Zwangsrekrutierung?NRW-Gesundheitsminister wirbt für umstrittenes Epidemiegesetz

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Kliniken erhöhen ihre Beatmungskapazitäten.

Kliniken erhöhen ihre Beatmungskapazitäten.

Düsseldorf – Im Streit um das umstrittene Epidemiegesetz, das am kommenden Donnerstag im NRW-Landtag verabschiedet werden soll, wird Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in einem Brief an den NRW-Landtag noch einmal um Zustimmung werben. Das Gesetz sei zur Bewältigung der Corona-Krise dringend nötig.

Laumann führte drei Bereiche an, „wo das doch sehr deutlich wird.“ Die Märkte für Schutzmaterial seien nicht mehr existent. „In einer solchen Situation muss ein Land in der Lage sein zu wissen, wo was liegt in NRW“, sagte Laumann am Freitag in Düsseldorf. Das Land müsse auch erfahren, „wo es außerhalb der Krankenhäuser noch Beatmungsgeräte gibt.“ Mit dieser Erhebung könne man nicht erst beginnen, „wenn der Peak da ist. Das ist nicht verantwortungsvoll.“

Laumann: „Wir haben in Deutschland schon 2000 infizierte Ärzte“

Das Gesundheitsministerium werde sich nicht in die medizinische Behandlung einmischen, müsse aber im Notfall durchsetzen können, dass bestimmte Kliniken ausschließlich Covid-19-Patienten behandeln. „Als letztes Mittel muss ich auch die Versorgung der Menschen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sicherstellen“, sagte Laumann. Das Gesetz sei so angelegt, dass der Paragraf 15 nur zur Anwendung kommen kann, „wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind. Natürlich geht die Freiwilligkeit vor der Verpflichtung“, aber auch in NRW sei das medizinische Personal doppelt so viel von Infektionen betroffen wie der Rest der Bevölkerung. „Wir haben in Deutschland schon 2000 infizierte Ärzte.“

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Bei der Pandemie in ausländischen Gesundheitssystemen habe man zudem gesehen, dass „auch die Freiwilligen irgendwann emotional und körperlich nicht mehr können.“ Dann müsse eine Regierung in der Lage sein, „andere zu verpflichten, um sie abzulösen“. Er halte das Parlament von NRW „in jeder Krisensituation für handlungsfähig“. Wenn eine Pandemie vom Parlament nicht vorab festgestellt sei, „geht gar nichts“, so der Gesundheitsminister. Es könne den Pandemiefall jederzeit für beendet erklären. Beim Epidemiegesetz könne man nicht „mal ein bisschen verhandeln“ und sich dann in der Mitte treffen. Es ginge darum, dass „eine Situation eintritt, in der es nur darum geht: Ist es notwendig oder nicht?“, so Laumann. „Wer hätte vor einem Vierteljahr gedacht, dass die Märkte für Schutzmaterial zusammenbrechen?“

NRW-Fachverband der Neurologen, Nervenärzte und Psychiater hält dagegen

Nach Ansicht des Fachverbands der Neurologen, Nervenärzte und Psychiater in NRW geht das geplante Epidemiegesetz in die falsche Richtung. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kritisieren die Ärzte, dass in der Corona-Krise ausgerechnet noch mehr Vertreter der Berufsgruppen, die schon jetzt zum Teil ohne ausreichenden Schutz arbeiten, „zwangsrekrutiert und an die Front geschickt werden“. Diese Maßnahme treffe „auf breites Unverständnis“.

Die Krankenhäuser hätten die Beatmungskapazitäten „mit größter Anstrengung trotz Personalknappheit erheblich erhöht“, die vielen niedergelassenen Ärzte hielten vier Fünftel aller Corona-Patienten aus den Krankenhäusern fern und versuchten „nebenbei noch irgendwie, die Versorgung der Nicht-Corona-Patienten aufrechtzuerhalten“, heißt es in dem Brief, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. „Die Politik ist schlecht beraten, diese Motivation durch vorschnelle und kontraproduktive Gesetze zu brechen“, heißt es weiter.

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