Disney-Künstler aus Düsseldorf„Pro Woche schafft man 3 Sekunden Film zu animieren“

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Jacob Frey hat auch Hauptfigur Mirabel (Mitte) animiert.  

  • Gerade ist der neue Disney-Weihnachtsfilm „Encanto“ in den Kinos gestartet. Aber wie animiert man die Figuren in Filmen eigentlich, haben sich unsere Duda-Kinderreporter gefragt.
  • Lulu (10), Justus (12) und Elisabeth (9) durften ihre Fragen Animationskünstler Jacob Frey stellen.
  • Der 37-Jährige kommt aus der Nähe von Düsseldorf, lebt und arbeitet heute aber im Großraum Los Angeles. Er ist seit acht Jahren für Disney tätig.

Köln – Lulu: Sie sind Animationskünstler bei Disney. Wie sind Sie das geworden?

Jacob Frey: Ich habe Animation an der Film-Akademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg studiert. Man kann sich das aber auch selbst beibringen: Im Internet gibt es viele Videos und Webseiten, wo beschrieben wird, wie man Software nutzt, um zu animieren. Das Problem dabei ist, dass man dort niemanden fragen kann, wenn mal was schief geht. Deswegen bin ich froh, dass ich es studiert habe, weil dort immer ein Ansprechpartner war. Außerdem konnte ich mich dort ausprobieren, meine ersten Kurzfilme machen und so wiederum Leute kennenlernen, die mir geholfen haben, Erfahrungen in der Industrie zu machen.

Elisabeth: Haben Sie denn schon immer gerne gezeichnet?

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Ja, Kunst war mein Lieblingsfach in der Schule und da hatte ich auch immer die beste Note. Ich hab auch immer gezeichnet, wenn mir langweilig war. Mir war das früher noch nicht klar, aber für Animation braucht man zeichnerische Grundlagen. Ich war übrigens unheimlich schlecht in der Schule und meine Eltern waren sehr frustriert. Ich glaube, das lag daran, dass ich nicht wusste, was ich später einmal machen will. Als ich dann aber herausgefunden habe, dass ich Animationskünstler werden möchte, hatte ich ein Ziel vor Augen und hab mich richtig angestrengt. Denn ich wusste, ich brauche gute Noten, um das studieren zu können.

Justus: Zeichnen Sie mit dem Computer oder mit der Hand?

Ich zeichne überwiegend mit dem Computer. Bei der 3-D-Animation muss man auch gar nicht so viel zeichnen. Die Figur und die Hintergründe werden von anderen Abteilungen entworfen und dann sozusagen in 3-D gebaut. Wenn wir anfangen, die Figur zu animieren, ist ihr Aussehen und die Umgebung schon fertig. Ihr könnt sie euch vorstellen wie eine Actionfigur, die man von allen Seiten anschauen kann. An ihren Gelenken sind überall Punkte, die man anklicken kann, wenn man zum Beispiel den Finger oder das Handgelenk bewegen möchte.

Lulu: Aber wie funktioniert es dann, dass die Figuren sich bewegen?

Ein Film hat 24 Bilder pro Sekunde. Bei den alten Disney-Filmen mit 2-D-Animationen wurde wirklich alles von Hand gezeichnet, also pro Sekunde wurden 24 Bilder gemalt. Wir haben bei den 3-D-Animationen den Luxus, dass der Computer uns hilft. Das heißt, wenn meine Figur den Arm oben hat und sie zwanzig Bilder später unten haben soll, kann der Computer das erstellen. Aber das, was der Computer erstellt, müssen wir noch schön machen. Deswegen ist es viel Handarbeit, weil wir jeden Fingerknochen, jedes Augenlid, jeden Wimpernschlag animieren müssen. Es ist nicht einfach, das so schnell zu erklären. Aber es macht sehr viel Spaß zu animieren und ich bin immer wieder beeindruckt, wenn wir Charaktere zum Leben erwecken. 

Lulu: Sie haben an dem neuen Weihnachtsfilm „Encanto“ mitgearbeitet. Wer hatte die Idee dazu?

Die Idee für einen neuen Film kommt meistens vom Regisseur. Der schlägt seine Idee dann dem Studio vor. Zusammen mit einem Drehbuch-Autor entwickelt der Regisseur die Geschichte dann weiter. Das ist ein unheimlich langer Prozess. Bevor ich anfange zu animieren, können schon Jahre vergangen sein, weil so viel Arbeit im Vorhinein gemacht und verschiedene Ideen ausprobiert werden.

Justus: Welche Figuren in „Encanto“ haben Sie animiert?

Ich bin erst am Ende der Produktion dazu gestoßen. Eigentlich habe ich zu der Zeit in einer anderen Abteilung gearbeitet, aber das Team brauchte Hilfe, um den Film fertig zu machen. Deswegen habe ich querbeet animiert – Szenen vom Anfang und vom Ende. Ein bisschen war ich auch an der Animation der Hauptperson Mirabel beteiligt.   

Elisabeth: Wie viele Personen braucht man, um so einen Film zu animieren?

Dafür braucht man ein großes Team. Allein in der Animation waren ungefähr 100 Leute an „Encanto“ beteiligt. Stellt euch mal vor: Eine Person animiert im Durchschnitt 1.15 Minute im Film. Das heißt, eine Person arbeitet fünf bis acht Monate an einem Film und am Ende hat sie ein bis zwei Minuten animiert. Pro Woche schafft man drei oder vier Sekunden. Wie lange eine Animation dauert, hängt auch davon ab, wie viele Figuren in der Szene sind.

Lulu: Wie lange braucht man also für einen Animationsfilm, der 90 Minuten dauert?

Von der Idee bis zum fertigen Film dauert es drei bis fünf Jahre. Die Geschichte verändert sich auch oft noch, während der Film schon gemacht wird. Bei Disney schauen die Mitarbeiter immer wieder Szenen an und sagen, ob sie Sinn ergeben. Und manchmal werden Sachen auch noch mal komplett verändert. Es kann sein, dass man gerade etwas fertig animiert hatte, dann wird die Geschichte verändert und dann ist die Szene einfach weg. Das kann schon frustrierend sein, aber ich finde es gut, dass man versucht, den besten möglichen Film zu machen und dann auch nicht vor Veränderungen zurückschreckt.

Elisabeth: Haben Sie auch schon andere Filme animiert? 

Ich bin seit fast acht Jahren bei Disney. In der Zeit habe ich zum Beispiel bei „Zoomanie“, „Vajana, „Die Eiskönigin 2“ oder „Ralf reichts“ mitgearbeitet. Vor Disney habe ich geholfen, den Film „Pets“ zu animieren.

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Justus: Welcher ist Ihr liebster Walt-Disney-Charakter?

Puh, diese Frage wurde mir noch nie gestellt, da muss ich ein bisschen nachdenken… Das klingt jetzt total langweilig, aber ich mag am liebsten Micky Maus. Als Kind war einer meiner Lieblings-Kurzfilme der, wo Micky Maus zum tapferen Schneiderlein wird, diese Bohnenstange hochklettert und dann dem Riesen begegnet.  

Lulu: Sie leben in Los Angeles. Vermissen Sie Deutschland?

Ja, ich vermisse Deutschland und meine Familie unheimlich! Meine Eltern, meine Schwester, meine Nichte und mein Neffe leben alle in der Nähe von Düsseldorf. Im letzten Jahr habe ich hier in den USA geheiratet und eine eigene Familie gegründet, deswegen bin ich jetzt hin und her gerissen: Ist mein Zuhause in den USA oder immer noch in Deutschland? Wegen Corona habe ich meine Familie zwei Jahre lang nicht gesehen. Anfang Dezember komme ich aber für einen Monat her und ich freue mich schon sehr auf das deutsche Winterwetter!

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