Psychologin rätSo sprechen Eltern mit Kindern über den Krieg in der Ukraine

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Angst vor Krieg Getty

Wenn Kinder sich Sorgen um einen Krieg in der Ukraine machen, sollten Eltern offen mit ihnen sprechen.  

Köln – Frau Raffauf, schon länger kursierte in den Medien das Wort Krieg – nun hat Russland wirklich einen Krieg in der Ukraine begonnen. Dass da was passiert, bekommen auch die Kinder mit. Was macht das mit ihnen?  

Das ist sehr unterschiedlich. Manche Kinder können sich darunter nicht so viel vorstellen, andere bekommen auf jeden Fall mit, dass da etwas Schreckliches passiert. Viele Kinder wissen, dass Krieg kein Spaß ist, dass Menschen sehr darunter leiden und auch sterben. Eltern können ihre Kinder fragen: Habt ihr im Unterricht darüber gesprochen? Hast du im Radio was gehört? Möchtest du darüber sprechen? Eltern sollten Kindern das Gespräch nicht aufdrängen, aber signalisieren: Ich bin da, wir können sprechen. Und sie sollten wissen, dass manche Kinder jetzt Angst haben. Auch, wenn die meisten Kinder noch keine konkrete Vorstellung davon haben, was Krieg ist, wissen sie auf jeden Fall, dass es schlimm ist – und nicht wie im Ballerspiel.

Wie sollten Eltern generell mit ihren Kindern über das Thema Krieg sprechen?

Eltern sollten so darüber sprechen, dass die Kinder wissen, was es bedeutet. Sie sollten nichts beschönigen, aber auch keine Angst machen. Eltern können zum Beispiel erzählen, was es für Kriege gab und ihnen Informationen vermitteln. Aber dazu gehört natürlich auch immer ein Gefühl. Man kann zum Beispiel sagen: Mein Opa hat den Krieg noch miterlebt – ich kann mich noch gut daran erinnern, wie er darüber erzählt hat. Man kann sagen, was ist. Aber natürlich auf einer kindgerechten Ebene – da kommt es sehr auf das Alter der Kinder an.

Zur Person

Elisabeth Raffauf ist Diplom-Psychologin mit eigener Praxis in Köln.  Zwanzig Jahre lang hat sie in einer Erziehungsberatungsstelle mit  Eltern, Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Neben ihrer Tätigkeit in der Praxis veröffentlicht sie Fachbücher, arbeitet für das Kinderradio des WDR und ist Autorin für unsere Kolumne "In Sachen Liebe".

Und wie spricht man konkret über die Lage in Ost-Europa?

Die meisten Kinder spüren, dass da etwas nicht stimmt. Deswegen ist es ganz wichtig, ihnen zu vermitteln: Ja, das, was da passiert, ist was Schlimmes. Wir sind auch unruhig. Dein mulmiges Gefühl ist richtig! Die Kinder müssen wissen, dass ihr Gefühl an der richtigen Stelle ist, denn das gibt Sicherheit. Es hilft den Kindern zu sehen, dass ein Thema sein darf. Denn dann wird die Sorge auf mehrere Schultern verteilt und man fühlt sich nicht so allein.

Wenn die Eltern selbst aber gerade große Angst haben, sollten sie damit zu anderen Erwachsenen gehen und das nicht detailliert mit den Kindern besprechen. Es ist gut, wenn Eltern die Gespräche über die aktuellen Entwicklungen nicht ausführlich vor den kleinen Kindern führen, denn das belastet zu sehr.

Dann ist es also letztlich besser, den Kindern auch eine gewisse Menge an Informationen zu geben, statt die Situation herunterzuspielen, oder?

Ja, aber altersentsprechend natürlich. Wenn Kinder weiter fragen und mehr wissen möchten, kann man sich zum Beispiel die Länder, die da beteiligt sind, mal genauer anschauen. Wenn man für dieses vage, mulmige Gefühl Worte findet, gibt das Sicherheit. Dann kann man sich die Situation quasi von außen angucken und so ein bisschen Distanz zwischen sich und dieses Gefühl bringen.

Wenn solche Nachrichten Kinder so verunsichern, sollten Eltern dann nicht lieber versuchen Kinder von den Nachrichten abzuschirmen? Oder ist das in unserer heutigen Zeit gar nicht möglich?

Nein, das ist nicht möglich. Die Kinder erfahren sowieso, was auf der Welt passiert und gerade deswegen ist die mediale Begleitung so wichtig. Denn sonst bleiben die Kinder ja alleine mit den Informationsfetzen, die sie im Internet oder Fernsehen erfahren und machen sich noch mehr Sorgen. Die Kinder schauen oder hören ja auch Kindernachrichten oder lesen die Kinderseite. Aber natürlich gibt es in der Zeitung auch noch die Nachrichten für Erwachsene und da gucken die Kinder ja nicht weg. Wir können sie nicht abschirmen. Aber natürlich sollten wir nicht den ganzen Tag den Fernseher laufen lassen, sodass die Kinder dauernd die schrecklichen Bilder sehen. Die Erwachsenen können sich abends informieren, wenn die Kinder im Bett sind.

Lange gab es ein Hin und Her und da war die Hoffnung, dass es doch noch einen friedlichen Weg gibt. Nun ist der Krieg die traurige Gewissheit. Wie erklärt man das Kindern?

Tja, da ist ein Machthaber, der noch mehr Macht haben möchte. Der will sein Land vergrößern – indem er sich ein anderes Land nimmt, was ihm nicht gehört. Und vor allem: Diesem Machthaber kann man nicht mehr vertrauen. Der hat gesagt: Ich werde nicht einmarschieren und jetzt hat er es doch getan. Das ist ein riesiger Vertrauensbruch und alles, was vorher besprochen und schriftlich festgehalten wurde, gilt nicht mehr. Und das hat große Folgen. Denn jetzt weiß man auch nicht: Kann man in Zukunft überhaupt noch Absprachen mit ihm treffen? Im Moment auf jeden Fall nicht. Trotzdem sollten Eltern auch betonen, dass westliche Politikerinnen und Politiker im Moment nichts anderes tun als sich Gedanken darüber zu machen, wie man unterstützen kann. Allein die Sanktionen, die Strafen, zeigen ja: Die anderen Politiker wollen nicht eskalieren, die wollen nicht das Gleiche tun, was Putin macht, nämlich einen Krieg führen. Die wollen auf anderem Wege versuchen, noch Schlimmeres zu verhindern.  

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Dieser Krieg trifft uns ja in einer Zeit, in der wir durch die Corona-Krise sowieso schon ängstlich und verunsichert sind. Was macht diese neue Bedrohung on top mit den Kindern?

Corona ist ja sowieso ein Brennglas auf Probleme, die es schon gibt. Und beides zusammen – Corona und Krieg – verunsichert mindestens doppelt. Bei manchen spitzt sich dieses Gefühl dann zu, wenn sie sich auch noch mit der aktuellen Lage in Osteuropa beschäftigen. Ist die Welt denn so schrecklich? Hört das denn gar nicht mehr auf? Eine Krise nach der anderen. Das Problem daran ist ja auch: Diese Krisen machen einen ohnmächtig und hilflos. Man kann nichts tun, dass Corona weggeht und auch nichts gegen einen drohenden Krieg machen. Diese Ohnmacht kann einen niederstrecken und auch verzweifeln lassen.

Haben Sie denn Tipps, wie man dieses Gefühl ein bisschen besser in den Griff bekommen kann? Was können Eltern tun, um ihren Kindern zu helfen?

Eltern sollten ihre Kinder begleiten, ein offenes Ohr haben, ihnen das Gefühl geben: Ich verstehe dein Gefühl, die bist damit nicht alleine. Und dann – wie schon gesagt – gleichzeitig ein bisschen Verstand reinbringen, um sich von dieser Angst zu distanzieren. Eltern können mit ihren Kindern auch gemeinsam zu einer Friedensdemonstration gehen oder einfach eine Kerze anzünden und an die Menschen in der Ukraine denken. Das hilft gegen das Gefühl der Ohnmacht. Es ist wichtig, dass die Angst vor dem Krieg einen Raum hat, aber dass sie nicht alles einnimmt. Man sollte darüber reden, aber dann auch wieder etwas Schönes machen und sich ablenken.

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