132 km/h, Kunststoff-SplitterRechtsmediziner warnen vor beliebten „Nerf-Waffen”

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Sind Nerf-Pistolen ein Fall für das Waffengesetz? Eine neue Studie wirft Fragen auf.

  • „Nerf“-Gewehre und Pistolen von Hasbro und anderen Herstellern erobern seit einigen Jahren deutsche Märkte und Kinderzimmer.
  • Bislang wurden die Produkte vor allem aus pädagigischen und psychologischen Gründen infrage gestellt.
  • Eine neue Studie aus Düsseldorf allerdings kommt zu dem Ergebnis, dass durch Spielzeugwaffen echte Verletzungen am Auge entstehen können – mit unklaren Langzeitschäden.

Fußball, Malkasten, Pistole. Die Ausstattung vieler deutscher Kinderzimmer hat sich durch den Trend zu „Nerf-Blastern“ in den vergangenen Jahren stark verändert. Selbstverständlich handelt es sich bei den Plastikpistolen nicht um echte Waffen. Eine Forschungsgruppe aus Düsseldorfer Rechtsmedizinern allerdings sieht in den Spielzeug-Geschossen eine tatsächliche Gefahr.

Die vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie der Rechtsmediziner wirft neue Fragen zur Sicherheit der scheinbar harmlosen Spielzeuge auf. Sie kommt zu dem Schluss, dass die „von Geschossspielzeugen ausgehenden Gefahren für das Auge unterschätzt“ werden und „Langzeitfolgen der möglichen Verletzungen nicht abzusehen“ sind.

Pädagogische Bedenken gibt es schon länger

Aus pädagogischen Gründen gab es schon in der Vergangenheit immer wieder Bedenken – bei Eltern und Psychologen. So erklärte Christian Gutschi, Psychologe für Kinder und Jugendliche, schon vor zwei Jahren: „Bei Kindern können Waffen durchaus ein Verstärker von mangelnden emotionalen oder verbalen Ausdrucksfähigkeiten sein.“ Insbesondere bei Jungs sei das Spielen mit Waffen problematisch: „Wenn Eltern ihre Kleinen unreflektiert mit Waffen spielen lassen und dies durch ihre Haltung auch noch verstärken, fördert das klischeehaft typische Männlichkeitsbilder.“

Auch in der aktuellen Studie wird die Befürchtung geäußert, Nerf-Blaster könnten die „Toleranz für Waffen“ stärken, „was einen späteren Umgang mit Druckluft- oder Feuerwaffen begünstigen könnte.“ Vor allem aber geht es den Wissenschaftlern um unmittelbare gesundheitliche Schäden, die durch Schüsse ins Auge ausgelöst werden.

Schwere Verletzungen am Auge offenbar möglich

Die Autoren untersuchten verschiedene Waffen unterschiedlicher Hersteller. Mit Testschüssen unter Laborbedingungen wurden Geschwindigkeit, Gewicht der Pfeile und Bälle und die Trefferfläche analysiert. Das Ergebnis: Einblutungen in die vordere Augenkammer, Kratzer und Ödeme auf der Hornhaut sowie Schädigungen der Netzhaut sind bei entsprechenden Treffern nicht unwahrscheinlich.

Mit ihren Befürchtungen sind die Wissenschaftler nicht alleine: Schon im vergangenen Jahr nahm die Verbraucherschutzorganisation „W.A.T.C.H.“ das Modell „Nerf Ultra One“ aufgrund von Gefahren für das Auge in ihre Liste mit dem Titel „10 worst toys“ auf.

Kunststoff-Splitter können in die Haut eindringen

Mit den Pistolen von Nerf, dem X Shot Blaster und der Gapola Armbrust war durch die gerade Flugbahn der Geschosse ein meterweites Zielen möglich, so das Ergebnis der Studie. Bei diesen Waffen könnte also eine hohe Gefahr für gezielte Schüsse ins Auge liegen.

Bei anderen Produkten, beispielsweise der Armbrust des Herstellers Kings Sport, wurden weitere Probleme identifiziert. Die Forscher stellten fest, dass der angebaute Laser-Aufsatz gefährlich für die Retina sein kann. Außerdem seien Vorrichtungen dieser Art laut Waffengesetz in Deutschland nicht zulässig.

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In zwei Fällen kam es beim schiefen Auftreffen von Projektilen zu einem Aufplatzen der Geschosse, bei dem scharfkantige Splitter aus festem Kunststoff entstanden sind. Das spreche für den enormen Druck, der wirkt, wenn das Geschoss mit einer Kante aufschlägt. Durch Zersplitterungen wie diese könne das „Eindringen in die Haut“ nicht ausgeschlossen werden.

Ein Fall für das Waffengesetz?

Einen weiteren Kritikpunkt stellen Tuning-Sets dar. Unter das Waffengesetz fallen Nerf-Blaster nicht, weil sie weniger als 0,5 Joule Energie erzeugen. Tuning-Sets mit stärkeren Federn allerdings helfen dabei, diesen Wert für das eigene Spielzeug deutlich zu erhöhen. Sie lassen sich recht einfach kaufen und mit „handelsüblichem Werkzeug und ein wenig Geschick verbauen“, so die Studie. Es sei „davon auszugehen, dass ungeprüfte Modelle im Umlauf sind“, welche „die Energiegrenzwerte der Spielzeugrichtlinie übersteigen und eine besondere Gefahr für die Augen darstellen.“

Die Untersuchungen führen die Studienautoren zu der Frage, ob Geschossspielzeuge überhaupt eine Daseinsberechtigung haben. Eine explizite Empfehlung geben die Autoren nicht. Ob auf die Erkenntnisse der Studie dennoch politische Einschränkungen oder Verbote folgen, bleibt abzuwarten.

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