Cordula StratmannHilfe, mein Kind ist unbeliebt!

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Cordula Stratmann

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Köln – Liebe Frau Stratmann, es ist die Horrorvorstellung vieler Eltern: Niemand mag unser Kind. Was kann man tun, um zu helfen?

Ihre Redaktion

Von den Situationen, die für Eltern nur schwer zu ertragen sind, gehört die Unbeliebtheit des eigenen Kindes ganz sicher unter die erstgenannten. Wir sind mit unserem Kind so eng verbunden, dass jede Kränkung, die es erfährt, sich anfühlt, als seien auch wir gekränkt worden. Daraus erwächst nicht selten für das Kind direkt der Druck, nicht allein für sich selbst, sondern ebenso für die Eltern möglichst alles richtig machen zu müssen, um eben die notwendige Beliebtheit zu erreichen. Weil Mama und Papa sich stets mit allem, was ihnen widerfährt, so identifizieren.

„Kinderkram – Fragen an Cordula Stratmann“ heißt die Kolumne, in der die Kölner Schauspielerin und Familientherapeutin in loser Folge Fragen der Redaktion aus dem ganz normalen Familienwahnsinn beantworten wird.

Cordula Stratmann, geboren 1963, studierte nach dem Abitur Sozialarbeit an der Katholischen Hochschule in Köln. Während ihrer Arbeit in der Familienberatungsstelle des Jugendamts in Pulheim ließ sie sich in systemischer Familientherapie ausbilden. 1992 spielte sie auf einer Karnevalssitzung erstmals die Figur Annemie Hülchrath, mit der sie bis 2008 regelmäßig in der WDR-Sendung „Zimmer frei“ auftrat.

2005 wurde sie mit dem Deutschen Comedypreis und dem Deutschen Fernsehpreis bedacht. Es folgten die Goldene Kamera und der Bayerische Filmpreis. Zuletzt war sie in Olli Dittrichs Comedy-Show „Frühstücksfernsehen“ (ARD) zu sehen. Gerade erschienen ist ihr Roman „Danke für meine Aufmerksamkeit“ (Kiwi, 15,99 Euro). (ma)

In der oben genannten Frage tummeln sich viele Fallstricke, die im Miteinander von Eltern und Kindern naturgemäß vorhanden sind. Das ist zum einen die Versuchung, dass wir Großen unser Schicksal mit dem der Kleinen verwechseln und uns damit selbst direkt aus der Kurve schmeißen, wenn wir unser Kind trösten sollen. Das geht nämlich dann nicht mehr, wenn das Problem des Kindes sogleich zu unserem eigenen wird. Dann muss plötzlich das Kind seine Eltern trösten. Und bleibt mit seinem Kummer allein. „Mein Kind ist unbeliebt“ – das ist auch erst mal ein Brocken, den man sich direkt zur Verkleinerung vornehmen muss. Grundsätzlich sind alle Feststellungen, die uns oder unserem Kind einen Schrecken einjagen, in ihre Einzelteile zu zerlegen. Die Situationen, Gefühle, Bewertungen, die unsere Kinder mit nach Hause bringen, setzen sich immer aus vielen Faktoren zusammen. Und immer wieder gilt es, diese herauszufinden.

Individuen erkennen

Ich stelle mir hier jetzt mal ein Schulkind vor, das wiederholt traurig aus der Schule heimkommt: Woran ist die Unbeliebtheit zu merken, wie zeigt sie sich? Wer genau mag das Kind nicht? Achtung! Die Antwort „Keiner mag mich“ ist eine Selbstwertfalle und schwächt nur! Also noch einmal: Wer genau? Wie heißen die konkreten Nicht-Möger? Was genau mögen die an dir nicht? Weißt du das? Wie findest du die Genannten eigentlich selbst? Von wem glaubst du, dass er dich mag?

Noch einmal Achtung bei der Selbstwertfallen-Antwort: „Niemand.“ Helfen Sie Ihrem Kind, die Klasse als eine Zusammensetzung von 20 oder 30 – wie viele auch immer – Individuen zu sehen! Das ist keine Masse mit einer Stimme! Immer, wenn man genauer hinschaut, sieht man mehr! Wer außer dir mag sich noch so fühlen wie du? Wen magst du gut leiden in der Klasse? Wie ist dein Kontakt zu dem/der? Was hat der/die, das du magst? Sobald wir unserem Kind solche Fragen stellen, die aus dem Problemklotz eine Geschichte mit verschiedenen Kapiteln machen, helfen wir ihm heraus aus dem Gefühl, dem Problem ausgeliefert zu sein. Noch etwas müssen wir Eltern uns mit unserem Kind genauer anschauen in dieser Situation: Mein Kind kann tatsächlich ein Verhalten haben, das andere zunächst einmal mehr abstößt als anzieht.

Sind Superlative wirklich wichtig?

Hierzu fällt mir als ein Beispiel der „Klugscheißer“ ein. Solche Kinder nerven. Wenn wir ehrlich sind, auch uns. Dann heißen die Fragen, die zur Verbesserung wichtig sind und an uns selbst gehen: Warum muss mein Kind so häufig sein Wissen unter Beweis stellen? Woher kommt der Druck, es den anderen zeigen zu wollen? Warum hat es bei uns gelernt, dass es sich anstrengen muss, um gesehen zu werden? Ist es sich unserer Liebe und Anerkennung nicht sicher? Wird man in unserer Familie einfach so liebgehabt oder ist es dafür wichtig, gute Ergebnisse vorzulegen? Indem man zum Beispiel der Schlaueste, der Bravste oder der Sportlichste ist? Ist es in unserer Familie gut, wenn man mindestens einen Superlativ in der Tasche hat?

Alle Ausstattung, sich da draußen zu verhalten, erhalten unsere Kinder bei uns zu Hause. Rechthaberei, Gehässigkeit, Schadenfreude, Neid, diese Zustände schauen sich unsere Kinder nicht bei anderen ab, wie wir das so gerne hätten, nein, das tragen sie von innen nach außen. Die Richtung geht vom Zuhause in die Welt, nicht umgekehrt. Ein Kind, das zu Hause Mitgefühl kennenlernen kann, wird eventuell eine Weile fasziniert sein von jemandem, der über die Grenzen der anderen hinwegtrampelt, danach wird es aber wieder zu dem zurückkehren, was sich besser und vor allem vertrauter anfühlt: dem Mitgefühl.

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