Mutter empörtSollen Eltern ihre Familienplanung etwa nach dem Kita-Start ausrichten?

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Kita-Eingewöhnung im Dezember oder Januar? Was in der Mehrzahl der Bundesländer Alltag ist, ist in den meisten NRW-Kitas nur in Ausnahmefällen möglich. 

  • Einen Kitaplatz zu bekommen, ist in Großstädten oft ein Kampf. Wurde das Kind im Winter geboren, ist es in NRW noch schwieriger.
  • Das Problem: In unserem Bundesland gibt es keinen flexiblen Kita-Start. Die Kindergartenzeit beginnt im Sommer, egal wie alt das Kind ist.
  • Warum ist das so? Das fragte sich Julia Schönhofen. Die Mutter eines kleinen Sohnes hat eine Online-Petition gestartet – gegen den festgesetzten Beginn im August.

Köln/Sankt Augustin – Wer ein Kind hat, das im Winter geboren wurde, hat in Köln, Bonn und anderen großen Städten in NRW das Nachsehen. Denn das Kindergartenjahr beginnt bei uns im August – und in der Regel werden in den hiesigen Kitas auch nur dann neue Kinder aufgenommen. Die Folge: keine Flexibilität bei sämtlichen Planungen innerhalb der Familie. „Die persönlichen Situationen und Bedürfnisse werden ignoriert, da das Alter der Kinder bei Betreuungsstart nicht frei gewählt werden kann“, ärgert sich Julia Schönhofen, Mutter aus Sankt Augustin.

Kita-Eingewöhnung im Dezember – in NRW nur als Ausnahme

Wenn das Elterngeld ausläuft, stehen Eltern von Winterkindern also oft vor einer Betreuungs-Herausforderung. Kita-Eingewöhnung im Dezember oder Januar? Was in der Mehrzahl der Bundesländer Alltag ist, ist in den meisten NRW-Kitas nur in Ausnahmefällen möglich. Und das, obwohl die Rahmenfaktoren wie der Schulstart im Sommer und der allgemeine Betreuungsplatzmangel in ganz Deutschland gleich sind.

Julia Schönhofen kann diese Ungleichheit nicht nachvollziehen. Die Mutter eines 17 Monate alten Sohnes hat früher in Hessen gelebt und weiß, dass es anders geht. Sie macht sich jetzt mit einer Online-Petition stark für einen freien Kitastart in NRW. Knapp 600 Eltern haben die Petition schon unterzeichnet und es sollen noch viel mehr werden in den nächsten Wochen.

Die Hintergründe:

• Grundsätzlich hat jedes Kind in Deutschland ab einem Jahr ein Recht auf Betreuung nach  § 24 Abs. 2 SGB VIII.

• In NRW sieht der Standardvergabeprozess sowohl bei der Kindertagespflege als auch in der Kindertagesbetreuung allerdings häufig einen Beginn der Betreuung im Sommer vor. Hauptsächlich im August zu Beginn des neuen Kita-Jahres.

• Bei den meisten anderen Bundesländern ist der Betreuungsstart deutlich flexibler geregelt, vor allem in NRW, Bremen und Niedersachsen gibt es jedoch eine sogenannte "angebotsorientierte" Vergabe der Plätze. Das Gegenteil dazu ist in den anderen Bundesländern die "bedarfsorientierte" Vergabe.

Julia Schönhofen sagt: „Die Situation in NRW führt meiner Meinung nach zu vielen Problemen: die Kitas haben im Sommer viele Kinder, die gleichzeitig eingewöhnt werden müssen. Das führt zu einer großen Belastung für Kitas, Eltern und Kinder. Und die Eltern müssen oft ungewollte Gehaltseinbußen hinnehmen, da das Elterngeld nur ein Jahr voll bezahlt wird, eine Betreuung aber meist nur im August gestartet werden kann.“ Gerade für Eltern mit Winterkindern ist das problematisch.

Zudem sind die Eltern auf diese Weise zeitlich sehr eingeschränkt bei der Rückkehr in den Job – wenn nicht andere Wege, wie zum Beispiel Betreuung durch Großeltern gefunden werden können.

Familienplanung nach Kita-Möglichkeiten richten

„Falls wir ein zweites Kind wollen, werden wir uns das Datum der Zeugung und damit den Geburtstermin sehr genau überlegen“, lacht Julia Schönhofen. Doch das Thema ist ihr ernst. Auch, weil sie bereits viele weitere Eltern kennengelernt hat, die ihre Familienplanung tatsächlich so legen, dass das nächste Kind auf jeden Fall in den Sommermonaten geboren wird.

Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen sagt auf Anfrage vom Kölner Stadt-Anzeiger zu dem Thema: „Nach § 24 Absatz 2 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat nach Absatz 3 bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung. Diese Ansprüche richten sich gegen das örtlich zuständige Jugendamt und sie entstehen mit dem Tag des jeweiligen ersten bzw. dritten Geburtstages und nicht erst mit Beginn des Kindergartenjahres am 1. August.“

Kita-Start zum Wunschtermin meist nicht möglich

Das jeweilige Jugendamt sei für die Planung und Realisierung eines bedarfsgerechten Angebotes und damit für eine umfassende Jugendhilfeplanung verantwortlich. Es sei verpflichtet, die individuelle Bedarfslage der jeweiligen Familien zu berücksichtigen und angemessene Betreuungsplätze in zumutbarer Entfernung zum Wohnbereich anzubieten. Das Ministerium rät Müttern und Vätern: „Eltern sollten dem Jugendamt spätestens sechs Monate vor Inanspruchnahme den für ihr Kind gewünschten Betreuungsbedarf, den gewünschten Betreuungsumfang und die Betreuungsart schriftlich anzeigen. Dazu gehört auch der gewünschte Startzeitpunkt. Die Jugendämter sollen im Rahmen ihrer Planung auch für Fälle Vorkehrungen treffen, in denen die Eltern aus besonderen Gründen ausnahmsweise schneller als in der Sechsmonatsfrist einen Betreuungsplatz benötigen. Es ist mithin schon nach gegenwärtiger Rechtslage so, dass Eltern mit entsprechender Vorlaufzeit entscheiden können, ab welchem Tag sie für ihr Kind Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen wollen.“

Die Realität sieht für viele Familie in NRW dennoch nach wie vor anders aus. Ein Kita-Start zum Wunschzeitpunkt ist momentan in vielen Kommunen praktisch nicht möglich. Dass es auch anders geht, beweist zum Beispiel die kleine Kommune Korschenbroich im Rhein-Kreis Neuss. Dort wird bereits seit Jahren die bedarfsorientierte Vergabe von Betreuungsplätzen erfolgreich umgesetzt.

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Julia Schönhofen wünscht sich: „Jede Familie in unserem Bundesland soll künftig selber entscheiden dürfen, ab wann sie ihr Kind in die Betreuung gibt, abhängig von den individuellen Situationen und Wünschen.“ Daher fordert sie in ihrer Petition von allen Kommunen in NRW eine Umstellung ihres Vergabeprozesses. „Mit ausreichendem Planungsvorlauf sollen sie den Familien einen ganzjährigen Betreuungsstart ihrer Kinder ermöglichen. Falls die Notwendigkeit besteht, soll das Land NRW die rechtlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel hinsichtlich der Finanzierung,  anpassen.“  Die 28-Jährige hofft, dass sie mit ihrer Petition in den nächsten Monaten viel bewegen kann.

Denn ein standardmäßiger ganzjähriger Betreuungsstart ist in den meisten Bundesländern schon lange Alltag, wie eine Auswertung des Ländermonitors deutlich zeigt. In Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen zum Beispiel  haben die Kommunen Wege gefunden um den individuellen Bedürfnissen der Eltern und Kinder gerecht zu werden. „Wenn es in so vielen Bundesländern klappt, warum dann nicht auch bei uns?“, fragt sich die Mutter eines Einjährigen.

Wer die Petition unterstützen und unterzeichnen möchte, findet hier den Link (einfach draufklicken).

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