Abo

Wenn die Kita nichts kostetZwei Städte in NRW bieten Gratis-Betreuung für Kinder an

Lesezeit 5 Minuten
5F98D000F30CD518

Viele Kinder bleiben auch zum Mittagessen im Kindergarten. Für die Eltern sind das zusätzliche Kosten. (Symbolbild)

Düren – Kölner werden es für Fake News halten: In Düren haben nicht nur 99,48 Prozent der Kinder über drei einen Kindergartenplatz. Vom kommenden August an ist die Betreuung der Kleinen (auch der Unter-Dreijährigen) in der 92.000-Einwohner-Stadt grundsätzlich kostenlos. Das kostet die Stadt rund 1,6 Millionen Euro pro Jahr – und das hat der Rat beschlossen, in dem SPD, FDP, Grüne und Linke die Mehrheit haben, Jamaika plus nennen sie das. Aber auch die CDU zog mit.

Andere wollen nachziehen

Und die Sache wirkt ansteckend: Der für die übrigen 14 Kommunen zwischen Titz und Heimbach zuständige Kreis Düren wolle nachziehen, kündigte Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) an. Ähnlich großzügig sind in NRW nur die Gemeinden Monheim und Düsseldorf (für Kinder ab drei).

Ana Jobes ist seit Jahren Leiterin des Familienzentrums Max und Moritz in Monheim, sie hat schon lange Erfahrung mit der Gebührenfreiheit. Und ist voll des Lobes für die kinderfreundliche Politik der Stadt: „Es wird zur größeren Selbstverständlichkeit, die Kita zu nutzen. Die Monheimer Eltern schätzen das Angebot – es wird als Werbung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewertet. Und als Werbung für ein modernes Familienbild“, sagt die Erzieherin. Als Ana Jobes das Familienzentrum in Monheim übernahm, umfasste es vier Gruppen, die Gemeinde Monheim war hoch verschuldet.

Kostengünstige Alternative

Inzwischen sind es neun Gruppen, 2012 wurde ein neuer Gebäudetrakt eingeweiht, die Zahl der Mitarbeiter hat sich vervielfacht.

„Für Kinder bis zehn Jahren ist jedwede Betreuung kostenfrei“, so Jobes, „die Stadt ist kinderfreundlicher als andere, das erfahren auch junge Familien, die sich Köln nicht leisten können und einen zentral gelegenen Lebensmittelpunkt suchen – und ziehen hierher.“

Auf diesen Impuls setzt auch Düren, wo emsig Grundstücke angeboten werden und die Einwohnerzahl stetig steigt.

Im Jugendamt des Mittelzentrums zwischen Köln und Aachen gingen zwar nach dem jüngsten Gratis-Beschluss kaum vermehrt Anmeldungen ein, aber dessen Leiter Ansgar Kieven bemerkt „eine allgemeine Erfreutheit in der Stadt“. Und warum kann Düren sich so viel Familienfreundlichkeit leisten? Anders als Monheim hat die Stadt nicht durch Dumpingpreise bei der Gewerbesteuer viele Unternehmen angelockt und so die Steuereinnahmen um einen zweistelligen Millionenbetrag erhöht.

Wenn es um Familien geht, sind sich alle einig

Düren hat über Jahre hinweg gekürzt und gespart. Seit 2006 gehörte die Stadt zu denen, die in der Haushaltssicherung standen – und durfte keinen Cent ausgeben für „freiwillige Leistungen“. „Es existierte aber ein seltener Konsens zwischen Rat und Verwaltung: Wenn man keine Hoheit über seinen Haushalt hat, kann man nicht gestalten. Wenn Kommunalpolitik nicht gestaltet, macht sie sich überflüssig“, sagt Stadtsprecher Helmut Göddertz. Auch Jugendamtsleiter Ansgar Kieven lobt den besonderen Dürener Geist: „Es herrscht in der Familienpolitik eine parteipolitische Einigkeit; und wir haben jedes Förderprogramm von Bund und Land genutzt, um Infrastruktur aufzubauen. Mit Erfolg.“ Es gibt mehr als 3000 Kita-Plätze.

Das könnte Sie auch interessieren:

2006, zu Beginn der Sparperiode, war eine Mehrheit von CDU und FDP am Ruder, die holte eine Unternehmensberatung mit an Bord. Göddertz: „Es haben in Düren alle ein gemeinsames Ziel gehabt, Rat und Verwaltung haben gut kooperiert und gemeinsam für die rigorosen Sparpläne geworben.“

Weniger Kosten durch Prävention

Den Weg zur Schuldenfreiheit markierte ein 50-Punkte-Programm. Düren hat Grund- und Gewerbesteuern erhöht, liegt damit jetzt im NRW-Durchschnitt. Und auf der anderen Seite wurden Zuschüsse bei Vereinen gekürzt, „aber ohne die für die Gemeinde lebenswichtigen Strukturen zu zerstören“, oder etwa in Energiesparmaßnahmen investiert – was jetzt ökonomisch fruchtet. Das städtische Ausländeramt wurde mit dem des Kreises fusioniert. Gleichzeitig hat Düren das Jugendamt personell verstärkt, um zu sparen. Wenn die Sozialarbeiter engeren Kontakt zu Problemfamilien haben, können sie früher eingreifen – und verhindern teure Heimeinweisungen. Prävention spart eben Geld.

Erhard Vanselow, Leiter des Dürener Finanzamtes, gibt allerdings auch zu, dass die inzwischen gut fließende Gewerbesteuer mithilft, die Etataussichten positiv zu gestalten. Und: Der vor einigen Jahren getätigte Beschluss des Landes, die Geldströme aus Düsseldorf nach anderen Kriterien auf Kommunen zu verteilen, war hilfreich – er trug dem Phänomen Rechnung, dass Düren doppelt so viele Sozialhilfeempfänger hat wie andere Orte seiner Größenordnung. Seit 2014 hat nun Düren einen ausgeglichenen Haushalt. Und muss jetzt keine Kita-Gebühren mehr erheben.

Das sieht im Landesdurchschnitt ganz anders aus. Eltern mit einem Durchschnittseinkommen (40.000 Euro) zahlen im statistischen Mittel für 45 Stunden Betreuung ihrer Sprösslinge knapp 110 Euro im Monat (Stand 2016) .

805 Euro für einen Kitaplatz

Köln (124 Euro), Bonn (128) und Kerpen (134) liegen etwas darüber. Dabei sind die regionalen Unterschiede enorm. Troisdorf beispielsweise bringt es in der Statistik des Bundes der Steuerzahler NRW auf den Rekordwert von 805 Euro im Monat für U3-Kita-Betreuung – allerdings gilt der Satz nur für Spitzenverdiener (mehr als 100.000 Euro).

Ein beachtlicher Anteil der Städte hat eine Beitragsfreiheit für Familien mit einem Jahres-Einkommen bis zu 20 000 Euro beschlossen. In einigen Städten liegt die Grenze höher – wie in Münster (37 000). Köln dagegen kassiert bei weit niedrigeren Jahreseinkommen (ab 12700) bei den Eltern ab. Nur das letzte Jahr vor der Schule ist in NRW für alle Kinder gratis: Das Land übernimmt die Kosten. Alle Vorstöße, hier mehr zu investieren, scheiterten bislang im Landtag.

KStA abonnieren