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Babyboomer-GenerationEhrlicher, mutiger, mehr Sex – 50 sein ist gar nicht so schlimm

Lesezeit 7 Minuten
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Barbara Lueg und Christiane Hastrich, beide Jahrgang 1965, erzählen in ihrem Buch vom Leben ab 50.

Köln – Falten sind nicht mehr zu übersehen, Kinder ziehen aus, Eltern sterben, Beziehungen scheitern: Das Lebensjahrzehnt zwischen 50 und 60, in dem sich die so genannten Babyboomer, immerhin 40 Prozent der Deutschen, gerade befinden, ist unbestritten eine Zeit der Einschnitte.

Aber sie steckt auch voller Möglichkeiten und spannender Veränderungen, sagen Christiane Hastrich und Barbara Lueg. In ihrem klugen, unterhaltsamen Buch „Das Schönste an uns sind wir“ blicken sie ohne Scheu, aber mit Humor und Ehrlichkeit auf das Leben mit 50. Sie lassen viele Frauen selbst erzählen und Experten zu Wort kommen. Berichten aber vor allem ganz persönlich, warum diese Zeit eine so besondere ist. Ein Gespräch.

50 ist das neue 40, sagt man heute – diese als erschreckend empfundene Grenze zum Altwerden. Haben Sie das auch mal gedacht?

Barbara Lueg: Wir sind in die 50 mehr so reingestolpert. Unsere Erkenntnis ist aber, dass dieses Jahrzehnt ein völlig unterschätztes ist. Eines der großen Abschiede und der neuen Freiheiten. Vor allem eins der großen Zufriedenheit. Wir glauben aber auch, dass man ehrlich auf dieses Alter schauen muss.

Christiane Hastrich: Dass 50 die neue 40 oder sogar 30 ist, stimmt einfach nicht. Auch wenn man jugendlich sein will, ist es eine Tatsache, dass man altert. Und zwar innen wie außen. Botox für die Organe gibt es nun einmal noch nicht. Man muss sich fit halten, um länger schön und lebendig zu bleiben. Das Aussehen ist ja aber nur ein Teil der Persönlichkeit.

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Das so zu sehen, ist sicher nicht immer leicht – in einer Gesellschaft, die einem stetig suggeriert, dass man schön sein muss, um nicht unsichtbar zu werden, oder?

Hastrich: Tatsächlich ist das am Anfang ein Schock. Fakt ist: Man wird älter. Und auch weniger schön. Und gefühlt altert man ja quasi über Nacht. Plötzlich sieht man sich im Spiegel und sagt: Oh Gott, bin ich das?! Dann stellt man fest, dass einen die anderen Leute im Bus nicht mehr angucken, sondern sogar überlegen, ob sie aufstehen und einem den Platz anbieten. Das ist natürlich ein ganz schreckliches Gefühl, aber da muss man eben durch. Es ist doch ein Privileg, dass man ab einem gewissen Alter sehen kann, was man erlebt hat.

Lueg: Es ist ein Prozess, sich diese Veränderung einzugestehen. Und es hilft, weniger nach außen und mehr nach innen zu gucken.

Sie schreiben im Buch so schön: „Wir sind ja mittendrin. Und fühlen uns manchmal präsenter denn je.“ Was ist so schön daran, über 50 zu sein? Warum fühlen Sie sich so präsent?

Lueg: Wir finden, es ist ein schönes Jahrzehnt - weil es das ehrlichste ist, das man im Zuge des Lebens bis dahin hatte. Man darf sich neu erfinden, mit Routinen brechen, sich neue Ziele setzen. Und man geht auch ehrlicher mit den Brüchen und Blessuren in der eigenen Biografie um. Und stellt sich der eigenen Geschichte. Wir haben den Eindruck, dass die eigene Individualität wieder sichtbar wird. Das sich Persönlichkeiten verdichten. Und man sich in seiner Haut einfach wohlfühlt.

Hastrich: Und dass diese innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit zurückkehrt, die man in dieser anstrengenden Phase zwischen 30 und 50 vielleicht nicht hatte, weil alle an einem herumgezerrt haben. Wenn man 50 ist, kann man loslassen.

Im Alter zwischen 50 und 60 gehen die Kinder langsam aus dem Haus. Was auch bedeutet, dass sich die Rollen verändern. Wie haben Sie das erlebt?

Hastrich: Wenn man kleine Kinder hat, dreht sich alles um sie. Das verändert sich nun, die Rollenverteilung entzerrt sich. Und man muss lernen, loszulassen. Wenn die Kinder aus dem Haus gehen, empfinden das viele Frauen als große Leere. Man spricht dann vom Empty Nest Syndrom. Mütter müssen erst wieder spüren, wer sie sind und wo ihre eigene Reise hingeht.

Ist das auch der Moment, in dem man seine Partnerschaft genau unter die Lupe nimmt?

Hastrich: Wenn die Kinder weg sind, bleibt nur noch die Beziehung übrig. Wenn man die nicht rechtzeitig gepflegt hat, steht man oft mit leeren Händen da. Viele Frauen um die 50 merken, dass sie selbst als Typ auf der Strecke geblieben sind und beginnen, ihre Beziehungen zu hinterfragen. Aber man weiß in dem Alter auch, dass man eben nicht um jeden Preis zusammen bleiben muss. Sondern man kann auch mutig genug sein, sich vielleicht neu zu orientieren.

Haben Sie das Gefühl, viele sind mutig?

Lueg: Ja, ich finde schon. Den Frauen, mit denen wir gesprochen haben, merkt man an, dass sie nicht mehr diese Sicherheit einer langfristigen Beziehung brauchen. Dass viele mit dem alleine sein gut zurechtkommen. Die sogar froh sind, dass sie nicht mehr so viele Kompromisse machen müssen. Diese Frauen fühlen sich nicht durch den Partner vollständig, sondern in einer schönen Art und Weise auch alleine komplett.

Man erwirbt also eine Art Weisheit über sich selbst?

Lueg: Absolut. Die Leute haben einen ehrlichen Blick auf ihr Leben. 

Bleiben wir noch beim Zwischenmenschlichen. Statistisch ist es so, dass mit 50 die Häufigkeit, Sex zu haben, noch einmal zunimmt. Anders als viele vermuten würden…

Lueg: Wir haben den Eindruck, dass Frauen in dem Alter sehr befreit aufschlagen, was das Thema betrifft. Und es gibt nichts, was es nicht gibt. Ob es nun Vibratoren, Swinger-Clubs oder ungewohnte Praktiken sind.

Hastrich: Und man muss sagen, dass Frauen in zunehmendem Alter eher und leichter Orgasmen haben als Männer. Das entwickelt sich fast gegenläufig. 

Lueg: Aber man muss auch erwähnen, dass es Paare in diesem Alter gibt, die sich in freundschaftliche Beziehungen umgewandelt haben. Manche haben einfach überhaupt keinen Sex mehr. Und vermissen es vielleicht auch nicht.

Gehen Männer eigentlich anders mit dem Älterwerden um?

Hastrich: Ältere Männer finden sich viel länger attraktiv, schön und begehrenswert.

Lueg: Ich glaube, dass sie mehr Zuckerguss über ihre eigene Geschichte werfen. Sie machen es schöner als es ist. Sie wollen nichts von dem wissen, was sich medizinisch ab Mitte 40 ändert. Ich glaube, dass Frauen da einfach ehrlicher sind.

Hastrich: Ein Mediziner hat uns gesagt, dass Männer auch erst dann zu ihm kommen, wenn sie merken, dass der Stoffwechsel nicht mehr so gut funktioniert. Wenn sie Erektionsstörungen haben. Und er erkläre ihnen immer, dass wenn sie sportlicher wären, es im Bett auch wieder besser klappen würde. Und das sei für viele Männer der ausschlaggebende Punkt, sich anzustrengen.

Ob Frau oder Mann, Fakt ist schon, dass im Leben nicht mehr alles möglich ist. Sind Sie darüber nicht manchmal traurig?

Lueg: Rein statistisch haben Frauen, die 50 werden, noch 34 Jahre zu leben. Das nagt an uns allen. Mit dieser verrinnenden Lebenszeit muss man sich natürlich auseinandersetzen. Aber die Konsequenz daraus ist, dass man die Zeit intensiver nutzt. Und schaut, welche Menschen man um sich haben will. Was einem wichtig ist.

Hastrich: Viele Frauen stellen zum Beispiel fest, dass sie gerne etwas Neues beginnen wollen. Sie engagieren sich verstärkt ehrenamtlich, machen eine Yoga-Ausbildung oder entdecken das Fasten-Wandern für sich. Es gibt viele Möglichkeiten, sich außerhalb des Arbeitslebens neu zu orientieren.

Ihr Fazit, was das Leben ab 50 betrifft?

Hastrich: Jede von uns hat es in der Hand, das Beste daraus zu machen. Das Morgen kann kurz sein.

Lueg: Wir hauen das Geld raus und schieben nichts mehr auf [lacht]. Und auf den Partys, die wir feiern, wird auch wieder bis morgens um 5 Uhr getanzt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Buchtipp:Barbara Lueg/Christiane Hastrich Das Schönste an uns sind wir – Was uns ab 50 bewegt und beflügelt, Eisele Verlag, 2018 

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