen in Schutzmaterial notwendig.

An der Studie hatten zirka 1000 Einwohner aus 400 Haushalten teilgenommen. Es wurden Fragebögen erhoben, Rachenabstriche genommen und Blut auf das Vorliegen von Antikörpern getestet. Bei 15 Prozent der untersuchten Bürger konnte eine Infektion nachgewiesen werden. Diese hätten nun auch eine Immunität gegen das Virus ausgebildet, sagte Streeck. Der Prozess bis zum Erreichen einer „Herdenimmunität“ sei damit eingeleitet.

Kurve der Infektionszahlen flachen ab

Die Wahrscheinlichkeit, in Heinsberg an der Krankheit zu sterben, liegt der Studie zu Folge, bezogen auf die Gesamtzahl der Infizierten, lediglich bei 0,37 Prozent. Die in Deutschland derzeit von der amerikanischen Johns Hopkins University berechnete entsprechende Rate betrage 1,98 Prozent und liege damit um das Fünffache höher, sagte der Virologe.

Der Landrat des Kreises Heinsberg Stephan Pusch sagte, die restriktiven Schutzmaßnahmen zeigten Wirkung. Die Kurve der Infektionszahlen flache ab, weil die Politik rechtzeitig reagiert habe. „Der Kreis Heinsberg ist an einer riesengroßen Katastrophe vorbei geschlittert“, sagte der CDU-Politiker erleichtert.

Der Kreis Heinsberg gehört zu dem am frühesten und stärksten von der Corona-Pandemie erfassten Gebieten in Deutschland. In Gangelt wird zudem davon ausgegangen, dass ein Großteil der Infektionen schlagartig über eine Karnevalssitzung erfolgte, was Experten als sogenanntes „Superspreading-Ereignis“ bezeichnen. Eine Endfassung der Studie soll nach den Osterfeiertagen vorgelegt werden. 

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