Wer darf aufs Gymnasium – wer nicht?NRW-Schulministerium überdenkt Lehrerempfehlung

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Die verbindlichen Grundschulempfehlungen in NRW könnten wieder eingeführt werden, bislang entscheiden die Eltern.

Die verbindlichen Grundschulempfehlungen in NRW könnten wieder eingeführt werden, bislang entscheiden die Eltern.

Köln – Der Februar ist der „Monat der Auslese“, so empfinden es viele Viertklässler und Eltern. Denn dann stellt sich heraus, wie es nach der Grundschule weitergeht. Viele Eltern setzen alles daran, dass die Kinder es aufs Gymnasium schaffen. Auch Kinder mit eingeschränkter Empfehlung werden oftmals an Gymnasien angemeldet. Darunter sind zudem solche, welche die Lehrer gänzlich für diese Schulform ungeeignet halten.

Rückkehr zur verbindlichen Empfehlung?

In den Klassen fünf, sechs und sieben wird oft weiter ausgesiebt, sodass Kinder sitzenbleiben oder, im schlechtesten Fall, die Schule wieder verlassen müssen. Nach Meinung der Schulleiter betrifft dies zu viele Kinder. Deshalb fordern sie eine Rückkehr zur verbindlichen Empfehlung für Viertklässler. Und genau darüber denkt auch die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) im Rahmen ihres Masterplans für Grundschulen nach. „Allerdings ergebnisoffen“, wie es auch dem Ministerium hieß.

Eine Entscheidung, ob es bald wieder eine verbindliche Schulempfehlung durch Lehrer gibt oder nicht, ist also noch nicht gefallen. Zu viele Komponenten sind hierbei zu berücksichtigen. Vor allem der Elternwille sei ein sehr hohes Gut, so die Ministerin. Und gerade als Liberale tue sie sich schwer, diesen individuellen Wunsch einzuschränken, erklärte sie dieser Zeitung.

Alles zum Thema Jochen Ott

Die verbindliche Schulempfehlung war von Rot-Grün kassiert worden. Der Elternwille ist seitdem entscheidend, obwohl es eine Schulempfehlung nach wie vor gibt. Seitdem steigt die Zahl der Schüler, die das Gymnasium zum Ende der Erprobungsstufe nach der sechsten Klasse verlassen müssen. Waren es 2011 noch rund knapp 2190, waren es im Jahr 2016 bereits 2770 Abbrecher. Allerdings gibt es keine Statistik darüber, ob es sich hier um Schüler mit eingeschränkter Gymnasialempfehlung oder gar ohne eine solche handelt. Vor allem ist es auch denkbar, dass die Zahlen wegen des vekürzten Abiturs (G8) gestiegen sind.

Der Masterplan

Das schlechte Abschneiden der Grundschüler in NRW im Vergleich mit anderen Bundesländern hatte Schulministerin Yvonne Gebauer zum Anlass eines Masterplans genommen, durch den die Kernfächer Mathematik und Deutsch gestärkt werden. Das Maßnahmepaket soll auch dazu dienen, den Lehrermangel zu beheben.

Für die NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Dorothea Schäfer, ist eine Rückkehr zur verbindlichen Grundschulempfehlung ohnedies ein Rückschritt. „Wir erinnern uns als GEW NRW ungern an die Zeit der verbindlichen Grundschulempfehlung aus den Jahren 2006 bis 2010.

Der damals eingeführte dreitägige Prognoseunterricht für Kinder, deren Eltern eine andere Schulform wählen wollten, war ein untaugliches Instrument, hat viele Kinder unnötig belastet und war darüber hinaus in seiner Aussagekraft fragwürdig“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zumal sich viele Eltern ohnehin an die Empfehlung der Grundschule halten würden. Die Quote der Sitzenbleiber sei in den Jahren 2005 bis 2010 eher größer gewesen als danach. Zudem gebe es Untersuchungen, dass auch Kinder mit Gymnasialempfehlung am Gymnasium scheitern.

Festgelegtes Alter halten viele für zu früh

Die Selektion der Kinder nach der vierten Klasse halten viele für zu früh. Zumal der Druck nicht unbedingt nachlässt, wenn der Wechsel aufs Gymnasium geschafft ist. Die GEW-Landesvoritzende sagt, bei vielen Kindern sei es einfach zu früh, im Alter von 9,5 Jahren über den möglichen schulischen Bildungsgang zu entscheiden.

Auch im Schulministerium wird man über die Frage diskutieren, ob die Übergangsquote von Grundschule zum Gymnasium wieder steigen wird, wenn es wieder überwiegend G9 geben wird. „Der enorme Druck wird vor allem aus den unteren Klassen genommen, dadurch, dass mehr Zeit zur Verfügung steht“, sagt Schäfer. Auch der schulpolitische Sprecher der SPD, Jochen Ott, glaubt, dass „die Wiedereinführung des verbindlichen Schulgutachtens keine Probleme löst.“ Ein längeres gemeinsames Lernen würde solche Gutachten überflüssig machen.

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