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Faule Jungs, Drama QueensTypische Teenies – wie Eltern sie besser verstehen können

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Was Jugendliche beschäftigt, das ist für Erwachsene oft nur schwer zu erkennen und zu verstehen.

Köln – In der Pubertät ist das eigene Kind für die Eltern oft nicht wieder zu erkennen. Viele wünschten sich, sie könnten in den Kopf ihres Teenies schauen. Und verstehen, was ihn bewegt, beschäftigt, antreibt und aufregt. Stattdessen manövriert die Beziehung zwischen Eltern und Kindern in dieser schrägen Phase oft zwischen Streit, Kopfschütteln und Distanz.

Der norwegische Jugendpsychologe Lars Halse Kneppe spricht täglich mit Jugendlichen über ihr Leben, ihre Probleme und Bedürfnisse. Und er weiß auch, welche Sorgen und Fragen Eltern beschäftigen. In seinem klugen und einfühlsamen Buch „Im Kopf eines Teenagers“ möchte er vermitteln und aufklären. Warum ist es so schwer, Teenager zu verstehen? Was brauchen sie von ihren Eltern? Und wie können die Zuwendung und Verständnis zeigen, wenn ihr Kind sie anschweigt, anmotzt oder ausschließt?

Teenager wollen wissen, dass jemand für sie da ist

Die Erwachsenen tappten zu oft in die Falle, den Teenager über das süße Kind verstehen zu wollen, das er einmal gewesen sei, schreibt Halse Kneppe einleitend. „Dabei ist die Teenagerzeit nur ein flüchtiger Zustand, der im Grunde nur aus dem ganz eigenen Blickwinkel der Jugend heraus zu verstehen ist.“ Die Bemühungen der Erwachsenen, auf ihr Kind zuzugehen, liefen deshalb oft schief. „Teens wollen nur selten konkrete Lösungen für konkrete Probleme. Viel größer ist ihr Bedürfnis nach Verständnis und Fürsorge. Sie benötigen eine Bestätigung dafür, dass ihr Gefühlschaos völlig in Ordnung ist und dass immer jemand für sie da ist.“

In unserer komplexen und digitalen Welt würden an Jugendliche heute hohe Anforderungen gestellt, sagt der Psychologe. Die jungen Menschen gingen aber sehr unterschiedlich mit diesen Herausforderungen und all den Emotionen der Pubertät um. „Einige werden zornig, andere bekommen Angst. Für wieder andere fühlt es sich sicherer und natürlicher an, sich kalt zu geben und auf Konfrontation zu setzen, statt sich verletzlich zu zeigen.“

Eine kleine Teenager-Typologie

Im Buch stellt der Psychologe eine Teenager-Typologie auf, die er im Zuge seiner täglichen Arbeit mit den jungen Leuten entwickelt hat. „Die meisten Jugendlichen werden nicht zu hundert Prozent in eine dieser Gruppe passen, sondern Züge aus mehreren in sich vereinen“, sagt Lars Halse Kneppe. Und natürlich würden die Typen auch über Geschlechtergrenzen hinweg auftreten, es gebe also auch die faulen Mädchen oder Drama Kings. Er wolle mit dieser kleinen Einteilung aber wiederkehrende Mechanismen bei den Jugendlichen aufzeigen.

Wir dürfen drei Beispiele daraus zusammengefasst darstellen.

1) Die faulen Jungs

So ticken sie:

„Der faule Jugendliche präsentiert sich zumeist als etwas unreifer und zeitweise total uninteressierter Schüler, der sich um nichts oder niemanden kümmert, dabei tief in seinem Inneren aber immer noch der gute, liebe Junge ist“, beschreibt ihn Lars Halse Kneppe. Der faule Schüler wolle den anderen nur selten etwas Böses, verstricke sich aber ab und zu in unglückliche Situationen, die meist das Ergebnis von Unreife und Unbedachtsamkeit seien. „Oftmals endet es in einem etwas frustrierten Kopfschütteln der Erwachsenen, gefolgt von einem tiefen Durchatmen und der etwas resignierten Frage, warum der Junge sich nicht endlich mal zusammenreißen kann.“

Das beschäftigt sie:

Buchtipp

Lars Halse Kneppe: „Im Kopf eines Teenagers – so verstehen Eltern, was Jugendliche bewegt“, Duden Verlag, 2021

Einige Jungen dieser Gruppe könnten sich einfach nicht für die Schule aufraffen, obwohl sie eigentlich bessere Leistungen erbringen könnten. „Aus meinen Gesprächen mit den Jugendlichen habe ich entnommen, dass die Schule nur selten als motivierend erlebt wird und die Jungs selbst noch nicht reif genug sind, um die Langeweile bis zu irgendeiner fernen Belohnung ertragen zu können.“ Um diese Jungs mache er sich aber die wenigsten Sorgen. „Selbst wenn sie nicht die beste Leistung bringen, sind sie normalerweise diejenigen, denen es am besten geht, und zwar sowohl in der Schule als auch außerhalb.“

Es gäbe aber auch Jungen, die nicht über die nötigen Lernfähigkeiten verfügten, um die Schule zu meistern. Sie schützten ihr Selbstbewusstsein, indem sie sich von allem distanzierten. „Es ist besser, als faul zu gelten, denn als dumm, und es ist besser, so zu tun, als wäre einem alles gleichgültig, als sich selbst öffentlich zu demütigen, indem man offen zeigt, was man alles nicht kann.“

Das brauchen sie von ihren Eltern:

Eltern sollten verstehen, dass dem faulen Jungen nicht alles gleichgültig sei. „Es ist ihm nicht egal, dass er die Schule nicht schaffen wird; darüber ist er sich vollkommen im Klaren. Meistens stresst ihn das derart, dass er auch außerhalb der Schule nichts auf die Reihe bringt. Das jedoch zuzugeben, wäre zu beängstigend, weshalb er lieber so tut, als wäre es ihm gleichgültig.“

Eltern sollten keinen Druck aufbauen und nicht mit Konsequenzen und Horrorszenarien drohen. „Das Letzte, was diese Jungs brauchen, sind weitere düstere Vorhersagen, sie würden keinen Ausbildungsplatz bekommen und als Sozialfall enden. Auch wenn sie es nicht zeigen, gehen ihnen diese Prophezeiungen unter die Haut.“

Diese Jungen bräuchten vor allem Zuspruch. „Sie müssen hören, dass jemand an sie glaubt, weil sie schon längst nicht mehr selbst an sich glauben.“ Dazu gehöre auch, dem Jungen zu helfen, empathischere Erklärungen für Misserfolge in der Schule zu geben, damit er nicht immer ‚ich bin dumm‘ denke. Und ihm zu zeigen, dass es noch andere Bereich als Schule gibt.

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2) Die Drama Queens

So ticken sie:

Die Drama Queen stehe als unangefochtene Anführerin immer im Mittelpunkt. „Alles dreht sich um sie. Die Drama Queen ist die Hauptperson, auch in ihrer eigenen Wahrnehmung. Sie ist das attraktive Mädchen, nach dem sich Jungs wie Mädchen umdrehen. Sie ist das Mädchen mit der scharfen und gleichzeitig verführerischen Zunge, dem man nie ganz vertrauen kann.“ Die Drama Queen sei zu allem fähig, suche die Konfrontation und überschreite Grenzen.

Das beschäftigt sie:

Die Drama Queen glaube, sie sei eine Belastung für andere und habe Schuld daran, dass der Familienfrieden gestört ist. „Diese Last lässt sich das Mädchen jedoch nicht aufbürden, denn als Folge ihrer Erkenntnis entwickelt sie Schutzstrategien, wie sie sich gegen Eltern und all jene, die ihr die Schuld zuschieben wollen, wehren kann.“ Sie lege es immer wieder auf Streit an und könne ihre Wut gut in Worte fassen.

In Wahrheit trage die Drama Queen oft eine Art Rüstung, weil sie Schwierigkeiten habe, ihre Gefühle zu regulieren. „Es zeigt sich oft, dass die Mädchen traumatische Erlebnisse durchgemacht haben und über lange Zeit mit schweren psychischen Belastungen zurechtkommen mussten.“ Häufig hätten sie Erfahrungen mit Selbstverletzungen, Drogen oder Essstörungen.

Das brauchen sie von ihren Eltern:

Eltern sollten der Drama Queen vermitteln, dass sie ihre Tochter verstehen. „Mit dem Drama ist meistens recht schnell Schluss, wenn die Mädchen sich erst einmal sicher fühlen. Auf dem Weg dorthin müssen wir als Erwachsene uns als jemand zeigen, dem sie vertrauen und demgegenüber sie sich öffnen können.“

Eltern sollten ernst nehmen, was die Drama Queen erzählt und deren Erfahrungen nicht in Frage stellen. Sie müssten verstehen, wie unterschiedlich die Tochter Situationen erlebe. „Solange ihr Einigkeit erreichen wollt, werdet ihr scheitern. Löst euch von dem Wunsch nach Einvernehmen und dem Drang, recht zu haben. Beides steht einem besseren Kennenlernen im Weg.“

3) Die Bad Boys

So ticken sie:

„In jeder Klasse sitzt normalerweise mindestens ein Bad Boy, ein Rebell, der ständig gegen Lehrende und Schule opponiert“, schreibt Lars Halse Kneppe. Viele Bad Boys seien rastlos und gefrustet. Schule, Polizei oder andere Autoritäten seien Zielscheiben dieser Gefühle. Bad Boys lehnten Hilfsangebote meist vehement ab. „Jedes Signal von Verständnis beantwortet er mit einem drohenden Blick, mit dem er mich zum Teufel wünscht“, berichtet der Psychologe von seinen Gesprächen mit Bad Boys.

Das beschäftigt sie:

Bad Boys seien schon so oft von Erwachsenen abgelehnt, beschimpft und im Stich gelassen worden, dass sie von ihnen nichts mehr erwarteten und sich vor allem Gleichaltrigen zuwendeten. „Der Bad Boy erlebt Erwachsene als Menschen, die wünschen, dass es ihn nicht gäbe.“ Deshalb tue er alles, um negative Reaktionen zu provozieren. Er lege es darauf an, abgewiesen zu werden. „Er benimmt sich so, dass die Eltern keine andere Wahl haben, als ihn abzulehnen.“ Doch damit bestätigten sie gleichzeitig seine größte Angst, nämlich dass nicht einmal seine Eltern ihn ertragen.

Das brauchen sie von ihren Eltern:

„Bad Boys brauchen häufige positive Bestätigungen“, sagt der Psychologe. Eltern sollten ihrem Jungen klarmachen, dass sie ihn auch akzeptieren, selbst wenn er sich von seiner schlimmsten Seite zeige.

Eltern sollten die Erfahrungen und Erzählungen des Bad Boys ernst nehmen und ihm zuhören. Wichtig sei auch, dass Erwachsene Einsicht und Zuwendung demonstrieren.

Um zu zeigen, dass man den Jungen ernst nehme und toleriere, könne es helfen, Aussagen des Jungen zusammengefasst wiederzugeben, ohne sie zu interpretieren oder zu kommentieren. Und danach Fragen und Vermutungen zu äußern. „Wenn ihr zugebt, dass ihr nicht alles versteht, wird euer Junge weniger wütend auf euch sein, und ihr kommuniziert den Wunsch, ihn besser kennenzulernen.“

Weitere Teenager-Typen, die der Autor vorstellt, sind: Die guten Schülerinnen, die Emotionalen und die Unsichtbaren.

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