Nur Fiktion?Studie erklärt, warum unsere Kindheitserinnerungen oft nicht stimmen

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Sie erinnern sich auch noch genau an ihren ersten Urlaub? Eher nicht, sagt eine neue Studie.

„Ach, ich weiß noch damals in meinem ersten Urlaub, als Papa mir die riesige Qualle gezeigt hat. Da muss ich so etwa eineinhalb gewesen sein. Ich sehe es vor mir! Oder der erste Zirkus-Besuch mit zwei, als der Elefant zu mir rüber schaute und ich ganz schlimm anfing zu weinen…“

Erinnerungen an das Alter vor Drei sind fiktiv

Viele kennen sie, die Erinnerungen aus ganz frühen Kindertagen, die noch heute so präsent und farbenfroh und real erscheinen. Die wichtigen Momente aus den ersten Lebensjahren haben sich eben so stark eingeprägt, dass man sie auch nach so langer Zeit noch im Kopf hat. Doch stimmt das auch – sind die Dinge wirklich so passiert?

Nein, das sei nicht sehr wahrscheinlich, sagt nun eine aktuelle Studie, die im Journal Psychological Science veröffentlicht wurde. Die frühesten Kindheitserinnerungen hätten Menschen erst ab dem Alter von drei oder dreieinhalb Jahren. Das, was sie aus der Zeit davor zu wissen meinen, seien rein fiktive Erinnerungen. Sich richtig zu erinnern, wie Erwachsene, könnten Kinder sogar erst im Alter von fünf oder sechs Jahren, weil ihr Gehirn sich entwickelt und sie erst dann ein Verständnis von der Welt erlangt hätten.

Und doch gaben bei der Studie 40 Prozent der 6641 Befragten an, Erinnerungen an die Zeit vor dem zweiten oder sogar vor dem ersten Geburtstag zu haben. In der Untersuchung sollten sie eine dieser Kindheitserinnerungen genau erzählen, von der sie sicher waren, sie erlebt und nicht nur erzählt bekommen zu haben. Sie waren überzeugt, dieses Kindheitserlebnis tatsächlich so erfahren zu haben.

Fragmente aus Gefühlen und Erzählungen

Die Forscher haben auch eine Erklärung dafür, warum sich etwas Fiktives so real anfühlt. „Wir glauben, dass der Erwachsene bei diesen fiktiven, unwahrscheinlichen Erinnerungen psychische Fragmente früher Erfahrungen mit dem verknüpft, was er über seine Kindheit weiß“, sagt Studienleiterin Shazia Akhtar von der University of Bradford.

So verbinde er zum Beispiel das frühe Erlebnis von Angst oder Familienbeziehungen und Erinnerungen an etwa einen Kinderwagen mit den Geschichten, die ihm über seine Kindheit erzählt oder auf Fotos gezeigt wurden. Dabei würde die Person ganz unbemerkt auch Dinge in Gedanken dazu fügen, die zu der Situation passen, zum Beispiel dass neben dem Kinderwagen Spielzeug lag. Alles zusammen erscheine dann allerdings wie eine echte Erinnerung.

In der Befragung hätten vor allem Menschen mittleren und höheren Alters angegeben, solche echten Erinnerungen vor dem Alter von drei Jahren gehabt zu haben. Ihnen sei dabei nicht bewusst gewesen, dass diese Erinnerungen fiktiv sind. „Es war sogar so, dass die Befragten es nicht glauben konnten, dass ihre Erinnerungen falsch waren“, erklärt Martin Conway von der University of London.

(iwo)

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