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Professor Dülls kleine PflanzenkundeKnabenkraut galt als Potenzmittel

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Schön anzusehen ist die Schmetterlingsorchidee, die in vielen Wohnzimmern blüht. (Bild: Düll)

Schön anzusehen ist die Schmetterlingsorchidee, die in vielen Wohnzimmern blüht. (Bild: Düll)

Kreis Euskirchen – Diese Geschichte beginnt mit der griechischen Herkunft des Namens: Orchis. Er bedeutet Hoden. Und beruht auf dem Umstand, dass die in Blüte stehenden Knabenkräuter eine Doppelknolle (eine alte und eine neue) besitzen. Sie enthalten ein schleimiges Kohlenhydrat. Deshalb und wegen der Ähnlichkeit mit Hoden gelten die Knollen der Orchis-Arten seit alter Zeit als Aphrodisiakum.

Auch die Anhänger der mittelalterlichen Signaturenlehre glaubten an diese Liebesdroge. Immerhin ein harmloser, rein psychisch wirkender Vorläufer von Viagra. Darüber hinaus liefert der Knolleninhalt eine wertvolle Schleimdroge („Tubera Salep“). Das gilt besonders für das in der Eifel noch nicht seltene Manns-Knabenkraut.

Heutzutage wird die Droge vor allem aus Griechenland und der Türkei eingeführt. Dadurch sind dort die Bestände durch starkes Sammeln zum Teil bedroht. Die Familie der Orchideen, zu deutsch Knabenkräuter, umfasst geschätzte 20 000 Arten. Ihre überwiegende Zahl wächst in den Tropen und Subtropen. Der Laie kennt meist nur die großblumigen tropischen Arten. Sie und besonders deren Zuchtformen sind wegen ihrer prächtigen Blumen inzwischen beliebte und oft dankbare Zimmerpflanzen, allen voran die der Schmetterlingsorchidee (Phalaenopsis).

Sie leben in den tropischen Wäldern auf Bäumen, sind also Überpflanzen (Epiphyten). Dicke Speicherorgane in Wurzeln und Stängeln befähigen sie, auch Trockenzeiten zu überstehen. Als Ausnahme sind die kultivierten, tropischen Frauenschuh-Verwandten (Paphiopedilum usf.) in ihrer Heimat Waldbodenbewohner. Millionen von Liebhabern sichern das Einkommen einer ganzen Blumenindustrie. So werden auch die Orchideen ganzer Tropenwälder geplündert und per Luftfracht zu uns gebracht. Schließlich wird die echte Vanille aus den fermentierten Früchten einer großflächig angebauten Tropen-Orchidee, der Vanilla planifolia, gewonnen.

In NRW kennt man 42 Orchideen-Arten, und davon gedeihen etwa drei Viertel im Kreis Euskirchen. Mehr als die Hälfte gehören bei uns zu den vom Aussterben oder mindestens sehr gefährdeten Arten. Die meisten Orchideen beherbergen die Kalkgebiete, besonders die als Naturschutzgebiete ausgewiesenen Trockenrasen. Sie sind durch regelmäßige Schafbeweidung in Jahrhunderten entstanden, also kulturelle Zeugen unserer Landschaftsgeschichte.

Schwach giftig, wie alle Orchideen, werden sie vom Vieh gemieden. Die Nutzung als Weidefläche ist Voraussetzung für die Erhaltung der Knabenkräuter. Übrigens ist es schon ein Kuriosum, dass uns Bürgern - im Gegensatz zu den Schafherden - das Betreten der Schutzflächen untersagt ist. Während der Blütezeit wäre dies sicher zum Wohle dieser geliebten und begehrten Pflanzen. Ausgraben ist jedenfalls strafbar, wie sogar die Einfuhr in Deutschland geschützter Arten. Leider stehen unsere Naturschutzgesetze schon wegen der ungenügenden allgemeinen Artenkenntnis meist nur auf dem Papier.

Entgegen landläufiger Vorstellung sind viele Orchideen unscheinbar, z. B. die braune Vogelnestwurz (Neottia), ein Waldbewohner und Vollschmarotzer. Auch die grünen Orchideen lassen sich durch einen in ihren unterirdischen Teilen lebenden Pilz „bedienen“, sind also Halbschmarotzer. Alle Orchideen zeichnen sich durch winzige, wenige tausendstel Milligramm schwere und so enorm weit flugfähige Samen aus. Sie bergen nur einen wenigzelligen Keimling und enthalten keine Reservestoffe.

Deshalb können sie nur mit Unterstützung eines speziellen Pilzes zur Keimung gelangen.

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