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Bis nichts mehr gehtWieso es auch im Privatleben zum Burnout kommen kann

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Druck und Stress in den eigenen vier Wänden: Der gefürchtete Burnout trifft nicht nur überforderte Arbeitnehmer.

Hamburg – Überforderung, keine Perspektive auf Besserung und keine Wertschätzung aus dem Umfeld: Was im Berufsleben einen Burnout verursacht, gibt es genauso oft auch im Privatleben - und damit auch die Erschöpfung, die zur Krankheit wird. „Auch nicht erholsamer Schlaf und Dauerstress führen zu Überlastung“, sagt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater.

Betroffene versuchen zu erfüllen, was sie nicht sind

Auslöser sind zum Beispiel plötzliche Erkrankungen in der Familie, eine Trennung oder ein plötzlicher Todesfall. Selbst dauerhaft schwelende unlösbare Konflikte mit Nachbarn tragen zur Erschöpfung bei, sagt Sven Steffes-Holländer, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Chefarzt an der Heiligenfeld Klinik Berlin.

Was auch immer der Grund ist - der Mechanismus hinter der Erschöpfung ist oft derselbe: Die Betroffenen versuchen, etwas zu erfüllen, was sie nicht sind, und erschöpften sich daran, sagt Mirriam Prieß. Häufig führen die Burnout-Opfer konfliktreiche Beziehungen oder haben keine sozialen Kontakte mehr. „Vor allem haben sie die Beziehung zu sich selbst verloren", erklärt die Ärztin, die auch als Führungskräftecoach arbeitet.

Viele Betroffene bemerken die Symptome zu spät

Grundsätzlich zieht sich das private Burnout-Syndrom durch alle Schichten und betrifft beide Geschlechter. Alleinerziehende und pflegende Angehörige sind aber etwas häufiger betroffen, so Roth-Sackenheim. Auch Arbeitslosigkeit, soziale und finanzielle Probleme seien Risikofaktoren.

„Diejenigen, die ein Burnout-Syndrom haben, sind die Leistungsträger, die bis zum bitteren Ende die Fassade aufrecht erhalten“, erklärt Prieß. Deshalb wachen die meisten Betroffenen erst auf, wenn es schon zu spät ist und der Körper deutliche Erschöpfungssignale sendet. Die beginnen mit leichter Unruhe, Gereiztheit und Antriebslosigkeit. Dazu kommen Konzentrationsstörungen, Kopf- und Magenschmerzen, Schwindel, Ohrgeräusche, hoher Blutdruck und Herz-Kreislaufprobleme oder gar Bandscheibenvorfälle.

Hausarzt ist erster Ansprechpartner

Prieß rät, diese Symptome ernst zu nehmen - insbesondere, wenn sie sich über einen Zeitraum von drei Monaten hartnäckig halten. Für ein erstes Gespräch sei dann der Hausarzt die richtige Adresse. „Er stellt fest, ob es eine körperliche oder psychosomatische Ursache gibt“, sagt Steffes-Holländer. Je nach Schwere des Falls könne er zudem Medikamente verschreiben und so die Zeit bis zum Therapiebeginn überbrücken. Darüber hinaus verordnet der Hausarzt eine stationäre oder teilstationäre Behandlung.

Als erste Anlaufstelle existieren zudem Angebote wie der Krisendienst in Berlin, ein Angebot ähnlich der Telefonseelsorge mit Fokus auf psychische Erkrankungen. „Für Alleinerziehende, Schuldner oder pflegende Angehörige gibt es Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen“, sagt Roth-Sackenheim.

Aber auch die Betroffenen selbst können tätig werden. Der allererste Schritt dabei, so Prieß: Annehmen, was ist, und sich nicht in den Widerstand begeben. Also sich das einzugestehen, was man im Grunde weiß. Das kann zum Beispiel heißen, konfliktreiche Beziehungen zu erkennen - und zu beenden.

Freunde können Therapeuten nicht ersetzen

Betroffene sollten ansonsten versuchen, sich nicht zurückzuziehen, sondern den Kontakt zu Freunden oder der Familie suchen. Manch einer geht vielleicht auch gerne in die Natur oder findet mit Kunst, Musik oder Sport wieder zu sich. Gerade Hobbys und Entspannung seien wertvoll, um aus den negativen Gefühlen herauszukommen, erklärt Prieß. Hilfreich sind auch schon kleine Dinge wie Pausen, Spaziergänge oder bewusstes Atmen.

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„Man sollte es ernst nehmen, wenn das Umfeld einem sagt: Ich erkenne dich nicht wieder, ich glaube, das ist alles zu viel für dich“, sagt Roth-Sackenheim. Diese Hinweise von Freunden oder dem Partner sollten Betroffene nicht als Anklage oder Vorwurf verstehen - sondern als Fürsorge. „Freunde können nicht den Therapeuten ersetzen, aber das Ich stärken“, sagt Prieß.

Auf keinen Fall darf das Umfeld jedoch weiteren Druck ausüben, warnt Steffes-Holländer. „Freunde und Familie können versuchen, denjenigen zu verstehen und lieber keine Ratschläge erteilen.“ Und falls sich der Betroffene doch zurückzieht, sollten sie das nicht persönlich nehmen. (dpa/tmn)

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