Genderneutrale ErziehungWarum es in dieser Kölner Kita keine Geschlechter gibt

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Lindenburg Pänz

  • Forschungen zeigen, dass selbst Menschen, die denken, sie würden Jungen und Mädchen gleich behandeln, das nicht tun.
  • Genau an diesem Punkt setzt die Idee der genderneutralen Erziehung an: Behandle alle Kinder gleich und sie werden zu zufriedeneren Menschen.
  • Wir haben eine Kölner Kita besucht, in der Genderneutralität gelebt wird.

Köln – Die Schuhe waren nagelneu: dunkelblauer Stoff, abgesetzt mit hellblauem Wildleder. Profilsohle, Schnürsenkel und Innenfutter in kanariengelb. Wasserdicht, praktisch, bequem. Perfekt für regnerische Tage im Wald. Für Kinder alles Nebensache. Als Mia das erste Mal mit den blauen Schuhen den Sandkasten erobern wollte, ging die Lästerei los: „Das sind Jungsschuhe“, riefen die anderen Mädchen im Kindergarten. Und: „Du bist ja gar kein Mädchen!“ – Und Mia? Die Sechsjährige weigerte sich, die Schuhe noch einmal zu tragen, wollte schon bald darauf nicht mehr über das Erlebte sprechen, verdrängte. Gender-Mobbing nennen Experten das Phänomen. Ein Fall aus den USA machte vor einigen Jahren Schlagzeilen, als ein kleiner Junge versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Im Kindergarten war er wegen seiner Ponyspielsachen geärgert worden. Der Junge ist nun behindert, seine Mutter engagiert sich gegen Gender-Mobbing.

Was ist das für eine rosa-hellblaue Welt, in der wir da leben? In der Kinder von anderen Kindern gehänselt werden, weil sie nicht perfekt den Geschlechterstereotypen entsprechen? In der es nur noch rosa Bodys mit Schleifchen und hellblau gestreifte mit Ankern gibt? In der Mädchen bei Monopoly Beauty-Salons verkaufen und Jungs mit Immobilien zocken dürfen? In der Mütter Karriere machen wollen und Männer mit einem Jahr Elternzeit immer noch blöd angeguckt werden?

Viele Jahrhunderte lang war es eine einfache Welt, die Rollen klar verteilt: Frauen trugen Röcke, Männer Hosen. Frauen standen hinter dem Herd, Männer gingen arbeiten und setzten sich zu Hause an den gedeckten Tisch. Frauen mussten sich unterordnen, Männer bestimmten. Doch mit den Jahren eroberten die Frauen sich ihre Rechte: Immer mehr machten Abitur, studierten, arbeiteten, schnitten sich die Haare kurz, trugen Hosen. Lebten selbstbestimmter. Und dann? „Heute ist völlig klar, dass dunkelblau eine Jungsfarbe ist. Das war in meiner Kindheit nicht so“, sagt Stevie Schmiedel, 47 Jahre alt, promovierte Dozentin für Genderforschung und Geschäftsführerin von „Pink-stinks“, einer Protest- und Bildungsorganisation gegen Sexismus und Homophobie. Die Rollenbilder waren dabei sich aufzulösen. Nun beobachten Genderforscher wie Stevie Schmiedel einen Rückschritt.

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Bedürfnis nach Ordnung

Die klare Unterteilung in Jungs und Mädchen ist weit verbreitet: Die Zuschreibung von Farben, Formen, Attributen für das ein oder andere Geschlecht hat in den letzten zwei Jahrzehnten wieder stark zugenommen. Mit Folgen für unsere Gesellschaft: Nicht alleine das Stereotyp „Junge trägt blaue Klamotten“ hat wieder Gültigkeit. Besorgnis erregend ist die nächste Klischee-Schublade: Der Junge, der nur blaue Klamotten trägt, ist auch der Junge, der nicht weint. Der in der Schule Mathe, Naturwissenschaften und Sport gut kann, aber keine Sprachen. Der Junge, der später keine Ausbildung zum Pfleger macht. Und der keine Care-Arbeit in der Familie übernehmen möchte.

Was hat die Gesellschaft zum Rückschritt bewegt? „Viel hat damit zu tun, dass es heute das Bedürfnis zu geben scheint, eine alte Ordnung wiederherzustellen“, sagt Stevie Schmiedel. Denn Rollenbilder in Frage zu stellen, über Diversity, Gender und Sexismus zu diskutieren, ist verwirrend. Es überfordert viele. Darf er ihr noch die Türe aufhalten? Ein Kompliment zum neuen Haarschnitt machen? Das verlorene Gewicht kommentieren? Oder ist das etwa schon sexistisch? Ist das ein neuer Beitrag zu #Me Too? „Geschlechterrollen sind so grundlegend für unsere Gesellschaft. Und diese alten Werte vermitteln einfach Stabilität und Ruhe“, erklärt Stevie Schmiedel. Da orientiert sich mancher sicherheitshalber an Blau und Rosa.

Die Werbung unterstützt dieses stereotype Denken. Susanne Stark, Professorin für Marketing mit Schwerpunkt Genderfragen an der Hochschule Bochum, hat gemeinsam mit Studierenden untersucht, wie Jungen und Mädchen in der Werbung dargestellt werden. Das Ergebnis: Mädchen werden typischerweise in Situationen gezeigt, die mit Fürsorge, Pflege und Schönheit zu tun haben. Jungen hingegen erleben Abenteuer, experimentieren mit Technik oder stehen im Konkurrenzkampf miteinander. „Selbst in Spots, die sich an beide Zielgruppen richten, zum Beispiel bei Gesellschaftsspielen, werden Jungs oft aktiver dargestellt und finden die Lösung, während die Mädchen passiv sind“, weiß Susanne Stark. „Wir müssen davon ausgehen, dass diese stereotypen Darstellungen auch Einfluss auf die Entwicklung der Kinder haben.“ Denn Werbung liefere einfache, kurze, gut verständliche Botschaften und emotionale Bilder – die optimalen Voraussetzungen für soziales Lernen.

Piraten für die Jungs, Prinzessinnen für die Mädchen

„Ganz viele Unternehmen arbeiten stark mit geschlechterdifferenten Vermarktungskonzepten für Mädchen und Jungen“, sagt Susanne Stark. „Für Jungs gibt es Muffin-Backmischungen mit Piraten, für Mädchen mit Prinzessinnen. Bei Kindern werden selbst in so eigentlich geschlechtsneutralen Bereichen große Unterschiede gemacht. Das ist sehr auffällig.“ So könne man einer Familie mit einem Jungen und einem Mädchen doch gleich zwei Backmischungen verkaufen. Zwei Bücher. Zwei Bobby-Cars. Zwei Monopolys. So verdienen Unternehmen doppelt. Den Trend zur Ausdifferenzierung von Produkten gebe es auf allen Ebenen, urteilt Susanne Stark. „Viele Produkte sind sich sehr ähnlich. Sie werden kein Duschgel finden, was nicht sauber wäscht. Deswegen braucht der Hersteller dem Verbraucher gegenüber ein Differenzierungsmerkmal – warum soll er Marke A statt Marke B kaufen? Und dann landen wir eben wieder sehr schnell bei den alten Klischees.“ Beim rosa glitzernden Einhornbad für Mädchen und dem Feuerwehr-Bad für Jungs. „Ich persönlich bedauere sehr, dass Unternehmen nicht mehr Vielfalt wagen“, sagt Susanne Stark. „Es hat immer auch die freche Pippi Langstrumpf gegeben und den stillen Bastian aus der Unendlichen Geschichte. Als Marketing-Expertin kann ich den Unternehmen eigentlich nur raten, diese rosa-blaue Welt mal aufzubrechen.“ Die Expertin findet, auch Hersteller und Handel haben eine gesellschaftliche Verantwortung.

Grünes Duschgel für starke Mädchen – das wäre doch was, oder? Aber wer ist Schuld, dass es so etwas kaum gibt? Ist es der Markt, der sich weigert es herzustellen? Der Verbraucher, der willig jedes rosarote Produkt für seine kleine Prinzessin kauft? Oder mangelt es am Ende einfach nur an Alternativen? Hat der Kunde gar keine andere Wahl als das rollenstereotype Produkt zu kaufen? Hat er. Doch die Suche ist oft langwierig – und anstrengend. Um daran etwas zu ändern und geschlechtsneutrale Waren in Standard-Läden zu etablieren, müsse eine Gesellschaft bereit sein, die Veränderung mitzutragen, sagt Stevie Schmiedel von „Pinkstinks“.

Mitmachen kann jeder. Soziale Medien und Foren im Internet machten es dem Verbraucher so einfach wie nie, sich zu vernetzen, einzusetzen – und zu beschweren. „Im Alltag aber kommt es vor allem auf die Kleinigkeiten an“, sagt Stevie Schmiedel. „Als Frau nicht ständig auf die Waage zu gehen und sein Aussehen vor den Kindern zu kommentieren, als Mann seine Kinder optimal zu fördern und sich auch mal die Fingernägel zu lackieren, wenn der Sohn gerade in dieser Phase ist.“

Leichtergesagt als getan. Das eigentliche Problem an der Rollendebatte ist wohl auch dies: Sehr vieles davon geschieht unbewusst. Denn den Stereotypen-Spiegel bekommen wir rund um die Uhr vors Gesicht gehalten.

Studie an Schwangeren

Und fühlen wir uns nicht auch wohl unter Gleichgesinnten, in der Mädelsclique oder der Männerrunde? Das haben wir bereits sehr früh gelernt. Eigentlich schon vor der Geburt. Eine wissenschaftliche Studie bringt das eindruckvoll ans Licht. Frauen sollten die Bewegungen ihres Kindes in den letzten drei Schwangerschaftsmonaten beobachten. Frauen, die einen Jungen erwarteten, beschrieben die Bewegungen als kräftig und energisch; Frauen, die ein Mädchen bekommen sollten als nicht besonders lebhaft. Und bei Frauen, die das Geschlecht vor der Geburt nicht kannten? Zeichnete sich kein Muster ab. Wussten die werdenden Mütter also das Geschlecht ihres Kindes, hatten sie ihm schon vor der Geburt stereotype Verhaltensweisen zu geschrieben.

Andere Untersuchungen zeigen, dass Mütter mehr mit ihren Töchtern sprechen als mit ihren Söhnen – und dabei auch öfter emotional besetzte Wörter verwenden, ja, überhaupt stärker ihre Gefühle thematisieren. Von Anfang an, völlig unbewusst. „Ich mache Genderforschung, seit ich 19 Jahre alt bin, aber wenn ich einen Sohn hätte, würde ich ihn auch so behandeln wie diese Mütter, etwas rauer, nicht so weichlich“, sagt Stevie Schmiedel. Sie ist übrigens Mutter von zwei Töchtern und ein gutes Vorbild: Sie arbeitet mehr Stunden pro Woche als ihr Mann. „Denn die Gesellschaft suggeriert Müttern rund um die Uhr, wie sie einen Jungen zu behandeln haben. Das ist eine Sache, die noch ganz tief in uns verankert ist.“

Die Wissenschaft bestätigt, wie tief: Schon im Alter von einem Jahr können Kinder Piktogramme zu verschiedenen Geschlechtern zuordnen, wissen, dass die Karte mit Mama drauf zu den anderen Frauen gehört und die mit Papa zu den Männern. Babys greifen automatisch nach Spielzeug, das die Gesellschaft ihrem Geschlecht zuordnet. Mit zwei Jahren verstehen sich Kinder selbst als Jungen oder Mädchen – und fühlen sich dieser Gruppe zugehörig. Das zeigt auch folgendes Experiment, das die Psychologin Kristin Shutts von der Universität in Wisconsin-Madison (USA) durchgeführt hat: Dreijährige Jungen und Mädchen schauten ein Video, auf dem abwechselnd ein Junge und ein Mädchen zu sehen waren. Der Junge sagte, dass sein Lieblingsessen „Spudel“ seien, das Mädchen nannte „Blickets“. Als die jungen Probanden sich später zwischen „Spudel“ und „Blickets“ entscheiden sollten, wählten 65 Prozent der Jungen „Spudel“, also das, was der Junge im Video gesagt hatte – und 85 Prozent der Mädchen entschieden sich für die „Blickets“ des Mädchens. „Kinder haben das Gefühl, dass sie die Kategorien um sich herum aufrecht erhalten müssen, damit alles seine Ordnung hat“, sagt Stevie Schmiedel. „Sie sind verwirrt, wenn ein Kind da nicht hineinpasst.“ Können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, sich außerhalb dieser Geschlechtsnormen zu entwickeln? Ihre eigenen Stärken zu entfalten – völlig unabhängig davon, ob sie als weiblich oder männlich gelten?

Vorreiter Schweden

In Schweden versuchen Pädagogen seit vielen Jahren die Geschlechterstereotype bereits im Kindergartenalter aufzubrechen. Hier gibt es besondere, geschlechtssensible Kitas, in denen zum Teil nicht einmal die Pronomen „er“ oder „sie“ verwendet werden dürfen, ja, in denen sogar ein in Schweden konstruiertes, geschlechtsneutrales Pronomen angewendet wird. Welche Wirkung das auf die Entwicklung von Kindern hat, hat Ben Kenward untersucht. „Es geht nicht darum, aus Jungs Mädchen zu machen“, sagt er im Interview. In Deutschland gibt es solche geschlechtssensiblen Kitas nicht. Auch keine Fortbildungen zum Thema Gender werden derzeit für Erzieher und Erzieherinnen im Raum Köln angeboten. Trotzdem setzen sich einige Kitas für mehr Geschlechtersensibilität ein. So wie die „Lindenburg Pänz“, die Betriebskita der Uniklinik Köln. „Das gehört einfach zum Geist unseres Hauses“, sagt Ute Pilgram, Leiterin der Kita.

Sechs Gruppen für insgesamt 90 Kinder gibt es hier, Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass mindestens ein Elternteil an der Uniklinik arbeitet. Für neue Mitarbeiter gibt es ein Einarbeitungskonzept. „Ich erwarte, dass die Erzieher und Erzieherinnen beide Geschlechter gleich behandeln und beiden gleiche Angebote machen“, sagt Ute Pilgram. Sie vertraue da voll auf ihr Team. Man versuche, das eigene Verhalten zu reflektieren. Bei den „Lindenburg Pänz“ kommen nicht etwa ein neues Mädchen oder ein neuer Junge in die Gruppe. Es kommt ein neues Kind. „Ich versuche dem Kind, so wie es ist, gerecht zu werden“, sagt Erzieher Max Gehlsen (35). Das Klischee, wonach Jungs Raufbolde und voller Energie seien, stimme oft nicht. Es gebe auch viele schüchterne Jungs. Und ebenso viele starke, wilde Pippi-Langstrumpf-Mädchen.

Aber gibt es nicht einfach auch diese rosa Mädchen? Immer wieder zeigen Sozialforscher eben auch auf, dass es sie zu geben scheint, die typisch weiblichen und typisch männlichen Eigenschaften. Kita-Leiterin Ute Pilgram konnte in ihrer langen beruflichen Laufbahn beobachten, dass Mädchen eher Lust auf Kommunikation haben und sich verbal auseinandersetzen, Jungen mehr durch Handeln und Ausprobieren. Die Frage ist, was in der persönlichen Entwicklung die größere Rolle spielt – was angeboren ist, oder das, was man gelernt hat? Die versöhnliche Antwort der Wissenschaft lautet meistens: fifty-fifty.

Willkommen im Rollenspielraum

Die eine Hälfte wird von den Erbeigenschaften bestimmt, die andere von unserem sozialen Umfeld. „Kinder sollen lernen, dass sie alle Möglichkeiten im Leben haben – unabhängig vom Geschlecht“, sagt Ute Pilgram. „Und dafür legt die frühe Pädagogik die Basis.“

Im Morgenkreis entscheidet in der Kita jedes Kind, wo es heute spielen möchte. Auf einer Tafel wird festgehalten, wer in den nächsten Stunden in welchem Raum sein will: Hinter dem Symbol mit den Gesellschaftsspielen kleben acht dicke Zahlen. Dann werden Magnete mit den Gesichtern der Kinder auf die Zahlen verteilt – bis der Raum voll ist. Bei den „Lindenburg Pänz“ gibt es einen Raum zum Turnen und Toben. Einen Bauraum. Ein Zimmer, wo die Kinder malen können – Atelier heißt das hier. Und doch: Wenn ein Kind wochenlang in nur einem Raum spielen will, greifen die Erzieher ein. „Wenn ein Kind zum Beispiel immer im Bauraum ist, biete ich ihm an, doch mal ins Atelier zu gehen – und vielleicht einen Bagger zu zeichnen“, erklärt Erzieherin Rica Garms (25). „Nicht, weil ich das Kind zu etwas zwingen will, sondern weil wir ja auch die Aufgabe haben, den Kindern Fähigkeiten in vielen verschiedenen Bereichen zu vermitteln. Und einen Stift halten zu können, ist eben auch wichtig.“

Die Puppenecke wird Rollenspielraum genannt. An Puppen erinnern aber nur die Handspielpuppen von Tünnes und Schäl aus dem Hänneschen Theater. Es gibt einen Herd und eine Waschmaschine aus Holz, aber auch einen Computer zum Spielen. Und viele Kostüme.„Ja, auch die Jungs ziehen im Rollenspielraum mal das Ballerina-Outfit über“, sagt Max Gehlsen. Blöde Kommentare von den anderen Kindern habe er deswegen noch nicht gehört. Und selbst wenn. Da müsse man als Erzieher richtig reagieren und sagen, dass auch ein Junge im Tutu völlig okay ist. „Ich würde mit den Kindern darüber sprechen, es aber nicht verteufeln.“ Kinder entwickelten erst im Alter von vier Jahren eine Geschlechtsidentität. „Und dann sehen sie erstmal alles schwarz-weiß, suchen sich Vorbilder, wollen sich vom anderen Geschlecht abgrenzen. Das ist ganz normal“, sagt Gehlsen. „Die Grautöne entwickeln sich erst später.“

Er findet: „Jungs brauchen mehr Rollenvorbilder. Wenn sie im Kindergarten einen männlichen Erzieher haben und erleben, dass auch der trösten kann, dann tragen sie das mit in ihr eigenes Erwachsenenleben.“ Auch Jungs, die bei alleinerziehenden Müttern großwerden, profitieren davon. Bei den „Lindenburg Pänz“ gibt es zwei männliche Erzieher. Und 24 weibliche.

Andere Gruppendynamik

Trotzdem: Ein absoluter Luxus. Denn nur fünf Prozent im Erzieherberuf sind überhaupt männlich – die meisten von ihnen arbeiten aber nicht im Frühpädagogischen Bereich, sondern in Jugendgruppen oder Heimen. Wie bereichernd es sein kann, auch männliche Pädagogen im Team zu haben, weiß Rica Garms. Die 25-Jährige arbeitet in ihrem Stockwerk mit zwei Männern und vier Frauen zusammen.

Zwar würden alle Kollegen die gleichen Aufgaben übernehmen, sowohl trösten als auch toben. Aber: „Das macht was mit den Kindern“, sagt sie. „Die Gruppendynamik ist besser, die Kinder sind ausgeglichener.“ Deswegen wünschen sich viele Erzieher, dass mehr Männer für den Beruf des Erziehers angeworben würden. „Das Ideal wäre halb halb“, sagt Kita-Leiterin Ute Pilgram. Eine utopische Vorstellung in Zeiten, in denen es allerorten an Erziehern mangelt – an männlichen wie weiblichen.

Vor einigen Monaten kam ein Junge morgens zu den „Lindenburg Pänz“, an den Füßen saßen knallpinke Gummistiefel, berichtet Erzieherin Rica Garms. Sie war überrascht. „Aber dann hat es mich verwirrt, dass ich so überrascht war. Denn es ist doch etwas Gutes, wenn auch Jungs pinke Sachen anziehen.“ Den Jungen selbst interessierte die Farbe nicht, die anderen Kinder ebenso wenig. Der Junge hängte seine Gummistiefel wie jeden Morgen an den Schuhbaum, streifte die Hausschuhe über und ging in den Morgenkreis.

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