Pro und ContraSollten Fünftklässler ein Smartphone haben?

Lesezeit 6 Minuten
Junge mit Smartphone dpa

Smartphones sind ein wichtiger Teil unseres Alltags geworden. Doch sollten auch schon Fünftklässler eins besitzen? Die Streitfrage der Woche. (Symbolbild)

  • Smartphones sind ein elementarer Teil unseres Alltags geworden.
  • In der Corona-Pandemie sollen Schüler beispielsweise auch die Corona-Warn-App nutzen.
  • Doch brauchen Fünftklässler wirklich schon Smartphones? Ein Pro und Contra.

Köln – Drei von vier Zehnjährigen haben in Deutschland laut Umfragen schon ein internetfähiges Handy. Doch brauchen sie das auch wirklich? Ja, sagt Susanne Rohling, 45, freie Autorin, hat das Tippen auf einer Schreibmaschine gelernt. Ihr Smartphone nutzt sie  vor allem, um ihre drei Kinder zu fotografieren.  Nein, sagt Lioba Lepping, 47,  Redakteurin Stadtteile, die sechs Neffen und Nichten hat, die mit zwölf ein Handy bekamen. Und einen zehnjährigen Sohn, der noch 13 Monate warten muss.

Pro: Ich will nicht verteufeln, was elementarer Teil unser aller Leben ist

Mein Sohn kommt in die zweite Klasse und hat ein Smartphone. Aber halt, bevor Sie die Augen verdrehen: Haben ist nicht gleich Haben. Auf das Wie kommt es an. Das liegt in der Verantwortung von uns Eltern. Es kostet Kraft, Zeit und viel Geduld, dieses Wie durchzusetzen. Knapp bemessene Güter im wilden Familienalltag. Und da liegt das Problem.

Natürlich war ich erst einmal dagegen, unserem Siebenjährigen Zugang zu einem unserer alten Geräte zu gewähren. Aber dann kam Corona. Und mein Mann, der von Dienstag bis Freitag in Wien arbeitet, konnte immer wieder ziemlich lange nicht zu uns kommen. Also hat er dem Zwerg das Smartphone (ohne Sim-Karte) so eingerichtet, dass er den Papa im heimischen W-Lan über Skype anrufen und ihm E-Mails schreiben kann.

Und siehe da, innerhalb kürzester Zeit schaffte es der Kleine, auch selbst geschossene Fotos oder ein blinkendes Herz mitzuschicken. Ohne dass ihm das jemand gezeigt hätte. Das finde ich toll. Er geht mit einer Selbstverständlichkeit mit dem Handy um, die mir bis heute fehlt. Im Homeschooling hat er für seine Lehrerin Fotos von Bastelprojekten gemacht, und die Wetter-App hat er auch schon entdeckt.

Dass man mit dem Ding spielen kann, haben wir ihm bislang verheimlicht. Und Mobbing im Klassenchat gibt es (noch) nicht, weil seine Freunde kein Smartphone haben. Diese Probleme werden kommen. Und wir werden uns damit beschäftigen und rigoros Grenzen setzen müssen. Das wird anstrengend werden. Aber so ist eben die Erziehung dieser wunderbaren Wesen.

Schon jetzt ist es schwer genug, die maximal 30 Minuten Fernsehguck- oder Ipad-Spielzeit pro Tag durchzuhalten. Dieses Limit gilt bei uns nicht, weil Experten das empfehlen. Sondern weil die Erfahrung zeigt: Je länger die Kinder digital berieselt werden, desto schlechter ist ihre Laune, wenn abgeschaltet wird. Und desto schwerer fällt es ihnen, ins freie, kreative Spiel zurückzufinden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ich habe unseren Siebenjährigen auch schon dabei ertappt, wie er sinnlos im Handy rumgeklickt hat. Dann wird es halt für eine Weile außerhalb seiner Reichweite gelagert. Das Resultat: Wenn wir Eltern zu lange in unsere Geräte starren, kommt eine Ermahnung von ihm. Prima. So soll es sein. Nicht verbieten, sondern für einen gesunden Umgang sensibilisieren.

Ich will nicht etwas verteufeln, das elementarer Teil unser aller Leben ist. Technisch versiert zu sein, wird für Berufschancen und gesellschaftliche Teilhabe unserer Kinder noch entscheidender sein, als es das bei uns schon ist. Und Verbote? Nun ja. Bei uns zu Hause gab es kaum Süßes. Heute kann ich keine angefangene Tafel Schokolade beiseite legen. Alles muss weg.

Ich erlaube lieber wohldosierten Zugang und minimiere so hoffentlich die Suchtgefahr. Die besteht zweifelsohne. Aber nicht nur beim Nachwuchs, sondern auch bei uns Eltern. Denn Kinder im Bann eines digitalen Gerätes sind wunderbar unanstrengend. Sie kosten keine Zeit, keine Kraft und keine Geduld. Aber eben nur für den Moment.

Contra: Soziale Kompetenz geht vor Medienkompetenz

Dass mein Sohn erst mit zwölf Jahren ein Handy bekommt, steht schon lange fest. Meine großen Geschwister haben es mit ihrem Nachwuchs so gehandhabt – und gute Erfahrungen damit gemacht. Keines der Kinder wurde gehänselt oder zum Sozial-Paria. Wobei ich in meinem Fall einen Ausnahmetatbestand geltend machen könnte: Mein zehn Jahre altes Schlüsselkind muss sich täglich selbstständig auf den Schulweg machen. Und der verdoppelt sich gerade, weil unser Zweitwunsch-Gymnasium nicht so nah ist wie seine Grundschule. Lief er bisher nur zehn Minuten, braucht er jetzt 15 Minuten mit dem Rad, was natürlich größere Risiken birgt und die Notwendigkeit eines Handys plausibler machen würde. In der Theorie. Was, wenn er eine Panne hat? Das Fahrrad geklaut ist? Ein Tsunami die Heimfahrt verhindert?

In der Praxis vertraue ich darauf, dass der bald Elfjährige Wege finden wird, auch diese Unwägbarkeiten des Alltags zu meistern. Als Nicht-Handy-Besitzer hat er gelernt, mit seinen Mitmenschen herkömmlich (also von Auge zu Auge) in Kontakt zu treten. Er wird ins Sekretariat stapfen, um mich oder seinen Vater anzurufen oder zu einem nahe der Schule wohnenden Freund laufen, um sein Problem selbstständig zu lösen. Was er auf diese Art erzwungenermaßen auch lernt. Sozialkompetenz geht vor Medienkompetenz.

Und, tatsächlich bietet das Nicht-Handy-Besitzen in Zeiten von offenbar unverzichtbaren Whats-App-Klassen-Chats wertvolle Vorteile. Es bleibt ihm im Zweifel einiges erspart: Die Inhalte, die seine künftigen Klassenkameraden dort teilen werden, wirken im besten Falle Lebenszeit-verkürzend. Im schlimmsten Falle können sie die Seele meines Sohnes schädigen. Ich denke da an nicht jugendfreies oder rechtsextremes Gedankengut oder Cybermobbing.

Dem Argument der Standortverfolgung des Noch-Nicht-mal-Teenagers bin auch ich einige Zeit gefolgt, aber mit wenig Erfolg: Mein Sohn trug mal eine Armbanduhr, die mir per App seinen Standort verriet. Doch die landete bald wieder in der Schachtel. Weil die Standortüberwachung ungenau war, wurde mir während der Schulzeit angezeigt, dass das Kind drei Straßen weiter weilte. Was zu einem panischen Anruf meinerseits in der OGS führte. Das Kind war aber da. Seitdem handeln wir nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ersetzt nicht den Aufbau einer vertrauensvollen Mutter-Sohn-Beziehung.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wenn das Kind zu Hause ist, ruft es an. Wenn was Schlimmes passiert, erfahre ich das sowieso. Im übrigen muss kein einziges zehnjähriges Kind rund um die Uhr erreichbar sein. Und das Smartphone, das jetzt tausendfach in den Schultüten der Fünftklässler landet, lenkt die Beschenkten mehr als es gut ist vom eigentlich Wichtigem ab. Ich jedenfalls möchte, dass sich mein Sohn auf die neuen Lehrer, Mitschüler und Lerninhalte konzentriert, nicht auf ein Handy.

Geräte besitzt auch mein Kind – von Ipad bis Nintendo-Wasweißich stehen ihm elektronische Ablenkmittel zur Verfügung. Spielereien auf und mit dem Smartphone sind überflüssig.

Ich überlege nun aber tatsächlich, ihm ein Retro-Modell von Nokia zur Verfügung zu stellen. Knallrot, mit Tasten und kleinem Display. Nur zum Anrufen. Dasselbe Vorhaben hatte auch meine Schwester bei ihren Söhnen. Doch die bettelten um Erbarmen: Das Modell war ihnen zu peinlich. Dann lieber gar kein Handy.

KStA abonnieren