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Corona-KriseVerdoppelung der Kinderkrankentage – was Eltern jetzt wissen müssen

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Viele berufstätige Eltern sind jetzt mit Homeschooling beschäftigt. Um Verdienstausfälle aufzufangen, können sie Kinderkrankentage einsetzen.

Berlin – Geschlossene Kitas und Schulen stellen berufstätige Eltern vor eine große Herausforderung: Wie soll man gleichzeitig arbeiten und Kinder betreuen? Helfen soll nun eine Verdopplung der sogenannten Kinderkrankentage. Wie die Ausweitung des Kinderkrankengelds genau funktionieren soll, hatte bei Eltern zuletzt viele Fragen aufgeworfen. Was sie jetzt wissen müssen:

Was sind Kinderkrankentage eigentlich?

Bei Kindern unter zwölf Jahren im eigenen Haushalt haben berufstätige Eltern oder Alleinerziehende Anspruch darauf, für die Pflege ihres kranken Kindes freigestellt zu werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gesetzlich krankenversichert sind und Anspruch auf Krankengeld haben, erhalten in diesem Fall als Lohnersatz ein sogenanntes Kinderkrankengeld von ihrer Krankenversicherung. So steht es im Paragraf 45 Sozialgesetzbuch Buch V. Oft spricht man auch von „Kind-Krank-Tagen“ oder Kinderkrankentagen.

Was ist jetzt neu?

Die Gesetzesänderung sieht vor, dass berufstätige Eltern Kinderkrankentage in 2021 auch dann in Anspruch nehmen können, wenn ihr Kind nicht krank ist. Vielmehr ist das nun möglich, wenn zur Eindämmung des Coronavirus die Betreuungseinrichtung oder Schule schließt, wenn Schulferien verlängert werden, wenn die Präsenzpflicht ausgesetzt wird oder auch nur empfohlen wird, die Kinder zu Hause zu betreuen.

Das müssen Eltern bei der Krankenkasse nachweisen. Die Krankenkasse kann hierzu die Vorlage einer Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung oder der Schule verlangen. Üblicherweise müssen Eltern ein ärztliches Attest vorlegen, wenn sie sich kinderkrank melden. Das ist nun nicht mehr nötig, da das Kind ja nicht krank ist.

Was bedeutet „Aufstockung“ der Kinderkrankentage?

Üblicherweise haben Eltern für 10 Tage im Jahr Anspruch auf Kinderkrankengeld. Der Anspruch von 10 Tagen besteht pro Elternteil und Kind. Er wird jetzt aufgestockt, so dass jedes gesetzlich versicherte Elternteil im Jahr 2021 pro Kind insgesamt 20 statt 10 Tage Kinderkrankengeld beantragen kann, insgesamt bei mehreren Kindern maximal 45 Tage. Für Alleinerziehende erhöht sich der Anspruch um 20 auf 40 Tage pro Kind, maximal bei mehreren Kindern auf 90 Tage.

Wer hat Anspruch?

Die Aufstockung der Kinderkrankentage gilt für gesetzlich versicherte, berufstätige Eltern, die selbst Anspruch auf Krankengeld haben und deren Kind bis unter 12 Jahre alt ist. Auch das Kind selbst muss gesetzlich versichert sein. Bei Kindern, die eine Behinderung haben, auch über das 12. Lebensjahr hinaus. Voraussetzung ist außerdem, dass es im Haushalt keine andere Person gibt, die das Kind betreuen kann. Der Anspruch soll auch für Eltern bestehen, die im Homeoffice arbeiten.

Wer privat krankenversichert ist, muss dagegen den Anspruch auf Entschädigungszahlungen nach Paragraf 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geltend machen.

Darf der komplette Anspruch für die Schul- oder Kitaschließungen verwendet werden?

Ja. Ihren gesamten Anspruch können berufstätige Eltern laut Bundesregierung auch für die Kinderbetreuung wegen geschlossener Kitas und Schulen einsetzen - sofern eine entsprechende Bescheinigung der Betreuungseinrichtung vorliegt.

Es sei aber empfehlenswert, umsichtig zu handeln, sagt die Rechtsanwältin Sandra Runge. „Vorsichtige Eltern werden sich aber ohnehin genau überlegen, wann sie die Tage einsetzen.“ Schließlich kann es passieren, dass ein Kind im Laufe des Jahres tatsächlich noch einmal krank wird und man den Anspruch dann dringend geltend machen muss. Ob der Gesetzgeber den Anspruch im Laufe der Pandemie für solche Fälle noch einmal aufstockt, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Wie sieht die Bescheinigung der Betreuungseinrichtung aus?

An den Details dazu arbeiten die Krankenkassen noch. Es soll aber ein entsprechendes Musterformular geben, durch das Eltern die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten nachweisen können, heißt es etwa auf der Homepage der Barmer und der DAK Krankenkasse. Auch Familienministerin Giffey kündigte an, dass eine einfache Musterbescheinigung erarbeitet würde, die Kitas und Schulen zur Verfügung gestellt werden soll. Wer das Kinderkrankengeld beantragt, weil sein Kind krank ist, muss nach wie vor ein ärztliches Attest einreichen.

Müssen Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber die Kinderkrankentage mit Vorlauf ankündigen?

Grundsätzlich nicht. Der Anspruch auf Kinderkrankengeld ist nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig, auch eine Ankündigungsfrist ist in den zugrundeliegenden gesetzlichen Regeln nicht vorgesehen. Das erklärt Björn Otto, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei CMS Deutschland. Es liege jedoch in der Treuepflicht des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, wenn er der Arbeit pandemiebedingt fernbleiben muss. „Was unverzüglich bedeutet, ist dabei immer abhängig vom Einzelfall - etwa davon, wie schnell oder seit wann ein Arbeitnehmer wusste, dass er den Betreuungsbedarf nicht anderweitig gestemmt bekommt“, so der Arbeitsrechtsexperte.

Können Arbeitgeber mitentscheiden, wann die Kinderkrankentage in Anspruch genommen werden?

Nein. Auch hier geht Arbeitsrechtsexperte Otto davon aus, dass es kein Mitentscheidungsrecht des Arbeitgebers gibt. Der Arbeitgeber kann also nicht verlangen, dass Arbeitnehmer zum Beispiel nur einen halben Tag „kinderkrank“ nehmen. Der Anspruch hänge allein davon ab, ob Arbeitnehmer die im Gesetz formulierten Voraussetzungen erfüllen. Es ist aber üblich und empfehlenswert, sich zu diesen Themen grundsätzlich mit dem Arbeitgeber abzusprechen.

Was, wenn ein Großteil des Teams gleichzeitig Kinderkrankentage in Anspruch nehmen will?

Diese Frage ist gesetzlich nicht geregelt. Anders als zum Beispiel beim Teilzeitbefristungsgesetz können sich Arbeitgeber auch nicht auf dringende betriebliche Gründe berufen, und einzelne Kinderkrankmeldungen ablehnen. „Der Arbeitgeber muss das schlicht hinnehmen“, sagt Otto.

Die entsprechende gesetzliche Regelung im Sozialgesetzbuch sei ein zwingendes Recht. Arbeitgeber können aber anregen, dass sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen untereinander abstimmen, um den Normalbetrieb so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Das wird in der Praxis wohl auch so gehandhabt werden.

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Können Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitnehmer gegebenenfalls eine Notbetreuung in Kita oder Schule in Anspruch nehmen?

Die bislang geltende gesetzliche Regelung zum Kinderkrankengeld im Sozialgesetzbuch sieht vor, dass dann ein Anspruch besteht, wenn Eltern der Arbeit fernbleiben müssen, weil sie ein krankes Kind betreuen müssen und keine andere Möglichkeit der Betreuung besteht.

Bestehen also theoretisch anderweitige Notfall-Betreuungsmöglichkeiten in Kita oder Schule, würden Argumente dafür sprechen, dass Arbeitnehmer diese auch annehmen müssen. Sicher ist das indes nicht, sagt Otto. Denn nach dem Wortlaut der geplanten Neuregelung soll bei fehlender Betreuungsmöglichkeit zu Hause bereits die Aussetzung der Präsenzpflicht in der Schule für eine Freistellung und das Kinderkrankengeld ausreichen, so Otto.

Sandra Runge weist zudem darauf hin, dass die Notfallbetreuung in den Bundesländern unterschiedlich geregelt ist. Besonders kompliziert würde es etwa, wenn Eltern zwar den Anspruch auf Notbetreuung haben, aber an die Eltern appelliert wird, nach Möglichkeiten ihre Kinder zu Hause zu betreuen. Dies könne zu Konflikten mit den Arbeitgeber, und gegebenenfalls auch unter Kollegen führen. „Hier fehlen in vielen Bundesländern klare gesetzliche Regelungen“, so Runge.

Was bedeutet es, dass das Gesetz „rückwirkend“ zum 05. Januar gelten soll?

Hier ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmer, die in der Zeit ab 05. Januar 2021 wegen der Kinderbetreuung nicht arbeiten konnten, rückwirkend das Kinderkrankengeld von der Krankenkasse in Anspruch nehmen können. „Arbeitnehmer müssen das auf geeignete Weise nachweisen, zum Beispiel durch eine Bescheinigung der Betreuungseinrichtung“, so Otto. (dpa/tmn)

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